Von „Superbillig“, über „Telefonieren für Lau“ bis „Gratis telefonieren“ – Werbung und Medien überschlagen sich zur Zeit mit Superlativen. Wir zeigen, ob sich der Umstieg auf VoIP lohnt.
Einstieg
Immer mehr Unternehmen wagen den Sprung von konventionellen TK-Anlagen hin zu VoIP-Lösungen. Das will uns zumindest der Hype suggerieren, welcher derzeit um VoIP gemacht wird. Gut, es gibt Unternehmen deren Telefonanlage eh ersetzt oder bei einer Neugründung gleich die Gelegenheit beim Schopf gepackt wurde, um jetzt VoIP-Technik zu verwenden. Das macht ja auch Sinn, da Computer und Telefon die gleiche Infrastruktur nutzen können.
Doch der vielfach beschworene Nulltarif ist ein Mysterium. Netzinterne Gespräche sind kostenlos, aber Telefonate ins Festnetz oder zum Handy haben ebenso einen Minutenpreis, wie oftmals Gespräche von einem zum anderen Netz der VoIP-Anbieter. Günstiger als alle anderen Dienste ist VoIP tagsüber unter der Woche, zugegeben, das wichtigste Zeitfenster für den Arbeitgeber. Doch Abends und am Wochenende können die Call-by-Call-Anbieter trumpfen. Die Telekom-Tarife bleiben generell auf der Strecke.
Die alte TK-Anlage einfach austauschen?
Technisches
Basis von VoIP ist das „Session Initiation Protocol“, kurz SIP. Es ermöglicht die bekannten Merkmale der Rufnummerübermittlung oder die Übertragung der gewohnten DTMF-Töne. Die Sprachinformationen werden internet-typisch in kleine Datenpakete aufgeteilt und komprimiert. Zumeist werden noch für das menschliche Ohr unrelevante Frequenzen ausgefiltert, wodurch die Datenmenge verringert werden kann.
Das Internet-Telefon meldet sich nun bei einem SIP-Server an. Jetzt kommt das Session Initiation Protocol (SIP) zum Einsatz, das eine Einladung (Invite) sendet, was dem Klingeln des Telefons entspricht. Das Gespräch ansich besteht aus einer Anforderung (Request) und einer Antwort (Response). Weitere Befehle sind „Cancel“, was dem nicht Annehmen des Gesprächs und „Bye“, was dem Auflegen entspricht. Die Verbindung zu herkömmlichen Telefonen erfolgt über ein Gateway, das die gewünschte Nummer anwählt und Anrufe in beide Richtungen weiterleitet.
Der einfachste Weg des SIP
Eine Ausnahme gibt es mit der Software Skype, die nicht das SIP, sondern ein eigenes, nicht offenes Protokoll verwendet. Skype nutzt seinen eigenen Codec zur Komprimierung, was eine überragende Sprachqualität ermöglicht. Das mag ein Grund für den großen Erfolg der Software sein, der wir einen eigenen Artikel widmen möchten.
Wer profitiert von VoIP?
Das Unternehmen mit dem Außendienstmitarbeiter, der mal in New York, London oder Paris seinen Geschäften nachgeht und immer unter seiner deutschen Rufnummer erreichbar sein muss. Das ist leicht möglich. Jeder Anschluss hat seine eigene IP-Adresse, weshalb bei einem Standortwechsel alle persönlichen Einstellungen mitgenommen werden können. Unternehmen mit über das Internet vernetzten Niederlassungen profitieren vom Preisvorteil, da so untereinander kostenlos telefoniert werden kann.
Für den kontinuierlichen Übergang von regulären Geräten zur neuen Technologie helfen Telefonanlagen, die Festnetz, VoIP und den Internet-Zugang kombinieren. Solch ausgestattete Anlagen oder auch Adapter, die an den Router angeschlossen werden, gestatten die Beibehaltung eines Großteils der Geräte. Cisco und Alcatel bleiben hier die Marktführer. Der Gelegenheitsnutzer wird aus Kostengründen erst einmal auf eine rein Software-basierte Lösung bauen.
Auch Unterwegs erreichbar sein
Das wird benötigt
Es reicht der Computer mit Soundkarte, ein wenig Software und ein Headset, um über das Internet zu telefonieren. Für eine gute Sprachqualität und niedrige Kosten ist eine Breitbandanbindung per DSL-Flatrate Pflicht. Doch auch das Netzwerk darf die Datenpakete nicht behindern, weshalb die Netzwerkauslastung zuvor optimiert werden sollte. Empfehlenswert sind hier Router mit einem QoS-Managment (Quality-of-Service).
Die Softphone-Lösung
Ein Softphone, eine Software für VoIP, und ein Headset reichen schon aus, um den Rechner zum Telefon aufzurüsten. Die meisten VoIP-Provider bieten ihre eigenen Softphone-Lösungen an, die aber nur bei diesem einen Anbieter funktionieren. Wechselt man den Anbieter, wäre auch ein Wechsel der Software nötig. Besser ist der Einsatz unabhängiger VoIP-Software, wie etwa die Freeware X-Lite oder das bekannte Skype. Einfach installieren, anmelden und sofort telefonieren. Ein großer Nachteil des Telefonierens über den PC bleibt aber, dass dieser die ganze Zeit eingeschaltet sein muss, um Telefonate führen oder empfangen zu können.
