Die Smashing Magazine Story
Die Story von Dr. Web ist eng mit der des Smashing Magazines verknüpft. Große Erfolge, gefolgt von Misserfolgen. Euphorie, Resignation, Exit. Das pralle Leben eines Start-Ups, und das alles ohne das Geld von Investoren. Der Smashing Magazine-Gründer Sven Lennartz hat „Die Smashing Magazine Story“ aufgeschrieben. Die Geschichte spielt von 2006 – ca. 2015 und bietet einen ehrlichen Einblick hinter die Kulissen. _Michael Dobler
Eines der weltweit bekanntesten Online-Magazine für Webdesigner und -Entwickler kommt aus Deutschland. Vom WordPress Blog zur Aktiengesellschaft. Ich erzähle, wie es dazu kam. Wie wir es gemacht haben. Und was daraus wurde.
Das Smashing Magazine war meine zweite Magazingründung. Und mein bisher erfolgreichstes Projekt. Allzu lange ist das alles noch nicht her. Das englischsprachige Magazin entstand auf Basis von WordPress im Herbst 2006. Es war die Zeit, als das Web 2.0 groß rauskam. Basis waren die Inhalte und Ideen meines Dr. Web Magazins. Anders als bei Letzterem bin ich auch heute noch Anteilseigner.
Ein englischsprachiges Dr. Web Magazin hatte ich mir schon öfter vorgestellt, aber wie realisieren? Lange Fachbeiträge zu übersetzen wäre teurer gekommen als Originale. Irgendwie passte es nie, zumal auch meine Englischkenntnisse limitiert waren. Eine Doppelbelastung als Herausgeber zweier Magazine war auch keine Traumvorstellung. Doch 2006 schienen die Dinge plötzlich zu passen. Wir würden einfach nur Listenbeiträge verwenden, das dann aber konsequent. Aber es fehlte an Unterstützung, ich brauchte einen Übersetzer, nach Möglichkeit jemanden, der von Listenbeiträgen und unseren Fachthemen etwas verstand.
Vitaly Friedman
Wann Vitaly Friedman als Autor zum Dr. Web kam, weiß ich nicht mehr genau. Es könnte im Frühjahr 2006 gewesen sein. Dafür gesorgt hatte Christiane Rosenberger, die immer mal wieder nach geeigneten Leuten Ausschau hielt. Nachdem einige anfängliche Schwierigkeiten überwunden waren, zeigte sich schnell, dass wir in eine ähnliche Richtung dachten. Privat trafen wir uns erst zwei Jahre später zum ersten Mal in Hannover. Wenn wir zusammensitzen, ist das nicht nur spannend, es entsteht auch schnell so etwas wie Inspiration. Das verblüfft mich immer wieder. Man kann sich gegenseitig begeistern oder für etwas entzünden.
Vitaly war, als wir uns virtuell kennenlernten 21 Jahre alt. Seine Familie war aus Weißrussland übergesiedelt und lebte in Saarbrücken. Keine einfache Sache für einen Jungen von 12 Jahren, der kein Wort Deutsch sprach. Aber er setzte sich durch. Im Jahr 2006 studierte er Informatik mit dem Nebenfach Mathematik. Er ist ein großer Kerl, der ins Fitnessstudio geht und auf seine Ernährung achtet. Wer ihn zu Gast hat, serviert am besten Fleisch. Sein Haar ist raspelkurz, in Clubs wird er auch schon mal für den lokalen Drogendealer gehalten. Dabei trinkt er kaum und verabscheut Bier. Er spricht nicht mit einem russischen Akzent. Anders als der gute Superschurke Gru aus dem Film „Ich – Einfach Unverbesserlich“, dem er nicht unähnlich sieht. Über Minions gebietet er allerdings nicht.
Vitaly konnte selbst Listenbeiträge verfassen. Nachdem ich auf seiner Homepage las, dass er besser auf Englisch schreibt als auf Deutsch, fragte ich ihn ob, er Interesse habe ein englischsprachiges Weblog mit Listenbeiträge zu machen. Inhalte hätten wir schon, die müssten nur übersetzt beziehungsweise mit Anreißern versehen werden.
Im Grunde ging es darum auszuprobieren, ob man diese Beiträge auch international würde erfolgreich publizieren können. Der Markt war ja ein Mehrfaches größer, eigentlich war er riesig im Vergleich zum DACH-Gebiet. Den daraus entstehenden Traffic wollte ich mit Hilfe von Googles Adsense im Geld verwandeln. 16.000 Euro pro Monat prophezeite ich Vitaly, der mir kein Wort glaubte.
Leser beeindrucken – Unsere Anfänge
Die offizielle Geschichte des Smashing Magazine begann am 08.09.2006 als WordPress Blog unter Verwendung eines frei verfügbaren Themes (es hieß Simpla), das Vitaly und ich an unseren Geschmack anpassten. Wir bastelten gern an unserer neuen Website herum. Der Name „Smashing“ stammte von Vitaly. Ich dachte, er könne einen englischen Namen in seiner Aussage und Wirkung besser einschätzen als ich, so fiel der Auftrag an ihn. Die Geschichte der Anfangsjahre haben wir übrigens in einem Kapitel des ersten Smashing Books festgehalten. „Behind the Curtains“ ist ein Kapitel, das wir in Koproduktion verfassten.
Hier kann man Vitaly live sehen. Das Video ist ein bisschen angejahrt. Es ging auch damals schon um die Entstehung des Magazines
Anfänglich wurden die schon vorhandenen Beiträge aus dem Dr. Web Magazin übersetzt. Wir brachten zwei Beiträge pro Woche heraus. Das klappte eine Weile gut, dann gingen uns die Artikel aus. Ein weiteres Problem war, das nun andere Leute unsere Praxis spitzkriegten. Die studierten jetzt auch Dr. Web, und sobald ein geeigneter Beitrag herauskam, schnappten die sich ihn und machten eine erweiterte, englischsprachige Version daraus. Wir konnten das danach nicht auch so machen, ohne als Plagiatoren hingestellt zu werden. Also mussten wir unsere Praxis ändern.
