Branding: Die Wahrheit über die Psychologie der Farben
Die Psychologie der Farben und ihrer Wirkung ist einer der interessantesten und gleichzeitig umstrittensten Aspekte des Marketing. Viel Streit entbrannte stets an der Tiefe der Analyse, denn die Farbenlehre ist ein sehr komplexes Gebiet mit vielen Nuancen. Die omnipräsenten Infografiken zum Thema gehen dabei leider nicht wirklich tief in die Thematik hinein. Wir versuchen heute, dieses schwierige Thema etwas breiter auszuloten.
Häufige Missverständnisse über die Wirkung von Farben
Die Forschung zeigt, dass persönliche Vorlieben, Erfahrungen, die Erziehung und kulturelle Unterschiede Farben unterschiedlich auf uns wirken lassen können. So ist die Idee, mit einer bestimmten Farbe auch bestimmte Emotionen in uns auszulösen, in der Praxis nicht haltbar.
Doch es gibt viel über Farben und ihre Wirkung zu lernen. Ebenfalls müssen wir prüfen, ob wir es demütig akzeptieren wollen, dass es keine Garantien und wirklich konkrete Antworten geben kann.
Die wichtige Bedeutung der Farben im Branding
Zunächst werfen wir einen Blick auf das Branding und die Farbwahrnehmung im Zusammenhang mit der Gestaltung von Marken. Unzählige Studien versuchten, die Verbraucher-Reaktionen auf verschiedene Farben zu klassifizieren:
Die Wahrheit ist, dass die Wirkung von Farben zu abhängig von persönlichen Erfahrungen ist, um bestimmte Emotionen universell einer Farbe zuordnen zu können. Und doch existieren gewisse Muster in der Wahrnehmung der Farbe.
In einer Studie mit dem Titel „Auswirkungen der Farbe auf das Marketing„, fanden die Forscher heraus, dass bis zu 90 Prozent der Kaufentscheidungen auf bestimmte Farben zurückzuführen sind – je nach Produkt, natürlich. In Bezug auf die Rolle, die eine bestimmte Farbe im Branding spielt, fand eine andere Studie heraus, dass die Beziehung zwischen einer Marke und ihrer Farbe sehr wohl wichtig ist. Die Verbraucher merken sehr schnell, ob die Farbe der Marke zu dem passt, was verkauft werden soll.
Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Kaufabsicht der Verbraucher stark von der für die Marke verwendeten Farbe abhängt. Farben beeinflussen, wie die Kunden die Persönlichkeit einer Marke wahrnehmen. Wer kauft schon eine Harley Davidson, ohne das Gefühl vermittelt bekommen zu haben, dass diese Dinger (und lange Bärte) ultracool sind?
Unser Gehirn möchte Marken sofort als solche erkennen können. Der Wiedererkennungswert ist also ein wichtiges Element, wenn es um die Schaffung einer Markenidentität geht. Das Coca-Cola-Logo in Blau wäre nicht halb so effektiv in der Marken-Wahrnehmung und damit auch im Verkauf des Produktes. Um uns gegen einen direkten Konkurrenten zu positionieren, bedarf es einer starken Markenidentität und der richtigen Farbe für das Branding.
Wenn es darum geht, die »richtige« Farbe zu finden – so fand die Forschung heraus – sei die mögliche Vorhersage der Verbraucherreaktion auf eine angemessene Farbe wichtiger, als die individuelle Farbe selbst. Das Harley-Davidson-Logo vermittelt Robustheit und Coolness, Coca-Cola hingegen Erfrischung, das Apple-Logo ein Verlangen. Daher gilt es, die Farben zu finden, die am Besten mit diesen Emotionen spielen können.
Die Psychologin und Stanford-Professorin Jennifer Aaker betrieb zu diesem Thema eigene Studien. Ihre Forschungsarbeit mit dem Titel „Die Dimensionen der Marken-Persönlichkeit“ weist darauf hin, dass fünf Kerndimensionen eine Rolle in der Marken-Persönlichkeit spielen.