Das Softphone Skype
Analoge Telefone anschliessen
Das analoge Telefon kann direkt an den DSL-Router angeschlossen werden, wenn dieser über den passenden Adapter verfügt. Fritzbox Fon etwa verfügt über den benötigten Anschluss und bietet DSL-Modem, Router und Telefonadapter in einem Gerät. So kann mit dem Telefon weiter ins normale Festnetz, als auch über VoIP telefoniert werden.
Besser als Analoge – VoIP-Telefone
Die sogenannten SIP-Telefone bieten das gewohnte Feeling samt Rufnummeranzeige und Freisprecheinrichtung. Der größte Vorteil zu den Softphones ist, dass der Computer hier ausgeschaltet bleiben kann. Die Geräte werden direkt an den Router angeschlossen. Im übrigen ist häufig der Bedienkomfort dank einer „Web-Oberfläche“ größer als bei herkömmlichen Geräten. So wird das CRM-System (die Kundendatenbank) des Unternehmens eingebunden und ermöglicht Anrufe per Klick mit zahlreichen Kundeninformationen. Solche Dienste gab es schon vorher, doch entfällt bei VoIP die Schnittstelle zwischen Telefon- und Datennetz. Durch das Zusammenlegen von Mail-Server und IP-Telefone lassen sich die meistgenutzten Kommunikationswege E-Mail und Telefon vereinen.
Snom bietet gute IP-Telefone
Sicherheit und Spam
Aus Spam wird Spit. Spit steht für „Spam über Internet-Telefonie“. Die Sorge ist verständlich, verursachen doch unliebsame Spammer die Verstopfung unserer E-Mail-Fächer mit Informationen zu Viagra, dem Geldtransfer aus Ruanda und Vergrößerungen bestimmmter Körperteile. Wenn wir jetzt noch über das Telefon mit Werbeanrufen belästigt werden, kommt die Arbeit ganz zum Erliegen. Klassische Vermeidungstaktiken wie etwa auf die Weitergabe der Rufnummer zu verzichten helfen.
Ein Glück, dass dem „Spit“ auch die Technik einen Riegel vorschiebt. Eine Spam-Mail ist etwa 3 Kilobyte groß, was gerade eine Sekunde Sprache zulässt. Es müsste also vielmehr in Bandbreite investiert werden. Auch gibt es noch keine Verzeichnisse für VoIP-Anschlüsse, die es dem Spammer ermöglichen, seine Werbung an den Mann zu bringen. Eine letzte Hürde sind die Accounts, bei denen persönliche Daten, wie etwa die Bankverbindung, getestet werden. Die Einrichtung von Fake-Accounts ist also schwierig, dass Sperren dagegen leicht.
Die Sicherheitsprobleme, die bei jeglicher Nutzung öffentlicher TCP/IP-Netzwerke vorkommen, existieren auch hier. Sicherheitsstandards wie IPSec innerhalb einer VPN-Lösung sollten demnach für die Internet-Telefonie ein Thema sein.
Oma hat Recht
Wenig Negatives zu berichten
Breitbandzugänge sind günstig. Doch die Gebühren für den Telefonanschluss der Telekom müssen mitgetragen werden. Die Frage, ob es denn keinen DSL- ohne Telefon-Anschluss geben kann, beschäftigt nicht nur Privatkunden, sondern auch diverse DSL-Anbieter. Verständlich, doch nur die Regulierungsbehörde (RegTP) könnte das ändern. Bisher gibt es keinerlei Ansätze. Schade, wo doch der Wegfall der monatlichen Grundgebühren für den Telefonanschluss so ein guter Grund für die Internet-Telefonie wäre.
Ein anderes Problem. Vom Provider wird eine Telefonnumer zugewiesen. Darüber ist der Nutzer sowohl im Internet, als auch über das Festnetz erreichbar. Nun ist aber die Mitnahme der Telefonnummer aus dem Festnetz in das VoIP-Netz selten möglich. Eine neue oder eine weitere Rufnummer muss verteilt werden, statt die gewohnte bei VoIP per Internetanschluss weltweit nutzen zu können.
Für so manches Unternehmen durchaus ein Faktor: VoIP ist störungsanfälliger als das herkömmliche Telefonnetz. Mit der Zahl der Komponenten steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Unterbrechungen. Dabei ist nicht nur die Hardware problematisch. Wird ein Softphone genutzt, verschlechtert sich die Zuverlässigkeit immens, dank dem altbekannten Betriebssystem. IP-Telefone benötigen auch noch, anders als herkömmliche Geräte, eine eigene Stromversorgung. Die klassische TK-Anlage bietet mit einer Notstromversorgung auch angeschlossenen Telefonen den nötigen Strom. Bei der IP-Telefonie ist für jedes Gerät ein eigener Strom-Anschluss unabdingbar.
Fazit
Wird viel telefoniert, lohnt sich der Umstieg. Ansonsten fressen die Investitionen in die neue Hardware den Preisvorteil auf. Die reinen Gesprächskosten lassen sich reduzieren, wenn alle Teilnehmer das gleiche VoIP-Netz benutzen. Nicht nur Geld, sondern auch Zeit erspart die vereinfachte Administrierung. Zwei Netzwerke werden zu einem Datennetz, das Internet und Telefon verbindet. Da spart man bei der Installation und Pflege. VoIP ist also bei einer Neuinstallation grundsätzlich empfehlenswert. ™
Erstveröffentlichung 05.08.2005
Wie hilfreich war dieser Beitrag?
Klicke auf die Sterne um zu bewerten!
Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0