Oft haben wir es so gemacht, dass Christiane Rosenberger Recherchen durchführte, ich schrieb dann einen Beitrag oder stellte ihn zusammen. Anschließend ging Vitaly ans Werk, erweitere alles und schrieb das meiste um. Damit hatte ich nie ein Problem, die Hauptsache war, am Ende kam etwas Großartiges heraus. Ich bin auch im nach hinein sicher, dass auf diese Weise bessere Beiträge entstanden, als wenn jeder für sich etwas gemacht hätte. Wir hatten Ehrgeiz und wollten die Leser beeindrucken. Eine Menge Zeit floss in die Beiträge. Man fand immer noch etwas, was man besser machen konnte und wollte.
Das alles klappte, ohne das wir uns persönlich getroffen hatten. Die Folge waren Tausende von Emails und zahlreiche Skype-Gespräche, die zwischen Saarbrücken und Lübeck hin und her gingen.
Eindruck machen wollten wir vor allem durch die schiere Menge der zusammengestellten Information, erschöpfend sollte die ausfallen. Später setzen wir auf Qualität UND lange Beiträge. Das war nötig, weil immer mehr Copycats durch unseren Erfolg angezogen wurden. Ein Blog nach dem anderen erschien auf der Bildfläche und wollte sein Stück vom Kuchen – mit ähnlichem oder identischem Konzept. Schwer sich dagegen zu wehren.
Unsere Antwort bestand darin, dass wir uns langsam von einem Listblog in ein erstzunehmendes Fachmagazin transformierten. Dies geschah durch Vitalys Einsatz und seine intensive Arbeit mit den Autoren. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich versucht das Magazin in eine populärere Richtung zu entwickeln, etwa so, wie es Mashable getan hat.
Schon mal Serverprobleme gehabt?
Unsere Beiträge wurden nicht nur immer länger, sie wurden auch immer reichhaltiger mit ausgestattet. Zu Beginn reichten drei Bilder pro Beitrag, später musste jeder Listenpunkt bebildert werden. So wurde dann ein Artikel auch schon mal mit 100 Screenshots angereichert. Dies und der schnell steigende Traffic ließen ein bis dato noch unbekanntes Problem auftauchen.
Dem 1&1-Server ging immer wieder die Puste aus. Die Ladezeiten wurden lang und länger, bis dann gar nichts mehr ging. Unser Server-Admin Rene Sch. war ein Freiberufler, der seit Jahren für Dr. Web tätig war. Der unternahm sein Möglichstes, wir wechselten mehrfach den Hoster (das ist die Firma, die den Webserver bereitstellt) – wurden auch schon mal wo rausgeworfen, wohl, weil sich die Kalkulation für den Anbieter nicht mehr lohnte (zu viel Traffic unsererseits).
Letztlich reichte ein Server nicht mehr aus und es brauchte einen Cluster, einen Verbund von Rechnern. So etwas geht schnell ins Geld und verschlingt auch viel Arbeitszeit in Sachen Server-Administration. Daran sollte denken, wer auf den großen Traffic abzielt. Lange zahlten wir für ein Managed Hosting 5000 bis 6000 Euro pro Monat – je nach Verkehrsaufkommen. Das geht günstiger, aber man muss mehr selbst machen. Mediatemple erledigt es inzwischen im Rahmen eines Deals für lau. Inzwischen nicht mehr.
Firmen auf deren Servern das Smashing Magazine einmal lief – von 2006-2015:
- 1&1 (Managed Server)
- Manitu (Rootserver)
- Netbuild (Cluster)
- Amazon (Cloudserver)
- Continum (Managed Cluster)
- Mediatemple
Besonders kritisch waren die sogenannten Digg-Effekte. Wir befanden uns in der Zeit des Web 2.0, das wir selbst propagierten und von dem wir auch profitieren wollten.
Als das Web 2.0 entstand
Gemeint ist das „Social Web“. Facebook spielte zwischen 2007 und 2009 noch keine Rolle in unserer Nische. Und Twitter war erst im März 2006 gegründet worden. Wir konnten durch Bookmarking-Dienste den meisten Traffic generieren. Die für uns Wichtigsten waren Delicious, Stumbleupon und vor allem Digg.
Digg verfügte über eine immense Zahl von aktiven Nutzern. Es funktionierte ganz einfach, jeder konnte einen beliebigen Inhalt in Form von Überschrift, Link und Anreißer publizieren. Andere Nutzer konnten dann eine positive oder eine negative Wertung darüber abgeben. Was zu viel negative Votes erhielt, wurde als Spam eingestuft und ausgegraut. Was schnell eine genügende Anzahl von positiven Wertungen bekam, konnte auf der Startseite erscheinen und dort dann richtig abräumen. Natürlich wurde dieses System ständig ausgenutzt und manipuliert. Und zwar immer mehr, je bekannter es wurde.