Marken weisen manchmal einen Mix von zweien dieser Eigenschaften auf, doch zumeist werden sie von nur einer einzigen dominiert. Bestimmte Farben werden im Großen und Ganzen mit spezifischen Merkmalen in Verbindung gebracht, zum Beispiel Braun mit Robustheit, Lila mit Raffinesse, während Rot als aufregend empfunden wird. Fast jede Studie wird hingegen darauf hinweisen, dass es zur Markenbildung besser sei, eine Farbe zur Unterstützung der Persönlichkeit zu finden, anstatt sich auf stereotype Farbassoziationen zu verlassen.
Es gibt also keine klaren Richtlinien, welche Farbe bestimmte Marken verwenden sollten. Natürlich ist „es kommt darauf an“ eine frustrierende Antwort auf die gestellte Frage nach der optimalen Farbwahl, aber es ist die Wahrheit. Eine Farbe muss immer im Kontext dessen gesehen werden, in dem sich die zu bildende Marke bewegt. Es ist das Gefühl, die Stimmung und das Bild, dass die Farbwahl der Marke oder des Produkts beeinflusst.
Farbtrends für Männer und Frauen
Eine der interessantesten Untersuchungen zu diesem Thema ist das Werk Joe Hallocks zur »Farbzuordnung«. Hallocks Daten zeigen einige klare Vorlieben der unterschiedlichen Geschlechter in Bezug auf Farben. Blau scheint hier eine Vorherrschaft über beide Geschlechter auszuüben. Lila hingegen zeigt die unterschiedlichen Vorlieben von Mann und Frau.
Es ist wichtig, die Umgebung und die kulturelle Wahrnehmung mit einzubeziehen, wenn es um die Eignung einer bestimmten Farbe für ein Geschlecht geht. Denn oftmals diktieren das Milieu und die kulturelle Umgebung die Wahrnehmung von Farben. Das kann natürlich auch individuelle Entscheidungen beeinflussen. In unserer kulturellen Umgebung wird ein zartes Blau und ein Rosa gern mit Jungen und Mädchen assoziiert.
Hier Hallocks Feststellungen im Bild:
Die Lieblingsfarben von Männern und Frauen
Diese Farben mögen Männer und Frauen hingegen nicht
Forschungen zeigen klar auf, dass es oftmals auf Nuancen in der Farbwahrnehmung und den Präferenzen ankommt. Männer bevorzugen in der Regel kräftigere Farben, während Frauen die weicheren, zarteren Farben bevorzugen.
Das männliche Geschlecht mag in der Regel eher Schattierungen von Farben, die einen Schwarzanteil besitzen, Frauen hingegen mögen Schattierungen mit einem Weißanteil. Die unterschiedlichen Präferenzen der Farbvorlieben waren immer ein heiß diskutiertes Thema, obwohl Marken leicht außerhalb der Geschlechterstereotypen arbeiten können und auch sollten.
Erwartungen zu brechen, kann durchaus belohnt werden, wie einige berühmte Marken bereits zeigen. Rot mag der überwiegende Teil beider Geschlechter nicht, trotzdem bildet die rote Farbe das Fundament für einige, wirklich erfolgreiche Marken. Eine als angemessen empfundene Farbwahl kann also durchaus den Lieblingsfarben widersprechen und doch sehr erfolgreich sein.
Harmonische Farbabstimmungen
Das psychologische Prinzip der Isolation besagt, dass ein Element, das wie ein »wunder Daumen« wirkt, mit hoher Wahrscheinlichkeit in Erinnerung bleibt. Forschungen zeigen hier sehr deutlich auf, dass sich die Teilnehmer von Studien wesentlich besser an einen Artikel oder ein Produkt erinnern können, wenn er aus seiner Umgebung herausragt und sich abhebt.
Zwei andere Studien zu Farbkombinationen – eine beschäftigte sich mit der Messung ästhetischer Reaktionen und eine weitere mit Verbraucherpräferenzen – stellten fest, dass eine große Mehrheit Farbmuster mit ähnlichen Farben bevorzugten. Allerdings wurden auch Paletten mit einer kontrastreichen Akzentfarbe als sehr angenehm empfunden.
Im Bereich der Farbabstimmung bedeutet dies, eine visuelle Struktur zu schaffen, die aus einer Basis analoger Farben und dem Kontrast mit komplementären (oder tertiären) Farben besteht.
