Jedes Unternehmen hat Potential zum nachhaltigem Free-Marketing. Oftmals sind die Inhalte dafür längst vorhanden, wenn nicht, hilft eine Mitarbeiter- oder Kundenbefragung.
Der Leitartikel in der März-Ausgabe von Wired fokussiert auf das Beispiel „Gilette“ als Leitidee des Free-Marketing. Gib den Nutzern den Rasierer umsonst, damit sie Rasierklingen kaufen. Derartige Geschäftsmodelle sind auch in bei den Herstellern von Druckern, Kaffee-Pad-Maschinen oder – brandaktuell – bei den Panini-Fußballbildern zu sehen.
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Problematisch zumindest an den ersten drei Modellen könnte sein, dass die realen Vertriebs- und Herstellungskosten des kostenlos oder sehr günstig verteilten Kernprodukts so hoch sind, dass die Kalkulation ins Wanken gerät. Überzieht der Hersteller die Forderungen für das notwendige Zubehör, ruft er damit preiswerte Nachahmer auf den Markt: Billig-Rasierklinen, Refill-Tinte, Discounter-Kaffee-Pads.
Web-Free-Marketing ist mehr. Die Idee dahinter basiert auf der Tatsache, dass die Vertriebskosten für Online-Dienste gegen null tendieren. Den Herstellungskosten des „Free“-Produkts stehen alternative Einnahmequellen gegenüber, etwa eine Werbefinanzierung.
Es lassen sich fünf Spielarten erkennen:
- Fremium, die Vorstufe zu Premium
- Werbung
- Cross-Selling
- Tauschgeschäfte
- Nachhaltiges Markenbild
Fremium
Die Fremium-.Variante einer Dienstleistung oder eines Produktes ist eine abgespeckte Version, die aber für den Alltag vieler potentieller Kunden völlig ausreichend arbeitet. Ein Beispiel liefert XING, ein anderes die Hersteller von Viren-Scan-Software, die kostenlose Privatversionen anbieten.
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Fremium leistet zweierlei: Es verhilft zum risikolosen Einblick in die Qualität eines Produkts und kann damit Vertrauen schaffen. Laut Ansicht der meisten Marketing-Experten ist Verrauen in einen Dienst oder eine Marke das vermutlich wertvollste Gut im Zeitalter digitaler Globalisierung.
Zweitens kann Fremium Gewöhnungseffekte auslösen, die bei veränderten Rahmenbedingungen plötzlich dazu führen, dass das Premium-Produkt angeschafft wird. So profitiert Adobe davon, dass ein Produkt wie Photoshop millionenfach raubkopiert auf den privaten Rechnern von Jugendlichen läuft. Eröffnet sich denen ein professioneller Anwendungszweck, ist die Wechselbarriere bereits enorm hoch geworden.
Fremium ist also sein eigener Werbeträger. Das Produkt muss auch in der Lite-Variante perfekte Qualität abliefern, darf aber gelegentlich in unaufdringlicher Form auch auf den kostenpflichtigen großen Bruder hinweisen.
Werbung
Das Prinzip ist denkbar simpel: Während die Budgets für klassische Werbung bei Mercedes stagnieren, wachsen die Investitionen in eigene Entertainment-Produkte. Die Marke wird zum Sender und zwar zum Sender von redaktionell aufbereiteten Informationen. Reines Firmen-Werbefernsehen ist ein Übergangsstadium. Um Reichweiten zu erzielen, müssen die Unterhaltungs- und Informationsangebote der Marken mindestens gleich gut oder besser sein als die der Medien.
Hier wird also Inhalt verschenkt, der anderswo eventuell kostenpflichtig wäre. Damit soll erreicht werden, dass Nutzer die Marke positiv aufladen und sich mit den begleitenden werblichen Einheiten beschäftigen. Nicht wenige Marketer erwarten, dass demnächst auch gesponsorte Software auf dem Markt erscheint. „Excel wird Ihnen heute präsentiert von Krombacher“ sozusagen.
Wichtig ist bei diesem Ansatz zu bemerken, dass nicht unbedingt ein Produkt des Unternehmens verschenkt werden muss, um nachhaltige Wirkung zu erzielen. Ist das Kernprodukt allerdings stark genug, kann es auch das Gesamtkonzept tragen. Die im Netz verfügbaren Routenplaner erfüllen diesen Zweck.
Cross-Selling
Im Falle von komplementären Produkten ist das der Ansatz von Gilette und Co. Doch das Gleiche funktioniert auch bei Produkten ohne direkten Zusammenhang. Yellow-Strom verschenkt eine Software zur Berechnung des eigenen Stromverbrauchs. Natürlich soll dieses Geschenk letztlich Kunden anlocken, aber es ist auch ohne Yellow-Vertrag nutzbar.