Auf der Startseite zu erscheinen, bedeutete keine Welle, es kam ein Tsunami. Der Traffic vervielfachte sich dann auf einen Schlag und der Server ging unter dem Ansturm in die Knie und machte ganz dicht, er schaffte es nicht mehr genug auszuliefern, um alle Neugierigen zu versorgen. Trotz dieser Probleme legten wir es regelrecht darauf an, auf der Startseite von Digg oder Slashdot zu erscheinen. Ums Geld ging es dabei nicht, wir wollten Rekorde und die Kennzahlen in für uns neue, schwindelnde Höhen treiben. Zu besten Zeiten konnte das Smashing Magazine mit den bekanntesten Blogs der Welt mithalten und wurde in einem Satz mit Schwergewichten wie Mashable genannt. Mashable And Smashing Magazine Didn’t Do It In One Day
Digg Startseite mit Smashing Magazine Beitrag
Wie man ein gutes Magazin macht – fünf Erfahrungen:
1. Halte die Qualität hoch
2. Respektiere deine Autoren und bezahle sie anständig
3. Denk zuerst an deine Leser, erst dann an dich
4. Trenne Werbung und Redaktionelles
5. Sei ehrlich
Die Arbeit an unserem Baby wurde bald aufreibender als uns lieb war. Wir wollten vorankommen und liefern, hatte aber eben auch andere Verpflichtungen. Ich hatte eine Firma zu führen und Vitaly ein Buch zu schreiben. Zu dem hatte er sich vom Galileo Verlag einfangen lassen. Das „Praxisbuch Web 2.0“ sollte ein ziemlicher Wälzer werden mit 700 Seiten. So etwas brauchte natürlich Zeit. Ein Fachbuch dieser Art erfordert neben der Schreibarbeit auch reichlich Recherchen und jede Menge Beispiele, die codiert und geprüft werden müssen. Daneben studierte Vitaly ja noch. Aber noch kamen wir zurecht.
2008 wurde immer klarer, das Smashing Magazine brauchte Autoren, wenn wir nicht mehr alles selbst schreiben wollten. Nur so würde man täglich das Publikum bedienen können. Nur so würden wir auf die nächste Stufe gelangen. Gastautoren hatte es schon gegeben, aber etwas Dauerhaftes war bisher nicht daraus geworden. Die Sache stellte sich als mühselig und zäh heraus. Wir probierten es deshalb im Sommer mit einem Wettbewerb.
Interessenten sollten Kurzbeiträge schreiben (450 bis 1200 Zeichen), es gab Kategorien und Regeln, alles, was dazugehörte. Für den Gewinner wurde ein Macbook Air ausgelobt. Die Sache funktionierte dann insoweit, als das wir genug Aufmerksamkeit auf unser Problem lenken konnten, ab da kamen die Autoren. Es war wirklich ein Knoten zu durchschlagen gewesen. Der Contest selbst brachte keine dauerhaften Verbindungen, aber das spielte keine Rolle.
Die Freiburg-Connection: Michael Dobler
Gleich, nachdem in Berlin Angela Merkel zum ersten Mal zur Kanzlerin gewählt worden war, erschien Michael Doblers erster Beitrag im Dr. Web Magazin. Letzteres geschah am 25. November 2005. So lässt sich das heute noch besichtigen. Michael war zu dieser Zeit noch lohnabhängig beschäftigt, nämlich bei einem Hersteller von Hightech Sensoren in Waldkirch in der Freiburger Nachbarschaft.
Michael suchte nach einer neuen Herausforderung und probierte sich unter anderem bei mir als Autor aus. Im Sommer 2006 machte er ernst, kündigte den gut bezahlten Job und riskierte die Selbstständigkeit mit seiner Firma Commindo. Für mich machte sich das in einem erhöhten Artikelausstoß bemerkbar.
Anfang September trafen wir uns zum ersten Mal persönlich. Das Treffen fand in einem Hotel in Düsseldorf statt, zu dem ich zu spät kam, weil ich damals noch kein Smartphone besaß. Das iPhone würde erst ein Jahr später herauskommen. Michael erinnert mich mit seiner enormen Haarpracht ein bisschen an den Centauri Londo Mollari aus der SciFI Serie Babylon 5. Mit badischem Akzent spricht er nur, wenn er bemerkt, dass er es mit Einheimischen zu tun hat. Michael ist einer der zahlreichen leidenschaftlichen Hobbyköche. Und hat sich an diesem wie auch an anderen Themen als Blogger und Magazinherausgeber versucht.
Michael ist verheiratet, und als Coproduzent von Kindern stets um Sicherheit für seine Familie besorgt. Er versucht stets, mit so wenig Kosten und Aufwand wie möglich das Maximale herauszuholen. Damit ist vor allem Geld gemeint. Nicht die schlechteste Charaktereigenschaft, für das, was er vorhatte. Denn Michael hatte eine Idee, er wollte den Dr. Web Newsletter, für den er auch schrieb, vermarkten. Anzeigengelder wollte er an Land ziehen. Dazu hatte er allerlei schönes Zahlenmaterial vorbereitet.
Ich war nicht restlos überzeugt, meiner Ansicht nach hatte der Newsletter seine beste Zeit hinter sich. Die Auflage war zwar noch ordentlich, leider ließ die Wirkung des DWN (Dr. Web Newsletter) zunehmend nach. Man konnte das gut messen und beobachten. Die 14-tägige Publikation wurde Anfang 2006 (Nr. 256) an genau 61.552 E-Mail-Adressen verschickt. Ich weiß das so genau, weil diese Angabe in jeder Ausgabe enthalten war.
Einige Leser zogen inzwischen RSS vor und wollten auch den Newsletter nicht mehr per E-Mail, sondern lieber im News-Reader lesen. Langfristig, das weiß man heute, hat sich RSS dann doch nicht durchgesetzt und verschwindet langsam wieder. Gute Newsletter gibt es immer noch. 2010 hoben wir zusammen den Smashing Newsletter aus der Taufe. Der hatte ein ähnliches Konzept, kam aber auf englisch raus.
Die ursprüngliche Idee bestand darin, den Newsletter als Maßnahme zum Teambuilding einzusetzen. Jeder sollte mitschreiben dürfen. Denn am 15.02.2010 hatten wir die ersten Mitarbeiterinnen in unserem neuen Freiburger Büro begrüßen dürfen. So schrieben wir die ersten Ausgaben zu fünft, das Prinzip wurde noch lange aufrechterhalten. Die Episode zeigt schon, dass ich den Newsletter 2010 nicht allzu wichtig nahm. An einen großen Publikumserfolg glaubte ich jedenfalls nicht.
