Webworker haben es heutzutage wirklich nicht leicht. Um jeden Auftrag muss hart gekämpft werden. Besonders ärgerlich ist es dann, wenn Sie von zehn abgegebenen Angeboten nur eines zugesprochen bekommen. Das aber dürfte besonders in der Anfangszeit der Selbstständigkeit bittere Realität sein. Man mag zwar in seinem Bereich des Webdesigns richtig gut sein, hat allerdings in aller Regel vom Verkauf keine Ahnung. Doch eine Selbstständigkeit oder ein Freiberuflertum basiert zuerst einmal auf dem Verkauf. Man möchte gerne soviel Aufträge haben, dass man voll ausgelastet ist. Doch wie kann man das erreichen, wo sind die Fallstricke? Dieser Artikel zeigt Ihnen auf, wie Sie in Zukunft typische Fehler vermeiden können und besser im Verkauf Ihrer Arbeitskraft werden.
Der Status Quo – ein typischer Ablauf eines Verkaufsgespräches
Ein typischer Prozess könnte zum Beispiel so aussehen:
- Ein Interessent meldet sich bei Ihnen und Sie starten ein Verkaufsgespräch
- Sie fragen, was der Kunde braucht, holen sich Informationen über sein Geschäft ein und fragen den Interessenten, was er für Funktionen und Features zu brauchen glaubt.
- Sie geben einen Überblick über die Dinge, die Sie leisten können und die Plattformen, die Sie dafür einsetzen, wie z.B. WordPress, Drupal, Shopware, Magento, Contao usw.
- Dann geben Sie Ihrem Interessenten noch einen tiefen Einblick in die verschiedenen Funktionen, die Sie glauben, dass er für sein Projekt braucht und bringen Ihm näher, wie es gelöst werden könnte. Alles sehr schön technisch…
- Sie schicken dem potenziellen Kunden ein Angebot und warten ab, was passiert.
Ab hier folgen meist noch weitere Gespräche mit Ihrem potenziellen Kunden über das von Ihnen angebotene Content Management-System für das betreffende Projekt. Sie führen nun wirklich ermüdende und sehr lange Gespräche, in denen Sie tief in die Technologie des CMS Ihrer Wahl tauchen müssen.
Kann es das…? Was ist mit jenem…?
Höchstwahrscheinlich hat Ihr Interessent auch andere Angebote bekommen, in denen eine andere Platform angeboten wurde. Daraus entsteht dann eine wirklich interessante Technologie-Debatte:
Kann WordPress dieses, kann WordPress das? Ist Drupal vielleicht doch die bessere Wahl als WordPress? Ist dieses besser als jenes? Usw..usw… Längst geht es nicht mehr darum, was für die Firma des Interessenten das Beste wäre, sondern der Kunde will nun die Plattform wählen – auch, wenn die von Ihnen vorgeschlagene besser zu seinen Bedürfnissen passen würde. Er kann es ja nicht wirklich beurteilen…
Ganz ehrlich: Diese Debatten braucht wirklich niemand. Das Gute ist, dass man diese Art der Gespräche sehr leicht umgehen kann, sich dabei gleichzeitig von seinen Mitbewerbern dadurch unterscheiden und mehr Angebote zu Aufträgen machen kann.
Was ein Kunde wirklich will
Wenn sich ein potenzieller Kunde bei Ihnen meldet, hat er ein Problem, dass er gelöst wissen möchte. Meist hat er nur wenig Vorstellungen davon, was er wirklich braucht und haben möchte. Klar, er möchte eine Webseite sein eigen nennen, hat aber meistens nur rudimentäre Vorstellungen von dem, was am Ende der Auftragsbearbeitung herauskommen soll – nämlich eine möglichst perfekt auf den Kunden und seine Bedürfnisse zugeschnittene Webseite. Kein Kunde will im Grunde Technologie-Debatten führen oder sich mit den verschiedenen Software-Plattformen beschäftigen müssen. Er will ausschliesslich die für Ihn und seine Bedürfnisse perfekte Webseite.
Es gilt das Motto: Die Menschen wollen keine Bohrmaschinen, sie wollen Löcher in der Wand.
Wie Sie es ab sofort besser machen können
Bevor ich mich dazu entschloss, mein Hobby zum Beruf zu machen und fortan Webdesign zu betreiben, war ich Versicherungsvertreter. Ich beschäftigte mich sehr viel mit Verkaufs-Psychologie, weil mir aufgefallen war, dass einige wenige Vertreter viel besser verkauften, als andere. Nach und nach fand ich heraus, was diese Menschen anders machten als andere aka ich. Nachdem ich mein Verkaufsgespräch entsprechend abgeändert hatte, wurde ich viel erfolgreicher und verkaufte bedeutend mehr Versicherungsverträge. Etwas sehr wichtiges habe ich auch herausgefunden: Zuviel Wissen hindert am Verkauf. Je mehr technisches Wissen Sie Ihrem potenziellen Kunden vermitteln, desto geringer ist die Chance eines Auftrags. Im Grunde muss Ihr Interessent lediglich wissen, dass die von Ihnen gewählte Lösung all das kann, was sie können muss.
Heben Sie sich von der Konkurrenz ab, machen Sie eine vollständige Bedarfsanalyse
Eine korrekte und vollständige Bedarfsanalyse ist der erste und wichtigste Punkt im Gespräch mit einem potenziellen Kunden. Sie müssen soviel wie nur möglich über die Firma des Kunden (oder über den Kunden selbst, wenn er keine Firma hat) erfahren. Ihr Gesprächsanteil sollte jedoch ein Drittel der Gesprächszeit nicht übersteigen, man muss erreichen, dass der Interessent die restlichen zwei Drittel spricht, damit man alles wirklich wichtige von Ihm erfährt. Außerdem hören sich Menschen lieber selbst reden, als dass sie anderen zuhören. Wie Sie gleich erfahren werden, ist das gar nicht so schwer, da es nur auf die richtige Fragetechnik ankommt.