Ein anderer Weg, den man gehen könnte, ist es, einen Hintergrund, eine Basis- und eine Akzentfarbe zu verwenden, die eine klare Hierarchie der Website unterstützen, und so die Kunden und Besucher auf bestimmte Aktionen »trainiert«.
Warum das wichtig ist? Diese Prinzipien zu verstehen, heißt, bessere Konversionsraten zu erzielen. Beachten wir die Wirkung auf unsere Psyche, wenn allein nur die Farbe eines Buttons geändert wird. Welcher Button wohl öfter angeklickt werden wird?
Um es vorweg zu nehmen: der rote Button ist der eindeutige Sieger im Test, den Hubspot durchführte. Die Konversionsrate steigerte sich um 21 Prozent. Das liegt natürlich nicht an der roten Farbe, sondern an der Isolation der Button-Farbgebung.
Der Rest der Website wurde mit vielen grünen Elementen gestaltet. Das bedeutet letztendlich, dass der grüne Button in der Wahrnehmung einfach untergeht. Der rote Button hingegen sticht sofort ins Auge und hebt sich deutlich sichtbar von den anderen verwendeten Farben ab. Genau daraus resultiert die bessere Konversionsrate. Dies ist also ein gutes Beispiel für die Verwendung von Komplementärfarben.
Einen ähnlichen Effekt finden wir in einem Test multipler Varianten, den Paras Chopra im Smashing Magazine publizierte. Paras testete einige Varianten von Download-Links für sein PDFProducer Programm.
Folgende Varianten standen zum Test:
Kannst du erahnen, welche Kombination die besten Resultate erzielte? Hier kommt die Auflösung:
Die Variante 10 funktionierte bedeutend besser als alle anderen. Das kann definitiv nicht als Zufall angesehen werden, da Variante 10 den besten Kontrast aller Beispiele aufweist. Der Text »PDFProducer« ist klein und in Grau gestaltet, der rote Call-To-Action Text »Download For Free« jedoch schafft einen großen Kontrast, was für höhere Konversionsraten wichtig ist. Doch wie definieren wir am Besten einen Erfolg für solche Tests? Messen wir nur die Klicks oder die Anmeldungen?
Das kommt natürlich darauf an, was mit dem Call-To-Action erreicht werden soll. In diesem Fall wären die Anmeldungen sicherlich richtig. Denn der »kostenlose Download« wird mit der E-Mail-Adresse des interessierten Users bezahlt; es muss eine Anmeldung für den Newsletter erfolgen.
Warum wir Himmelblau dem Hellblau vorziehen
Obwohl verschiedene Farben auf verschiedene Weisen wahrgenommen werden können, so zählen die beschreibenden Namen dieser Farben ebenfalls. Eine Studie des Namens »Eine Rose mit anderem Namen« baten die Testpersonen, Produkte (wie zum Beispiel Make-up) mit bestimmten Farbnamen zu bewerten. Es stellte sich heraus, dass Phantasienamen von Farbgebungen bevorzugt wurden. So wurde »Mokka« als wesentlich sympathischer empfunden als der reale Name der Farbe Braun. Für diesen Test bekamen die Probanden zwei jeweils gleiche Produkte zu sehen, den einzigen Unterschied stellte der Name der Farbgebung dar.
Der gleiche Effekt findet auf eine Vielzahl von Produkten Anwendung. Aufwändig benannte Lackfarben wurden als angenehmer für das Auge empfunden, als ihre einfach benannten Pendants. Ungewöhnliche und einzigartige Farbnamen funktionieren für den Großteil von Produkten – von Gummibären bis hin zum Sweatshirt – wesentlich besser. Eine Kreide verkauft sich mit der Farbbezeichnung »Razzmataz« besser als mit dem realen Farbnamen Zitronengelb.
Finde deine eigenen Farben und Farbkombinationen
Auch am Ende dieses Beitrags bleiben noch viele Fragen unbeantwortet. Immer noch existiert kein Spickzettel für die perfekte Farbwahl. Vielleicht wird es niemals die einzige richtige Antwort geben können. Allerdings gibt es doch einige Anregungen, denen wir nachgehen könnten. Eine Anregung kann sicherlich immer als guter Tipp durchgehen: starte A/B Tests mit zwei Varianten, für die du dich entschieden hast. Nutze Kontraste und die Macht der komplementären oder tertiären Farben.