Doch der Smashing Newsletter fand sein Publikum. Über 150 Ausgaben sind bisher erscheinen (alle 14 Tage eine) und die Auflage, die ihren Höhepunkt wohl überschritten hat, liegt bei rund 180.000 – nicht schlecht für eine frühere Teambuilding Maßnahme …
Fette Werbekohle
Ich überredete Michael, auch die Website zu vermarkten. Zumindest wollten wir es auf einen Versuch ankommen lassen. Dieses Abkommen fand fast auf den Tag genau zu dem Zeitpunkt statt, an dem wir das Smashing Magazine live schalteten. Letzteres erwähnte ich in Düsseldorf Michael gegenüber nicht einmal.
Michael konnte schnell einen ersten Erfolg erzielen. So etwas motiviert ja bekanntlich. Einer Versicherung schwatzte er ein Kontingent Banner auf, die suchten noch etwas, um ihr Budget vor dem Jahresende aufzubrauchen. Meine Erinnerung daran ist lebhaft, ich schweife ab, ein Teil meines Anteils ging für einen neuen Dell-Rechner drauf.
Im Folgejahr zeigte sich dann, worin Michaels wahre Bestimmung liegen sollte, er monetarisierte für uns das neu gegründete Smashing Magazine. Es hatte ganz harmlos angefangen. Immer öfter erhielten wir Anfragen nach Verlinkungen, für die die Leute bezahlen wollten. Redaktionell ging da bei uns gar nichts und Lust etwas zu verkaufen hatten weder Vitaly noch ich. Also fragten wir Michael, ob er auch auf Englisch arbeiten könne, wir hätten da ein paar Anfragen. Er konnte. Und so startete Michael als Verkäufer von Hyperlinks für das Smashing Magazine. Damals war das ein gutes Geschäft.
Hyperlinks wurden gebraucht, um auf den extrem wichtigen Google Ergebnisseiten möglichst weit vorn zu landen. Viele Faktoren spielten dabei eine Rolle, aber Links waren der entscheidende Faktor. So wurden Links nach und nach zu einer Art Währung. Seitenbetreiber taten nun zwar nicht unbedingt alles für eine Verlinkung, aber doch Vieles. Wo es Nachfrage gibt, da entsteht eben auch ein Angebot.
Hyperlinks wurden nun gehandelt. Hier mischte Michael eine Weile mit. Anfragen gab es aus allen Bereichen, den Seriösen, den Unseriösen und den Halbseidenen. Für einen Link in der Fußzeile oder im Seitenbereich unseres Magazins konnten wir bis zu 1400 Dollar herausschlagen, der blieb dann sechs Monate stehen.
Eine Weile florierte das Geschäft, die Nachfrage war groß und beschwerte uns Geld in die Kasse. Michael dürfte sehr angetan gewesen sein von seinem neuen Beruf. Dann allerdings begann Google, die Sache übel aufzustoßen. Google sah sein Geschäft bedroht und ging massiv gegen den Handel mit Links vor. Uns warfen sie komplett aus dem Index.
Für ein online Magazin ist der Rauswurf aus Google eine veritable Katastrophe. Wir waren als Website noch jung, deshalb war der Anteil des Suchmaschinen Traffics am gesamten Verkehrsaufkommen nicht so hoch, aber Schmerzen bereitete uns das schon. Es musste sofort etwas unternommen werden.
Wir begannen hektisch, die Website aufzuräumen. Michael hatte die undankbare Aufgabe seine Kunden anzurufen und die Deals rückgängig zu machen. Nicht jeder wird darüber glücklich gewesen sein. Wir hatten einige Dollar zurückzuzahlen, aber eine Alternative dazu gab es nicht. Google hat Leute wie uns schlichtweg in der Hand. Das war damals so, und das ist auch heute noch so. Heute greift Google sogar noch ein bisschen fester zu. Damals konnte Google den Leuten die Luft abdrehen, heute kann Google sie ficken.
Einige Monate später kehrten wir in den Index der Suchmaschine zurück und Michael begann mit dem Aufbau des Anzeigengeschäfts auf Basis von Bannern und Grafiken. Wir sollten in der Folge noch einige Projekte zusammen durchstehen.
Wie wir aus einer Website ein Unternehmen machten
Mit der Zeit wurde aus einem Projekt eine Firma. Das war auch notwendig, um Rechtssicherheit herzustellen, vor allem für Vitaly, der ja nichts in der Hand hatte, da alles über meine Firma lief. Das war anfangs bequem gewesen, doch nun kam der Löwenanteil aller Einnahmen vom Smashing Magazine. Wir mussten dem Rechnung tragen und unser Projekt in eine feste Form gießen.
Ursprünglich sollte auch Michael Gesellschafter werden, doch wir konnten uns am Ende nicht einig werden. Wer weiß, wozu das später gut war. Auch der Name Smashing Media war ein Kompromiss. Persönlich hatte ich den Namen „Smashing Industries“ bevorzugt, der wäre ironischer und eine Spur weniger gewöhnlich gewesen. Mit „Media“ konnte wir trotzdem alle gut leben.
Gegründet wurde im März 2009 in Lübeck bei einem Notar in der Kanalstraße. Die Firmenadresse verlegten wir mangels eigener Residenz in den Esoterikladen unserer 400-Euro-Kraft Frau Schwientek. Das sicherte uns nebenbei ein gutes Karma. Noch war völlig unklar, wo wir einmal landen würden. Am Ende des Tages gönnten wir uns eine Flasche Schampus im Hotelrestaurant mit Blick auf das spiegelnde Wasser des Museumshafens.