Stellen Sie nur offene Fragen
Offene Fragen sind Fragen, auf die man nicht nur mit ja oder nein antworten kann, sondern gezwungen ist, etwas detaillierter auf die Frage einzugehen. Offene Fragen sind sogenannte W-Fragen, da sie immer mit einem W-Wort anfangen. Wie, warum, was, welche usw.
Ein paar Beispiele:
- Was möchten Sie mit der Webseite erreichen?
- Was soll die Website optisch vermitteln?
- Welche Vorgaben muss ich bei der Umsetzung beachten (Corporate Design usw.)
Ein Beispiel einer guten Bedarfsanalyse
Die erste Frage ist natürlich immer die, ob bereits eine Webseite vorhanden ist.
- Was ist das Hauptziel oder der Grund für die (Neu)-Gestaltung Ihrer Webseite?
- Womit genau beschäftigt sich Ihre Firma?
- Was unterscheidet Sie von Ihrer Konkurrenz, was macht Sie einzigartig (besonderer Service, spezielles Produkt usw.)?
- Welche Zielgruppe möchten Sie ansprechen?
- Welche Ihrer Leistungen sollen besonders hervorgehoben werden?
- Welchen Schwerpunkt soll der Internetauftritt abdecken? (Beispiel: Promotion und Verkaufsförderung, Unternehmensdarstellung)?
- Welche Vorgaben sind bei der Erstellung der Webseite zu beachten (Corporate Design usw.)?
- Wollen Sie Ihre Webseite selbst bearbeiten und aktualisieren können?
- Wieviele Mitarbeiter wären für die Aktualisierung der Webseite zuständig?
- Welche Webseite Ihrer Konkurrenz gefällt Ihnen besonders gut – wenn ja, welche speziellen Elemente dieser Webseite gefallen Ihnen?
- Was genau sollte Ihre Internetpräsenz können und beinhalten (Blog, spezielle Suche, Shop usw.)?
- Wie genau sollte Ihre zukünftige Webseite aussehen (freundlich, elegant, modern, ruhig, minimalistisch usw.)?
- Wie hoch ist das von Ihnen festgelegte Budget für das Webprojekt?
Als abschliessende Frage bietet sich natürlich noch die Frage nach einem eventuell bereits vorhandenen Hoster und einer bereits vorhandenen Domain an. Nun haben Sie alle wichtigen Informationen gesammelt, um dem Kunden seine perfekte Webseite anzubieten und Ihr Interessent wird das gute Gefühl haben, dass Sie der richtige Partner für sein Projekt sind. Technologie- und Plattform-Debatten werden so erst gar nicht aufkommen, Kunde und Webdesigner haben so bedeutend mehr Zeit für das Wesentliche – ihrem eigentlichen Job nachzugehen.
Fazit
Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass sich potenzielle Kunden nach einer eingehenden Bedarfsanalyse sehr wohl und verstanden fühlen und demnach gerne den Auftrag an einen solch gewissenhaft vorgehenden Webdesigner vergeben. Sie werden mit Sicherheit nicht jeden Auftrag bekommen, aber es werden beständig mehr werden. Und die Plattform WordPress, wenn Sie diese präferieren, wird dann vom Kunden anstandslos akzeptiert, weil die Frage nach der Plattform keinerlei Bedeutung mehr besitzt.
(dpe)
5 Antworten zu „Technologie-Debatte adé: Sprechen Sie nicht von WordPress, wenn Sie ein Webprojekt anbieten“
— was ist Deine Meinung?
Vielen Dank für diesen sehr nützlichen Beitrag. Einige Punkte habe ich auch wirklich so in meinen Verkaufsgesprächen drin, jedoch fehlte mir etwas die Struktur darin.
Bei meinen letzten Kundengesprächen hab ich allerdings gemerkt, dass ich zu sehr ins technische Detail drifte und dem Kunden damit hoffnungslos überfordere, vor allem bei denen ohne Vorkenntnisse.
Ich fang dann an von meinem Lieblings-CMS zu erzählen, dass diese und jene Funktionen möglich sind und das man auch ja an die Updates denkt. Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte dabei niemandem unnötig einen Supportvertrag andrehen. Der Kunde sollte jedoch wissen, dass jedes CMS aus Sicherheitsgründen aktuell gehalten werde sollte. Die Schwierigkeit liegt nun darin, diese Information so verständlich wie möglich zu übermitteln, ohne dem Kunden zu überfordern oder einen faden Beigeschmack zu hinterlassen.
Wie auch immer, toller Artikel.
Recht hast Du. Alte Versicherer-Regel: nur soviel erzählen wie er wissen muss, nicht soviel erzählen, wie er wissen könnte.
Die Frage nach dem Budget sollte – ggf. indirekt – nicht erst zum Schluss, sondern möglichst früh geklärt werden. Danach kann man das Gespräch oft abkürzen. 😉
Nicht zwangsläufig – gerade bei solchen Gesprächen erkennen viele dann eine höhere Notwendigkeit zum handeln an und überdenken das veranschlagte Budget noch einmal 😉
Was mir immer wieder auffällt, und funktioniert, ist die direkte Frage: WAS wollen Sie eigentlich mit Ihrer Webseite erreichen? Und wenn der Kunde überlegt und der geneigte Webdesigner noch Ahnung von Marketing hat, kann er gerne noch Conversions und SEO ins Spiel mit bringen.
Ich stimme Dir zu, das ist richtig. Es ging mir um Interessenten, die sich nicht mehr leisten können – aber natürlich ALLES wollen.