von Gabi Neumayer
Sprachballast macht Texte steif, unhandlich, schwer verständlich, wirkt umständlich und gestelzt. Befreien Sie Ihre Texte davon. Und kommen Sie beim Leser besser an.
Zum Aufwärmen: Können Sie die folgenden Sätze vom Sprachballast befreien?
a) Das am 4. Januar stattgefundene Seminar war ein voller Erfolg.
b) Eine schwache Brise wehte herüber.
c) Die von Ihnen getroffene Entscheidung kann ich nicht gutheißen.
d) Der Hurrikan richtete schwere Verwüstungen an.
e) Die angestellte Nachforschung brachte kein Ergebnis.
Was ist Sprachballast?
Sprachballast belastet Schreibende und Lesende, macht Texte steif, unhandlich, schwer verständlich, wirkt umständlich und gestelzt. Die Hauptverdächtigen bei diesem Thema sind Adjektive (zum Beispiel: “schwache” Brise) und Partizipien (zum Beispiel: “getroffene” Entscheidung).
Der “weiße Schimmel”
Ein Schimmel ist immer weiß, ebenso wie ein Rappe immer schwarz ist. Solche “Doppelmoppelungen” (Fachbegriff: Tautologien) kennen und vermeiden die meisten automatisch. Aber es gibt viele andere Tautologien, die sich in unseren allgemeinen Sprachgebrauch eingeschlichen haben und die ebenso überflüssig sind.
Schauen Sie sich einmal die Beispiele b und d oben an: Die Adjektive in diesen Sätzen wiederholen nur Informationen, die in den Nomen (Hauptwörtern) schon drinstecken. Oder haben Sie jemals von einer “starken Brise” oder “leichten Zerstörungen” gehört?
Unser Tipp für Tautologien: Streichen Sie in solchen Wendungen einfach das Adjektiv!
Papierdeutsch
Weniger freundlich nennt man eine Sprache, die von Umständlichkeiten und gestelzten Formulierungen strotzt, auch Beamten- oder Kanzleideutsch. Ein Hauptmerkmal dieser unleserlichen Sprache sind Partizipien (zum Beispiel “stattgefunden”, “getroffen”), die als Adjektive eingesetzt werden.
Typische Beispiele dafür finden Sie in unseren Beispielen a, c und e. In der Regel hilft hier auch der Tipp von vorhin: Streichen! Dann kommen Sie zu besseren Formulierungen wie:
e’) Die Nachforschung brachte kein Ergebnis.
Manchmal müssen Sie darüber hinaus noch etwas ändern, um eine notwendige Information nicht unter den Tisch fallen zu lassen:
c’) Ihre Entscheidung kann ich nicht gutheißen.
Hier haben wir “Ihre” statt “Die” gewählt, um auch in der neuen Formulierung deutlich zu machen, um wessen Entscheidung es geht.
Ausweg: Nebensatz
Noch etwas weiter geht es bei Beispiel a. Dort müssen wir erst einmal das Papierwort “stattgefundene” entfernen. Es ist nämlich nicht nur umständlich, sondern in dieser Konstruktion auch noch grammatisch falsch – korrekt müsste es (noch grässlicher!) heißen: “Das … stattgefunden habende Seminar” …
Eine Möglichkeit, solche Konstruktionen aufzulösen, besteht darin, einen Nebensatz zu formulieren:
a’) Das Seminar, das am 4. Januar stattgefunden hat, war ein voller Erfolg.
Der letzte Kniff: Umstellen
Wenn Sie darüber hinaus noch eine kleine Umstellung im Satz vornehmen, können Sie sogar ohne den Nebensatz auskommen, also noch knapper und damit verständlicher formulieren:
a’) Das Seminar am / vom 4. Januar war ein voller Erfolg.
Zum Schluss …
Vom französischen Zeitungsverleger und späteren Ministerpräsidenten Clemenceau erzählt man sich übrigens, dass er in seinen Redaktionen ein Schild mit folgender Aufschrift aufgehängt hatte: “Bevor Sie ein Adjektiv hinschreiben, kommen Sie zu mir in den dritten Stock und fragen, ob es nötig ist.” In diesem Sinne!
Erstveröffentlichung am 13.05.2004
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