Bis hierhin hatten wir alles aus eigenen Mitteln finanziert und aufgebaut. Und so sollte es auch bleiben. Von den Banken hielten wir uns fern. Anfragen möglicher Investoren waren, so sie denn überhaupt vorkamen, zu vage, sodass es nie zu irgendwelchen Gesprächen kam. Niemand wollte uns groß rausbringen oder die Firma so aufblähen, dass sie enorme Mengen an Kapital gebraucht hätte.
Da wir stets schwarze Zahlen schrieben, konnten wir selbst investieren. Wir leisteten uns einige Fehlschläge, sammelten Erfahrungen, probierten Neues aus. Auf diese Weise konnten wir unser kleines Unternehmen über die Jahre erweitern und vorantreiben. Ein wenig größer hätte es nach meinem Geschmack durchaus werden können. Aber das geschah nie.
Die GmbH wurde 2013 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren Vorstand ich für einen Monat sein durfte. Das genügte mir dann aber auch… Die Smashing Magazine GmbH und die Smashing Events GmbH bilden unter dem Dach der AG eine Holding. Das hört sich nach etwas Großem an, aber das ist es nicht.
Unser größter Erfolg: Das Smashing Book 1
Sogenanntes Selfpublishing spielte auch bei Smashing Media eine große Rolle. Nach den erfolgreichen Gelben Büchern bei Dr. Web lag es nahe, dies auch mit dem Smashing Magazine zu probieren. Allerdings gab es ein immenses Problem, das dafür sorgte, dass die Sache erst einmal nicht auf den Tisch kam. Es war der weltweite Versand. Der ist teuer und die Zustellung dauert. Allerdings kam Michael Dobler aus einer anderen Richtung mit einer ähnlichen Idee, wir sollten ein Buch in einem großen Verlag machen.
Wiley & Sons ist ein amerikanisches Traditionsunternehmen, das im 18. Jahrhundert gegründet worden war und einen Milliardenumsatz machte. Die wollten uns herausbringen. Die Absprachen waren schon sehr weit gediehen, es sollte noch ein letztes Gespräch auf dem Frankfurter Flughafen geben. Chris, der Verlagsmann von Wiley wollte aus der Niederlassung in England einschweben, ich hatte mein Flugticket ebenfalls bereits gekauft. Zwei Tage vor dem Termin besprachen wir die ganze Sache noch einmal zu dritt in einem Chat via Skype.
Ich mochte nicht nach Frankfurt fliegen, hatte ein ungutes Gefühl dabei. Ich machte Vitaly und Michael den Mund wässrig, indem ich ihnen vom Dr. Web Buch 2 erzählte und wie viel wir verdienen würden, wenn uns Vergleichbares bei Smashing Magazine gelänge. Die Voraussetzungen dafür waren ja quasi ideal. Das wusste auch Wiley, die waren nicht zufällig hinter uns her.
Ein weiterer Grund war die künstlerische Freiheit. Wer selbst publiziert, kann das individueller und gewagter machen, als die Verlage mit ihren glattgebügelten Programmen. Außerdem würden wir so den Preis selbst festlegen können, Wiley Bücher waren uns nämlich zu teuer. So beschlossen wir, unser eigenes Ding zu machen. Der Verlag bekam eine Absage. Später handelte Michael einen anderen Deal aus. Wir bekamen unsere eigene Serie dort, liehen dem Verlag aber nur noch unser Branding, die Bücher ließen sie woanders schreiben.
Den Startschuss für unser erstes Smashing Book gaben wir in Nürnberg ab. Dorthin reisten Vitaly und ich, um in Ruhe das initiale Posting vorzubereiten und um die vielen Details rund ums Buch festzuzurren. Michael erschien für einen Tag ebenfalls in unserer schicken Maisonette Ferienwohnung. Unter dem Einfluss von Alkohol entwickelten wir so manche Idee. Eine davon war die »5.000 Comments Challenge«, die wir sogleich in die Tat umsetzten.
Die Ideen war ein »Giveaway« zu veranstalten, dessen ausgelobte Preise (Grafikkarte, Kopfhörer, Maus) erst Gewinner fanden, wenn mindestens 5000 Leser einen Kommentar hinterließen. Das ist eine wirklich hohe Anzahl an Kommentaren zu einem einzigen Beitrag. Am Ende erhielten wir über 9000 Lesermeinungen, die Aufgabe bestand darin, den eigenen Aufenthaltsort anzugeben und das Wetter draußen zu schildern. Klingt ein bisschen doof, aber es sollte ja einfach und für jeden machbar sein. Wer weiß, ob diese Seite nicht eines fernen Tages eine Fundgrube für Wetterarchäologen sein wird. Die damalige Technik konnte damit nicht gut umgehen, das System ging zu Bruch und musste erst einmal umgerüstet werden. Aber wir hatten unseren Spaß.
Mit dem ersten ›Smashing Book‹ hatten wir in der Folge mächtig zu kämpfen. Meine bisherigen Erfahrungen als Verleger reichten für so ein Projekt augenscheinlich nicht aus, und meine Partner hatten selbst keine. Zuerst lehnten wir uns an das Konzept des zweiten gelben Buches von Dr. Web an und bezogen die Community, wo es ging, mit ein.
Zu diesem Zweck hatten wir ein neues Diskussionsforum aufgesetzt. Die Leser sollten dort über die Inhalte diskutieren und abstimmen, die Covergestaltung mitbestimmen. So hatten wir immer wieder Nachrichten, die wir im Magazin verbreiten konnten. Die Leute sollten vor dem Vorverkauf richtig heißgemacht werden.
