Dem Perfektionismus kann jeder anheim fallen, Designer, die am 30. Entwurf basteln, oder Manager, die noch den kleinsten Arbeitsablauf unter Kontrolle halten wollen. Aber der Preis für einen solchen Perfektionsdrang ist hoch und am Ende des Tunnels winkt oft das Burn-Out. Schulen Sie Ihren Blick und ziehen Sie dem Perfektionswahn die Zähne.
Der Grat ist schmal zwischen ehrgeizigem Sich-Verbessern-Wollen und perfektionistischem Nicht-Nachlassen-Können. Aber der Unterschied kann verheerend sein. Denn Perfektionisten wollen nicht nur hier oder dort ein bisschen mehr aus sich herausholen. Sie stehen ständig unter dem (gefühlten) Druck, das Optimum bringen zu müssen. Egal, ob beruflich oder privat.
Wenn einem aber nichts gut genug ist, dann ist das wie ein Kampf gegen Windmühlen. Ein Kampf, der nicht gewonnen werden kann, denn das Perfekte gibt es nicht. Irgendeine Steigerung ist immer möglich.
Wer nach ihm strebt, zahlt einen hohen Preis:
- Unter Dauerstrom zu stehen, nicht entspannen zu können und permanent gestresst zu sein,
- Stunde um Stunde in seine Aufgaben zu stecken, ohne diese je wirklich beenden zu können,
- Fehler um jeden Preis vermeiden zu wollen und damit immer handlungsunfähiger zu werden,
- sein Ideal nie erreichen zu können und sich deshalb mit Selbstvorwürfen zu quälen
- oder gleich ausgebrannt und verbraucht in den Burn-Out zu segeln.
Nun kann Perfektionismus viele Ursachen haben und nicht durch einen kleinen Artikel gelöst werden. Nutzen Sie die folgenden Tipps deshalb eher als Anregung. Achten Sie darauf, wann Sie selbst den Grat überschreiten und die Messlatte zu hoch legen. Und schulen Sie Ihren Blick dafür, wie Sie von dort wieder runterkommen können. Perfektionismus ist ein Zeitfresser par excellence und ein ganz heißer Anwärter darauf, uns Job und Leben zu vergällen. Ziehen Sie ihm die Zähne.
1. Nehmen Sie sich so, wie Sie sind
Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie immer besser werden wollen. Nur: „Besser werden zu wollen“ oder „perfekt sein zu wollen“ ist ein Unterschied. „Verbesserer“ nehmen sich so, wie sie sind. Sie verfolgen lediglich das langfristige Ziel, mehr aus ihren Möglichkeiten zu machen. Perfektionisten fällt es dagegen sehr schwer, ihrem Idealbild nicht zu entsprechen. Sie geben keine Ruhe, bis sie diesem so nah wie möglich gekommen sind. Selbst wenn sie dafür einen Arbeitstag ins Unendliche dehnen müssen oder dem Burnout entgegen gehen.
Seien Sie deshalb nicht so streng mit sich. Geben Sie Ihr Bestes und machen Sie Ihren Job gut. Aber bringen Sie sich nicht um damit. Nehmen Sie sich so, wie Sie sind. Mit allen Stärken und Schwächen. Freuen Sie sich über Ihre Erfolge. Klopfen Sie sich ausgiebig auf die Schulter. Und bessern Sie dann gelegentlich nach. So herum macht die Sache gleich doppelt so viel Spaß.
2. Vergleichen Sie sich nicht mit anderen
Ich weiß, wir Menschen neigen dazu: Wir vergleichen uns gern mit anderen. Und ein bisschen positiver Ansporn durch Menschen, die „besser“ sind als wir, kann nicht schaden. Vergleiche können uns aber auch in eine massive Krise und Selbstzweifel stürzen. Nach dem Motto: „Himmel, der Schmidt hat schon wieder die Auszeichnung für den Programmierer des Jahres erhalten, und ich nicht.“
Na und? Sei’s drum. Vielleicht sind Sie dafür besser in Marketing-Strategien oder Usability-Design. Jeder hat seine eigenen Stärken. Machen Sie diese nicht durch Vergleiche und den Wunsch, in allem perfekt zu sein, klein.
3. Schrauben Sie Ihre Ansprüche runter
„Besser geht immer“ – das ist eigentlich logisch. Dennoch bringen sich Perfektionisten auf der Jagd nach dem Optimum oft um Kopf und Kragen. Dabei sind weder 120% noch 150% nötig. Im Gegenteil, meistens reichen 80% oder 90% völlig aus, um unsere Aufgaben zu erfüllen. Es sind die Feinarbeiten der letzten Meter, die sich Stunde um Stunde ziehen, ohne das Ergebnis entscheidend zu verbessern.
Steigen Sie aus dieser Spirale ins Unendliche aus und schrauben Sie Ihre Ansprüche herunter. Verlangen Sie nicht zu viel von sich.
Extra-Tipp: Denken Sie „rückwärts“ und verlangen Sie jeden Tag sogar ein bisschen weniger von sich. Auf diese Weise werden – wenn Sie in der Leistung nicht nachlassen – Ihre zwangsläufigen Erfolge Sie so beflügeln, dass Sie mühelos noch einen draufsetzen können.