(Dieser Beitrag erschien erstmals im August 2016 und wird seitdem aktuell gehalten. Das letzte Update stammt vom 11. März 2019. Das Beitragsbild entstammt dem Portfolio des Providers Depositphotos.)
Hammer Beitrag. Als ich den Link anwählte, erwartete ich eigentlich wiedermal einen Artikel, der jeder Farbe bestimmte Emotionen zuordnen möchte – wurde aber eines besseren belehrt. Wie zu Beginn erwähnt, gehen die meisten Infographics/Studien schlicht zu wenig tief in die Thematik bzw. Menschliche Psychologie ein – wenn man diesen nun zuviel Glauben schenkt kann es gerne passieren, dass man ein Stück der eigenen gestalterischen Freiheit verliert – da Business-Logos z.B. „unbeding blau sein müssen“.
Meiner Meinung nach sollte man Als Grafiker/Webdesigner die Wirkung von Farben zwar im Hinterkopf behalten, in erster Linie aber nach Gefühl arbeiten. Schlussendlich sollte ja jeder, der einen gestalterischen Beruf ausübt ein gutes Gespür für harmonische Farbkombinationen haben, bzw. Farben emotional interpretieren können. 😉
Hammer Kommentar!
Danke Dir für die nützlichen Ergänzungen.
Wahnsinns Artikel, doch kann ich vielen Aussagen nicht zustimmen.
Zum einen finde ich „Coca Cola“ anfangs als ein schlechtes Beispiel. Da diese Marke ein ganz andere Präsens hat, und die Farbe heute kaum noch eine Rolle zur Indestifikation spielt. Hier, finde ich, ist der Schriftzug das entscheidende Merkmal. Aber Coca Cola ist auch hier eine eigene Markenstory 🙂
Auch sollten aus meiner Sicht Marken nicht außerhalb der Geschlechterstereotypen arbeiten. Klassisches Beispiel wären da Beauty-Pridukte. Egal ob Mann oder Frau.
Das sind nur kleinere Unstimmigkeiten für mich. Es ist und bleib wirklich einen Wissenschaft für sich. Und wie Daniel Geiser schon sagte, braucht man einfach ein guten Gefühl und Gespür für Farben und Formen, was eben genau einen Fachmann/-Frau ausmachen sollte.
Vielen Dank für diesen Artikel, besonders mit dem vielen weiterführendem Lesenstoff (Links).
Grüße
Ambitionierter Artikel. Allerdings kann ich bei Hallock nicht erkennen, dass Rot von beiden Geschlechtern nicht gemocht wird. Die Farbe die beide nicht mögen ist Orange. Außerdem ist das Ring-Diagramm fehlerhaft. 14% Grün bei beiden Geschlechtern wird unterschiedlich dargestellt.
Amazon hätte man sagen müssen, dass Orange die unbeliebteste Farbe bei beiden Geschlechtern ist. Beim Rot und dem Schriftzug von Coca-Cola würde ich eher an einen Brennstofflieferanten oder eine Grillstation denken als an Erfrischung.
Ich sehe es auch so, dass die Assoziationen mit Farben sehr individuell und auch von der Mode abhängig sind. Konstante sind lediglich Blau als Assoziation mit Himmel und Meer.
Auf jeden Fall sehr interessant, im Logo- und Marken Teil war aber (natürlich) alles immer irgendwie positiv besetzt. Aber es gibt ja auch keine „falschen“ oder „schlechten“ Farben. Aber das mit den Lieblingsfarben stimmt schon irgendwie. Irgendwie wenig verwunderlich, dass seit ewigen Zeiten schon die Babys in rosa / hellblau gekleidet werden…
Hi, in den Farbdiagrammen zu den beliebten Farben bei Männern und Frauen scheinen die Prozentangaben nicht zu stimmen. Bei beiden steht 14% für grün, aber die Anteile in den Diagrammen sind sehr unterschiedlich.