Was das anging, so hatte ich in leichtem Größenwahn das Marketing für Windows 95 vor Augen. Über dieses Produkt schrieb die einschlägige Presse jahrelang vorab. Als Windows 95 dann endlich rauskam, drehten die Kunden durch. Ich erinnerte mich an eine Szene, von der ich gelesen hatte. Danach wurden Käufer beim Verlassen eines Ladens interviewt. Einer der Käufer mit Softwareschachtel in der Hand sagte sinngemäß: „Ich habe gar keinen Computer, aber ich musste es einfach haben“. So geht Marketing.
Die Sache mit dem Forum klappte ganz gut. Weniger angenehm war die Arbeit mit den Autoren. Vitaly hatte zu kämpfen. Wir waren zwar so schlau gewesen Verträge aufzusetzen, doch nicht jeder hielt sich dran. An einen Plan B hatten wir nicht gedacht. Und dann war da noch die Sache mit der Qualität. Vitaly hatte inzwischen hohe Ansprüche aufgebaut, aber nicht jeder Autor konnte diese erfüllen. So fehlte es an Kapiteln, während andere von Vitaly eigenhändig umgeschrieben werden mussten.
Da wir im großen Stil planten, sollten die Bücher in China gedruckt und versandfertig gemacht werden. Aus Kostengründen. Dies stand von Anfang an fest. Michael bekam das hin, indem er sich an einen Druckauftragvermittler in Berlin wandte. Dort arbeitete übrigens seinerzeit Markus, der heute Geschäftsführer der Smashing Media GmbH ist. Wenn wir eine Sache aus diesem Buch gelernt haben, dann dies: Drucke niemals in China. Es dauert zu lange. Die sind nicht flexibel genug. Vier Wochen waren für den Druck eingeplant.
Da der Vorverkauf aber sehr gut lief, mussten wir die Auflage erhöhen. Dafür wollten die Chinesen mehr Zeit. Gut, das wäre in Europa auch nicht anders gelaufen. Außerdem musste immer zuerst das Papier beschafft werden. Bei 20.000 Büchern sind das ziemliche Mengen, nämlich Tonnen, die hat auch eine große Druckerei nicht herumliegen, schließlich handelt es sich um spezielles Papier. Es gibt da nicht einfach ein oder zwei Sorten, aus denen man wählt, die Sache ist wesentlich schwieriger und hängt mit dem gewünschten Ergebnis, dem zur Verfügung stehenden Geldbeutel, den zu druckenden Inhalten und mit weiteren Faktoren zusammen.
Nun mussten die Bücher aus China irgendwie nach Deutschland kommen. Das geht nicht mit dem Flieger, ist zu teuer. Das wird per Schiff gemacht. Und das braucht Zeit. Unser Dampfer lag dann noch mehrere Wochen vor Singapur auf Reede und wartete auf Zuladungen. Während für uns in Freiburg die Sache immer brenzliger wurde. Die Kunden drängten auf ihre längst bezahlte Ware. Und wir standen im Begriff uns lächerlich zu machen, weil wir die Leute mit immer neuen Ausreden hinhielten. Probleme hatten wir zuvor auch mit der Software des neuen online Shops gehabt, obwohl es nur ein Produkt gab. Auch die Kreditkartenabrechnung machte Ärger.
Als wir nach langer Wartezeit endlich die fertigen Bücher in der Hand hielten, wuchs die Enttäuschung ins Grenzenlose. Die Bücher waren zwar gut gedruckt, aber die Seiten lösten sich schnell heraus. Die Klebebindung war unzureichend. Hier wartete neuer Ärger auf uns. Wir konnten ja nichts mehr dran ändern, die Bücher waren schon verpackt und mussten jetzt ausgeliefert werden. Es versteht sich von selbst, dass es zu allerlei Reklamationen kam.
Wir orderten sofort eine neue Auflage, diesmal in Europa. Diesmal mit robuster und hochwertiger Fadenbindung. Ein Prinzip, das wir in der Folge beibehielten. Was die Produktion anging, wollten wir nie wieder ein Risiko eingehen. Rund 3000 Bücher der unzureichenden Erstauflage wurden am Ende vernichtet.
Allem Ärger zum Trotz war das Buch ein finanzieller Gewinn. Auch trotz hoher Versandkosten, kostenloser Ersatzlieferungen und des Anteils von Michael Dobler, der ein Drittel des Gewinns einstrich. Er hätte auch ein Drittel eines Verlustes getragen. Dieser Fall jedoch war eher theoretischer Natur, das wussten wir spätestens seit dem ersten Tag des Vorverkaufs. Wir setzten ohne Buchhandel und Zwischenhändler in mehreren Auflagen rund 35.000 Bücher ab. eBooks wollten wir damals nicht anbieten, obwohl es bereits eine Nachfrage gab. Aber uns kam es ja auf das erlebbare Produkt an, das war uns wichtig.
Die Gewinne daraus ermöglichte es uns, ein größeres Geschäft zu tätigen. Eine Übernahme. Die Eigentümerin direkt bot uns die Konkurrenzpublikation noupe.com an. Wir verhandelten in einem Chat miteinander und einigten uns auf einen Kaufpreis von 140.000 US Dollar. Unser so weit größter Deal.
Da unsere Bank sich noch immer in Ahrensburg befand durfte ich einen Abstecher in meine ungeliebte, alte Heimat machen, um den Betrag nach Ägypten transferieren zu können. Nach der Übernahme räumten wir kräftig auf, entfernten bezahlte Inhalte und zweifelhafte Aktionen und bestückte die Website regelmäßig neu. Noupe lief ebenfalls auf WordPress und bekam einen Redaktionsplan verpasst.
