Der Haken: Dort müssen Sie die Fonts so nehmen, wie sie angeboten werden. Wenn Sie jedoch eine bestehende Schriftart modifizieren oder gar eine ganz eigene Schriftart erstellen möchten, dann sind Sie dort an der falschen Adresse.
Es gibt allerdings einige Dienste im Netz, die sich genau darauf, nämlich die Modifizierung bestehender Fonts und die Erstellung komplett neuer Schriftarten, das sogenannte Schriftdesign, spezialisiert haben. Diese Dienste stelle ich Ihnen heute vor. Mehr Hintergrundwissen zum Thema in unserem Leitfaden: „Typographie im Alltag: So werden deine Texte lesbar.“
Calligraphr
Mit Calligraphr können Sie das Schriftdesign basierend auf ihrer eigenen Handschrift erlernen und so Schriften und Standard-Schriftdateien (im TTF- oder OTF-Format) erstellen. Einmal erstellt und heruntergeladen, funktionieren sie unabhängig von Calligraphr. Man kann also jederzeit nach Anfertigung der eigenen (Hand-)Schrift den Account wieder löschen.
Wie bei den meisten anderen Tools gibt es hier eine kostenlose Variante und einen Pro-Bezahlplan, welcher dann mehr Möglichkeiten zulässt als dessen kleiner Bruder.
Lizenzen
Die eigenen Schriften sind auch lizenztechnisch quasi frei: sie gehen in ihr Eigentum über und Sie kannst die Schriften auf so vielen Computern installieren wie Sie möchten, und sie sogar für den kommerziellen Gebrauch einsetzen.
Eine echte Handschrift erzeugen
Die Zufallsgenerierung von Zeichen ist für die Simulation echter Handschrift unerlässlich. Dabei werden verschiedene Variationen desselben Zeichens reproduziert, die in jedem handgeschriebenen Text vorkommen. Das bedeutet, dass Sie für jedes Zeichen verschiedene Varianten angeben können, welche dann beim digitalen Schreiben nach dem Zufallsprinzip angewandt werden, um ihrer Schrift ein natürliches Aussehen zu verleihen.
BirdFont
BirdFont ist kein wirklich rein kostenloses Tool, aber es ist Open-Source und kann kostenfrei verwendet werden, solange man mit der SIL Open Font License einverstanden ist. Unter dieser Lizenz wird der generierte Font dann lizensiert. Möchte man seinen Font hingegen auch kommerziell verwenden, kostet die Freischaltung ab 1.- USD respektive ab 5.- USD mit Programm-Updates. Die genannten Preise sind Mindestpreise, man kann und darf mehr bezahlen.
BirdFont ist keine Online-Anwendung, sondern ein Desktop-Tool und als solches für Windows, Mac OS X, sowie für Linux erhältlich. Um einen Font zu kreieren, können Sie auf dem Gitter zeichnen, oder sogar ihre Eingaben handschriftlich über andere Programme eingeben (auch auf Papier). Diese Bild-Datei wird dann als Hintergrund in BirdFonts importiert. Darüber entwirft man nun seine Buchstaben. Die Anwendung kann aus anderen Programmen wie zum Beispiel Inkscape oder Adobe Illustrator importieren und fertige Projekte entweder als TTF-, EOT- oder SVG-Fonts exportieren. Etliche Tutorials sind auf der Webseite zu finden. Ebenfalls existieren eine Menge Video-Tutorials zu allen wichtigen Arbeitsschritten.
FontForge – Schriftdesign im Kurvenstil
FontForge ist ein sehr umfangreiches, kostenloses Open-Source Tool mit fast unendlichen Möglichkeiten und Einstellungen. Die Funktionsvielfalt könnte einen Einsteiger glatt abschrecken, wenn es nicht so gute Tutorials und ein umfassendes FAQ gäbe, das dem geneigten Leser sehr viel Fachwissen über Typografie vermittelt.
In FontForge werden Buchstaben mittels Kurven gezogen, die wiederum in Form und Position beeinflusst werden können. Wenn Sie bereits in Photoshop oder Gimp gezeichnet haben, ist das gar nicht so schwer. Ansonsten muss etwas Zeit zum Erlernen investiert werden. Dafür sind die möglichen späteren Ergebnisse aber sehr gut. Für eine bessere Kontrolle über die gezeichneten Elemente gibt es Ebenen, genau wie in Photoshop oder ähnlichen Programmen.
FontForge kann SVG- und EPS-Dateien von Adobe Illustrator oder Inkscape importieren. Auch kann das Programm Fonts aus PDF-Dateien auslesen. Vor dem Exportieren ihren Fonts können Sie eine Funktion zum Auffinden von Fehlern und Inkonsistenzen starten – nämlich die „Find Problem“-Option, sowie die Font-Validierungs-Tools. FontForge ist ein Desktop-Tool und erhältlich für Windows, Mac OS X und Linux.
FontStruct
Mit FontStruct erstellen Sie Fonts durch die Kombination von einfachen, geometrischen Formen. Sie können Schriftarten entweder komplett neu erstellen oder auf Basis bereits bestehender Fonts anderer User arbeiten. Beispiele finden Sie in der Galerie. Die Oberfläche des Web-Dienstes ist einfach und klar gehalten, jedoch kann ein „Experten-Modus“ aktiviert werden, in dem Sie dann Zugriff auf viele weitere Optionen erhalten. Der Arbeitsbereich kann in der Größe beeinflusst und es kann hinein- und hinausgezoomt werden. Es gibt einen Vollbild-Modus und verschiedene Gitter und Hilfslinien stehen zu ihrer Verfügung.