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Gerade im Web lassen sich zwei Produkte nebeneinander präsentieren, die der anvisierte Endkunde vielleicht nie in Zusammenhang bringen würde. Ein derartiges Konzept zum Geschäftsprinzip erhoben haben die LiveShopping-Plattformen wie Guut.de. Das jeweils Tagesaktuelle Superangebot sorgt für Gesprächsstoff und der dehnt sich auf viele andere Produkte aus, die bereits in früheren oder künftigen Verkäufen bei Guut.de feilgeboten werden. Die sind zwar nicht hier verfügbar aber natürlich auf den Website der Hersteller und Händler und dort zum Normalpreis.
Tauschgeschäfte
Anlehnend an das oben genannte Zitat von „Wired“ muss es nicht Geld sein, was der Kunde dem Unternehmen geben kann. Informationen sind ein wertvolles Gut, wie das Fallbeispiel Google in vielen Facetten zeigt, nicht zuletzt mit der Telefonauskunft. Die Auskunftsinteressen und ein paar Eckdaten genügen der Informationskrake, um das bestehende Geschäftsmodell „Auskunft gegen Geld“ durch das Free-Modell zu ersetzen.
Eine andere Form des Tauschhandels ergibt sich in der Phase der Produktentwicklung. Das Einbeziehen der potentiellen Kunden und Meinungsbilder bereits in der Entwicklungsphase kann wertvolle Erkenntnisse erbringen und das geplante Produkt besser machen. Allerdings ist breit angelegtes Crowd-Sourcing mit Vorsicht zu genießen. Der Handling-Aufwand. der entsteht, wenn sehr viele Nutzer Beiträge liefern, ist enorm teuer. Selbst Branchenprimus Spreadshirt würde ein Projekt wie den Open Logo Contest in dieser Form heute nicht mehr machen.
Natürlich sind auch Formen des Schneeballvertriebs denkbar, bei dem Kaufvermittler dadurch verprovisioniert werden, dass sie ihr eigenes Produkt günstiger bis kostenlos erhalten. Doch dürfen diese Modelle nicht zu aggressivem Werbeverhalten seitens der Vermittler führen. Erfolg versprechender könnte der Aufbau oder die Belieferung von Shopping-Clubs sein, die nach dem Vente-Privéé-Prinzip exklusive Zusatzkonditionen oder besonders günstige Preise an die Mitglieder ausschütten. Auch hier liegt der Tausch vor allem im Brand-Evangelism, also der Weitervermittlung.
Langfristiger Markenaufbau
Das fünfte Konzept für kostenlose Inhalte basiert auf dem Prinzip eines Geben und Nehmens zwischen Community und Hersteller/Marke. Marketing-Dienstleister Aperto aus Berlin erstellte eine deutsche Synchronisation des spannenden US-Videos Epic 2015, das sich mit einer Internet-Verschwörungstheorie namens Googlezon auseinandersetzt. Dafür wurde sogar die populäre Synchronsprecherin Franziska Pigulla (Skully aus AkteX) verpflichtet. Den fertigen Film postete man auf der WebSite und schnell fand er Eingang auf YouTube. Ohne jegliche werbliche Botschaft, außer der Aktion an sich.
Die Community nimmt derart positive Aktionen genauso wahr, wie die negativen Versuche, Blogkommentare werblich zu nutzen oder andere Formen von Guerilla-Marketing zu betreiben.
In den USA entwickelt sich derzeit vor allem eine Methode rasant, die eine Produktumgebung oder eine Marke mit Mehrwert anreichert, das Workshop-Marketing. Unternehmen bieten Kunden alle möglichen Workshops, Lehrvideos, Bastelanleitungen oder Schminktipps an, um diesen auch jenseits der eigenen Produkte Chancen zur Weiterentwicklung einzuräumen.
User Education heißt das Stichwort. Darunter verstehen die US-Marketer zwei Varianten. Zum einen diejenige Ausbildung, die direkt mit dem Produkt in Verbindung steht. „Warum wird der Käufer eines Produktes zum besseren Menschen?“. Hier wären zum Beispiel erweiterte Bedienungsanleitungen zu sehen, etwa wie man mit einer bestimmten Digitalkamera bei Gegenlicht fotografiert. Die Kommunikation wendet sich dabei vom Statusdenken ab „Ich bin cooler, weil ich besitze“, hin zum Leistungsgedanken „Ich bin cooler, weil ich kann“.
Die deutlich subtilere Form der Nutzer-Ausbildung liegt in neutralen Tipps, die auch mit Produkten der Konkurrenz durchzuführen wären. So zu finden bei den Heimwerkeranleitungen von OBI oder den Schminktipps von DouglasTV. Spannend daran ist vor allem die Tatsache, dass sich auch eine Immobilien-Website mit einem Workshop zur Verschönerung der Innendekoration schmücken könnte.
Somit wird klar: Auch Ihr Unternehmen wird Potential für Free-Marketing haben, Sie müssen nur danach suchen. Dabei können Ihnen übrigens auch Ihre Mitarbeiter und Kunden direkt behilflich sein. ™
Erstveröffentlichung 04.07.2008
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