Der Kauf von Noupe erwies sich keineswegs als Segen. Das Publikum war ein anderes, Anzeigen verkauften sich darum nur schleppend. Wir beauftragten ein Redesign und verpassten der Website ein dschungelartiges Aussehen. Ein neuer Chefredakteur kam. Doch voran ging es nicht. Schließlich verfrachtete ich Noupe im Zuge einer Umorganisation, die auch Dr. Web betraf, in eine eigene GmbH. Noupe gehört heute zum Doblerschen Commindo-Imperium.
Das Smashing Book 1 erschien auch in Übersetzungen. Auf Koreanisch und später auf Chinesisch, was wir Markus zu verdanken hatten. Er hatte die nötigen Kontakte. In China erschienen später auch viele unserer eBooks. Und wer weiß wo und wie sehr wir bei diesen Geschäften übers Ohr gehauen wurden …
Den Versand übernahmen wiederum Markus und seine Firma in Berlin, dort wurde extra ein kleines Fulfillmentcenter aufgebaut. Das lief auch einige Jahre lang ganz ordentlich. Da wir aber mehr Kontrolle und einen schnelleren Versand wollten, blieb uns letztlich nichts anderes als den Buchversand selbst zu organisieren. Dazu mieteten wir ab 2013 ein kleines Lager in Freiburg/Hochdorf und schafften den ersten Firmenwagen an. Zugegeben, er ist nur geleast, ein grauer Volkswagen Caddy, der bunt mit Firmenmotiven und Logo geschmückt werden sollte, so hatten wir uns das ausgemalt, was jedoch nie gelang.
Der weltweite Direktversand hatte so seine Tücken. Da waren zuerst die hohen Portokosten. Über die Frage, inwieweit die Kunden den Versand bezahlen sollten, führten wir mehrere lebhafte Diskussionen. Ich wollte es portofrei machen, egal wohin ein Buch auch ging. Der Vorteil wäre eine klare Aussage gewesen und mehr verkaufte Exemplare, wie ich hoffte. Allerdings war das nicht durchsetzbar, das Buch selbst war dazu viel zu preiswert. Letztlich mussten wir nach Auslieferung der Vor- und Erstbestellungen rund 43.000 Euro an die Deutsche Post AG zahlen. Das bedeutete: Wir zahlten drauf. Aber es war richtig so, denn zu hohe Portokosten verderben das Geschäft.
Eine der Ideen, die wir im Rahmen des ersten Smashing Books entwickelten, war das Social Shipping, wie wir es nannten. Leider kriegten wir die Sache nicht so in den Shop hinein programmiert, wie wir wollten. Social Shipping bedeutet, dass die Käufer freiwillig mehr fürs Porto zahlen, als sie eigentlich müssten (zum Beispiel 6 Dollar statt der 3, die man mindestens zahlen muss), dafür würden im Gegenzug die Portokosten sinken, wenn die Bücher in weniger wohlhabende Länder verschickt werden sollten (also statt der notwendigen 6, nur 3 Dollar) – etwa nach Indien. Aber ersten verstand das nicht jeder, und zweitens – und das ist verständlich – möchte niemand gern seine eigene Konkurrenz subventionieren – viele unserer Kunden waren ja gewerbliche Nutzer. Aber vielleicht kann man die Idee für andere Produkte und in einem reinen Endverbrauchermarkt irgendwann besser umsetzen.
Eine schöne Idee kam von Michael. Er hatte sich eine bedruckte Verpackung ausgedacht, die genauso aussah wie das Buch. Nur dass Versandaufkleber (Porto, Zoll) darauf zu sehen waren. Damit überraschten wir die Kunden. So mancher dürfte uns im ersten Augenblick für verrückt gehalten haben ein Buch unverpackt auf die Reise zu bringen. Kam man aber erst mal dahinter, gab es einen Aha-Effekt. Dafür gab es viel positives Feedback. Beim Buch Nr. 2 haben wir variiert und Vitaly und ich erschienen persönlich mit einem gezeichneten Konterfei auf der Verpackung.
Ein weiteres Problem beim internationalen Versand sind die Währungen. Wir entschieden uns dazu das Buch in Euro und in Dollar anzubieten und mussten dafür zwei Shops betreiben. Die Kunden wurden automatisch in den richtigen Shop gelenkt, das kann man über eine Browserabfrage machen, allerdings funktioniert es nur zu rund 90%. Das ergab zwei Preise, die wir kommunizieren mussten, was schon arg störte. Wir machen das aber immer noch so, auch wenn es längst nur noch einen Shop gibt.
Dann waren da noch die Laufzeiten. Wir machten den Fehler den Versand für uns möglichst kostengünstig zu gestalten, wir zahlten ja eh schon drauf und wollte das nicht noch verschlimmern. Das aber hatte lange Laufzeiten auf dem Landweg von bis zu zwei Monaten zur Folge. Dafür haben Kunden kein Verständnis. Wir hätten trotz allem ausschließlich Luftpost verwenden dürfen, so wie wir es heute tun. Über einen Versand von den USA aus, für Kunden in Amerika, hatten wir selbstverständlich geprüft, konnte aber nichts Praktikables und Bezahlbares organisieren.
Das Buch brachte uns zwar an den Rand der Verzweiflung, aber der Lerneffekt war riesig. Wer diesen Titel mit den heutigen Büchern der Firma vergleicht, bemerkt den gewaltigen Qualitätsunterschied sofort. Letztlich ist die ganze Unternehmung nur dank des Langmuts unserer Leser und Kunden nicht in einem Fiasko geendet. Zuviel hatten wir den Leuten zugemutet. Einigen auch zu viel. Die nächsten Bücher vermieden zwar die meisten Probleme, aber die Auflage sank. Immerhin stimmte das Buch inhaltlich und fand das Wohlwollen der Leser. Das ist das Wichtigste.