Die neu geschaffene Schriftart exportieren Sie entweder als TTF-Datei oder aber als .glyphs (kann unter MAC OS X bearbeitet werden). FontStruct kann keine externen Fonts importieren und ihre Handschrift nicht in einen Font konvertieren. Allerdings steht eine Galerie mit Dutzenden von anderen Usern erstellten Fonts bereit, die Sie dann zur weiteren Bearbeitung importieren können. Das funktioniert in allen Browsern, braucht jedoch zur korrekten Funktion Adobe Flash. Eine Registrierung ist unbedingt erforderlich und kann nur per Benutzernamen und Passwort erfolgen.
Glyphr Studio
Diese praktische und recht funktionsstarke App kommt in zeitgemäßer Form daher. Sie kann entweder als Web-App oder als einfache HTML-Datei vom heimischen Rechner aus genutzt werden. Dank dieser Form muss das Glyphr Studio nicht installiert werden. Inkscape- und Illustrator-Dateien sind importierbar, ebenso wie ganze SVG-Fonts. Die Anpassung von Kerning und Ligaturen ist kein Problem, auch verknüpfte Formen können erstellt werden, um sie an anderen Buchstaben erneut nutzen zu können.
Mit der Test-Drive-Funktion erhalten Sie zudem eine Live-Vorschau ihres Fonts. Eine echte Besonderheit ist der Zwei-Bildschirm-Modus, mit dem Sie das Glyphr Studio auf zwei Monitore aufteilen können. Glyphr ist in allen modernen Browsern nutzbar, jedoch soll Google Chrome die besten Ergebnisse liefern. Glyphr exportiert Projekte als OTF- und SVG-Dateien.
BitFontMaker – eigene Schriftart mit Atari-Feeling erschaffen
Der BitFontMaker ist ein Tool für eine spezielle Art von Fonts, denn es lassen sich mit dem Tool sogenannte Pixel-Fonts erstellen, wie man sie noch von alten Video-Spielen kennt. Diese Form des Schriftdesigns ist im Kontext der Erstellung einer Hausschriftart eher als Spielerei anzusehen. Stöbern Sie in der umfangreichen Galerie, um zu sehen, was andere User an Fonts erstellt haben. Oder laden Sie eigene TTF- oder OTF-Fonts hoch, um diese dann zu bearbeiten. Auch neue Fonts lassen sich von Grund auf relativ leicht im Editor erstellen. Das fertige Endprodukt kann dann mit anderen Nutzern geteilt werden. Mit folgenden Browsern funktioniert der Dienst: IE 9+, Firefox 2+, Safari 5+ und Google Chrome. Eine Registrierung ist zur Nutzung von BitFontMaker nicht nötig.
TTFEdit – Schriftdesign: Lass es sein?
Das letzte Tool dieser Liste ist wieder eine Desktop-Anwendung, die installiert werden muss. In der Funktionsvielfalt liegt TTFEdit genau in der Mitte zwischen sehr komplexen Anwendungen, wie FontForge, und den einfacheren Anwendungen ohne große Funktionsvielfalt. Existierende Fonts im TTF-Format können importiert und modifiziert werden, oder man erstellt komplett neue Projekte aus Templates. Das Interface ist in Tabs aufgeteilt, wobei jeder Tab für verschiedene Aktionen steht. Die Form jedes Charakters kann durch das Bewegen und die Größenänderung von Kurven geändert werden.
Fazit
Schriftdesign ist kein Zuckerschlecken und eine Hausschrift Marke Eigenbau dürfte nur etwas für Kreative sein. Bei der Auswahl der Anwendungen für die Font-Erstellung habe ich darauf geachtet, dass für viele Problemstellungen Angebote dabei sind. Manchem mag es schon reichen, seine eigene Handschrift zum Font konvertieren zu können, andere entwerfen lieber neue Fonts von Grund auf. Spaß machen wird die Arbeit an eigenen Fonts mit jeder der vorgestellten Anwendungen.
(Der Beitrag erschien erstmals am 4. März 2015 und wurde zuletzt am 10. Juni 2020 aktualisiert.)
(Beitragsbild: Depositphotos)
3 Antworten
Wow, ich wusste gar nicht, dass solche Typographie-Editoren existieren. Ich habe mir bisher das Lettering für Logos in Illustrator zusammengeschnipselt. Das ja ganz wunderbar. Und es erklärt die Fülle an günstigen Schriften auf Seiten wie creative market.
Merci Dr. Web!
Danke für die Zusammenstellung, PaintFont gibt es nicht mehr, wurde von Calligraphr.com übernommen. Kostenlose Fonts sind relativ eingeschränkt.
Schöne Zusammenstellung. Hätte ich vor einiger Zeit gut gebrauchen können.
FontForge benötigt wirklich einige Einarbeitungszeit und Wissen über Fonts und Fonterstellung.
Hinweis zu ttfedit: ist ein Java-Programm, das auch unter Linux läuft. Einzig das Shell-Skript zum Starten muss noch auf Unix-Zeilenenden umgestellt werden.
Kommentare sind geschlossen.