4. Sehen Sie Fehler als Chance
Viele von uns huldigen dem Perfektionismus, weil sie keine Fehler machen wollen. Und das ist in unserer leistungsorientierten Gesellschaft, in der viele Vorgesetzte und Firmen zu einer toleranten Fehlerkultur oft nur Lippenbekenntnisse ablegen, auch verständlich.
Aber der krampfhafte Versuch, Fehler zu vermeiden, wird diese nur erst recht provozieren. Mehr noch: Fehler sind auch eine Chance. Wer sich nicht traut, Fehler zu machen, wird zum Beispiel nie etwas Neues ausprobieren oder anwenden lernen.
Was machen all die Beta-Tester bei einer Software? Genau, sie suchen nach Fehlern und Schwächen, und helfen damit, ein Programm zu verbessern. Ohne Beta-Tester würde das Programm entweder gar nicht erst das Licht der Welt erblicken oder nicht sein volles Potenzial entfalten.
Also: Weg mit der Scheu vor Fehlern. Paradoxerweise gilt auch hier wie in Tipp 3: Wenn Sie weniger von sich verlangen, werden Sie am Ende davon nur profitieren.
5. Denken Sie nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien
Mit ein Grund, warum Perfektionisten sich oft in eine Aufgabe verbeißen, Sie denken in Schwarz-Weiß-Kategorien.
Da heißt es dann etwa: „Wenn ich das jetzt nicht so gut wie möglich mache, dann hätte ich es auch bleiben lassen können“ oder: „Was ich mache, das mache ich richtig“ oder: „Entweder wir kriegen den Auftrag, oder wir haben versagt“ und so weiter, und so fort.
Ein solches Denken setzt aber nur unnötig unter Druck. Und es unterschlägt all das, was man bei einer Aufgabe sonst noch für sich gewinnen kann. Wenn Sie beispielsweise den Auftrag zwar nicht bekommen, aber vielleicht gelernt haben, bessere Angebote zu schreiben. Und und.
Lassen Sie locker. Es geht nicht darum, zwischen Alles-oder-Nichts zu wählen und sich dann bei dem Versuch, „alles“ zu erreichen, zu ruinieren. Es geht darum, immer wieder neu zu entscheiden, was man in eine Sache hineinstecken möchte und was nicht.
6. Verlieben Sie sich nicht in Details
Nicht nur zu hohe Ansprüche und die Feinheiten der letzten Meter können einen Perfektionisten an der Klippe zerschellen lassen. Auch detailverliebtes – genau, es soll ja möglichst perfekt sein – Basteln kostet Zeit und Kraft. So ist schon manches Projekt [Link Projekte planen leicht gemacht] an zu vielen Punkten auf der Wunschliste gescheitert.
Stecken Sie lieber einen groben Rahmen ab, den es einzuhalten gilt, und bewerten Sie nach „muss unbedingt rein“ beziehungsweise „nice to have“. Streichen Sie dann die „nice to haves“ gnadenlos zusammen.
Ja, es wäre schön, wenn es hier noch eine Funktion auf Ihrer Webseite gäbe und da noch ein Element. Muss dieses Detail aber wirklich sein? Ist es „kriegsentscheidend“, das heißt absolut notwendig für Umsatz und/oder Erfolg der Seite? Wenn nicht, dann vergessen Sie die Sache entweder oder vertagen Sie sie zumindest, bis Sie genug Zeit haben, um aus Spaß an der Freud’ zu basteln.
7. Entlarven Sie Ihre Ängste
Perfektionismus und Angst gehen oft Hand in Hand. Angst vor Fehlern, Angst davor, nicht genug Leistung zu bringen, den Ansprüchen nicht zu genügen, auf dem freien Markt nicht bestehen oder den Job nicht behalten zu können. Meistens sind diese Ängste rational nicht haltbar, hartnäckig sind sie aber doch. Holen Sie sie dann ans Tageslicht und nehmen Sie ihnen ihre Macht. Legen Sie dazu zum Beispiel eine Tabelle mit zwei Spalten an.
In die linke Spalte kommen alle Gedanken, die Ihnen Sorgen machen oder die Sie ängstigen. Also etwa: „Wenn ich diesen Kunden nicht halten kann, bin ich meinen Job los.“ In die rechte Spalte schreiben Sie alles, was dagegen spricht. Beispielsweise: „Ich habe gerade einen neuen Kunden akquiriert. Selbst wenn dieser Kunde zur Konkurrenz wechseln sollte, bin ich gut in meinem Job, weil ich der Firma neue Kunden bringe“ oder Ähnliches mehr.
Sie sehen das Prinzip? Entlarven Sie Ihre Ängste und halten Sie ihnen schlagkräftige Argumente entgegen. Damit sind Sie auch eine der Ursachen los, die Sie in den Perfektionismus treiben können. Werden Sie zum Verbesserer, aber lassen Sie den Perfektionismus. Wir sind alle nur Menschen. Und das ist gut so. ™
Wie hilfreich war dieser Beitrag?
Klicke auf die Sterne um zu bewerten!
Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0