Es ist uns allen nicht neu. Hier bei Dr. Web haben wir schon so manchen Cartoon zum Thema veröffentlicht. International repräsentieren Hashtags wie #nospecwork den Kampf gegen die Ausbeutung kreativer Arbeit. Eine neue Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigt ein für mich neues Ausmaß dieser Seuche.
Die Betreiber des relativ neuen Design-Kollaborationstools Approve.io aus Manchester gaben eine Studie in Auftrag, mit der das Ausmaß des Specwork-Problems in Zahlen ausgedrückt werden sollte. Im November und Dezember 2016 wurden mehr als 1.000 Freelancer aus kreativen Berufen aus dem gesamten vereinigten Königreich befragt. Dabei sollten sie angeben, wie häufig sie um kostenloses Arbeiten gebeten werden und wie häufig sie diesem Ansinnen auch tatsächlich entsprechen.
In der Zusammenfassung ergibt sich, dass 7 von 10 Kreativen um kostenloses Tätigwerden gebeten wurden und einer von diesen zehn dann auch tatsächlich kostenlos gearbeitet hat.
Klingt die Zusammenfassung schon dramatisch genug, sieht es in einzelnen wichtigen Berufsgruppen noch dramatischer aus. So werden sogar rund 9 von 10 Fotografen um kostenloses Arbeiten gebeten.
Welche Berufsgruppen wurden besonders häufig um kostenloses Arbeiten gebeten?
Beruf | % derer, die gebeten wurden, kostenlos zu arbeiten | % derer, die tatsächlich kostenlos gearbeitet haben |
Fotografen | 87% | 16% |
Grafikdesigner | 85% | 9% |
Texter | 83% | 14% |
Illustratoren | 81% | 8% |
Journalisten | 78% | 6% |
Filmemacher | 75% | 7% |
Frontend-Entwickler | 74% | 5% |
Backend-Entwickler | 71% | 4% |
Durchschnitt | 70% | 9% |
Der angegebene Durchschnitt berücksichtigt alle erfassten Berufsgruppen, auch solche, die in der obigen Tabelle nicht vorkommen. Der aufmerksame Leser wird gemerkt haben, dass der Durchschnitt der Nennungen ansonsten nicht bei 70% liegen könnte. (Quelle: Approve.io)
Steigt man weiter in die Details der Studie ein, differenziert sich das Bild weiter. Anscheinend sind die potenziellen „Auftraggeber” von zwei Annahmen getrieben. Danach kann man ruhigen Gewissen kostenloses Arbeiten verlangen von Frauen und von Personen, die unter 25 Jahre alt sind. Während der Anteil der Frauen im Vergleich zu den Männern zwar deutlich erhöht ist, ist der Anteil der unter 25-jährigen sogar doppelt so hoch.
Eine Ursache für das rasante Fortschreiten kreativer Ausbeutung sehen die Studienersteller in den sozialen Medien. Hierzu haben sie eine aussagekräftige Infografik erstellt, die zeigt, wie unverfroren Umsatzmilliardäre anderer Leute Arbeit zu ihrem eigenen Nutzen kostenlos umzudeuten versuchen.
Die angebotenen Gegenleistungen waren die üblichen Klassiker. Eine Flasche Schampus, falls die Story genommen wird. „Exposure” gegenüber den Followern der großen Marke und auch das vage Versprechen, eventuell zukünftig für Bezahlaufträge in Erwägung gezogen zu werden, sollte man sich kostenlos bewähren.
Dr. Web rät, wie stets und ständig: Hüte dich vor unbezahlter oder stark rabattierter Arbeit. Preise, die einmal kaputt sind, bekommst du nie wieder repariert.
25 Antworten
Zitat aus einem Auftrag vor drei Wochen: “Ansonsten bitte ich Sie, die Seite so zu gestalten bzw. so vorzugehen, dass die Seite bestmöglich gefunden wird, soweit dabei keine weiteren Kosten entstehen.”
Hehe, dabei scheinen gerade die SEOs noch die Bestverdiener zu sein…
Gestern ein Kunde: “Google, https, wir müssen das unbedingt machen!”
Ich: “Kostet je nach Anforderung, Einrichtung, Zertifikat, statische IP-Adresse, etc. mehr oder weniger.”
Kunde: “Ach so, dann lieber nicht.”
Zum Thema passend: http://missingcloud.com/gif/GoodCheapFast_MissingCloud_.gif
Ja, wenn man nur bekloppt genug oder ausreichend verzweifelt ist so einen Shize mitzumachen…
Mich macht sowas immer relativ sauer, weil alleine die Forderung unfassbar unverschämt ist. Aber ich über mich in Nachsicht mit den geistig Armen.
Das hat nichts mit geistiger Armut oder Umnachtung zu tun. Das ist ein Mentalitätsproblem, gepaart mit mal mehr, mal weniger Arroganz. An diesem Umstand ist die Designbranche allerdings nicht ganz unschuldig.