Im Verlauf des Jahres war uns außerdem klar geworden, dass Fernarbeit an drei Standorten für solch komplexe Projekte nicht der beste Weg ist. Wir mussten uns niederlassen.
Smashing Magazine zieht nach Freiburg
Blieb nur noch eines zu klären: wo? Sicher war nur, Vitaly wollte nicht nach Lübeck ziehen, ich nicht nach Saarbrücken. Wir brauchten einen neutralen Standort. 81 Großstädte gab es 2009 in Deutschland, das sind Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Zwei davon waren schon aus dem Rennen. Blieben noch 79, die wir uns zusammen ansehen wollten. Aber soweit kam es nicht.
Michael schlug vernünftigerweise Freiburg als Standort vor. Die Stadt ist grün (in mehrfacher Hinsicht) und berühmt für Sonnenschein, Wein und den nahen Schwarzwald. Hier will jeder leben. Die Stadt zieht Studenten an, von denen viele dann nicht mehr wieder weg wollen. Das bemerkte man auch bei Suche nach Büroräumen, die Auswahl war begrenzt. Noch viel schwieriger sollte die Wohnungssuche werden, aber das ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir reisten ins Breisgau, nahmen Freiburg in Augenschein und waren begeistert.
Heutzutage ist es einfach, eine Immobilie über das Internet zu finden. Das war auch 2009 schon so. Wir suchten uns passende Angebote auf den einschlägigen Portalen heraus und schickten Michael zur Besichtigung hin. Jedes Mal mal ins Badische zu reisen schien uns beträchtlich aufwendig, es ging ja nur um ein Büro. Arbeiten würde man schließlich überall können. Hängen blieben wir an einer 100 Quadratmeter-Halbetage in einem Bürogebäude nahe der Dreisam. Die Firma befindet sich auch heute noch dort, nur inzwischen auf zusätzlichen Flächen.
Im November 2009 starteten wir im Freiburg durch. Unsere drei Räume wollten eingerichtet werden, wir machten uns Gedanken über die zukünftige Firmenkultur. Was für eine Art von Firma wollten wir eigentlich betreiben? Meine Erfahrung mit Büros beschränkte sich auf die Ahrensburger und Lübecker Zeit. Ich kannte sonst nur Läden, Werkstätten und Lagerräume. Vitaly hatte gar noch nie in einer Firma gearbeitet. Einige Möbel hatten wir vom Vormieter übernommen, das sparte uns Arbeit und Kosten.
Vitaly und ich hatten noch keine Wohnungen, als wir die Räumlichkeiten unserer Firma in Besitz nahmen. Wir begannen erst zu suchen, was uns noch eine Weile beschäftigen sollte. Vitaly fand einige Monate später ganz in der Nähe etwas. Klein aber teuer und auf Dauer trotz des hohen Preises ziemlich schimmelig. Ich hatte mehr Pech und musste mich erst einmal für einige Monate möbliert einquartieren. Schließlich landete ich in einem Gebäude am Münsterplatz und damit maximal zentral in der Altstadt. Leider auch laut und teuer.
Jetzt wurden die ersten Mitarbeiter eingestellt. Die erschienen am 15. Februar 2010 erstmals zum Dienst. Christina S. für das Büro, Manuela M. als Redakteurin des Dr. Web Magazins sowie Jessica B. aus Frankreich als Praktikantin für die nächsten sechs Monate. Praktikanten hatten wir in den Freiburger Jahren insgesamt glaube ich nur 5 oder 6. Tolle junge Leute, zu denen oft eine Beziehung bestehen blieb.
Wie wird man eigentlich Geschäftsführer, ohne es gelernt zu haben?
Wahrscheinlich so wie man auch Vater oder Mutter wird, ohne dafür je eine Ausbildung absolviert oder eine Lizenz erworben zu haben. Man macht einfach das, was man für richtig hält; nutzt Verhaltensweisen, die man selbst zuvor als Kind oder Mitarbeiter erleben durfte oder zu erdulden hatte. Manches kannte ich von meinen früheren Beschäftigungsverhältnissen, anders hatte ich Büchern entnommen oder wenigstens irgendwo gehört. Man wächst mit seinen Aufgaben.
Geschäftsführer wollten weder ich noch Vitaly je sein. Aber wir mussten es als Gründer nun einmal machen, ob es uns gefiel oder nicht. Man kann es durchaus schlechter treffen …
Was man selbst nicht wahrnimmt, ist die Wirkung, die man auf andere Leute hat. Dazwischen können sich Gräben auftun. Doch letztlich müssen Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden. Ich habe Leute rausgeworfen, abgemahnt, mit schwierigen Aufgaben betraut, kritisiert, unter Druck gesetzt. Spaß machte das nicht. Und oft haben notwendige Entscheidungen Folgen, ob es einem gefällt oder nicht. Selbst beiläufige Äußerungen können negativ ausgelegt werden. Ein falsches Signal, ein unpassender Gesichtsausdruck, falscher Wortwahl, alles kann Folgen haben. Und manchen wird einem lange nachgetragen, mitunter wird es nie vergessen.
Ein schlechter Start kann noch Jahre später Dinge zu Fall bringen oder Probleme herausbeschwören, ohne dass jemand einen Zusammenhang herstellen würde. Etwas, mal so eben dahingesagt, kann bei einem Mitarbeiter, der einen ganz anderen Horizont und Informationsstand hat als man selbst, Dinge auslösen, auf die man selbst gar nicht kommen würde – im Positiven wie im Negativen. Jedenfalls fand ich es immer schwierig. Manchmal habe ich mich bei Gesprächen selbst belauscht oder versucht mich aus einer entfernten Position zu beobachten.
Auf einer gewissen Ebene ist das zwar recht interessant, aber es klappt halt nur bedingt. Der Konzentration ist es ebenso nicht förderlich. Diese dumme Angewohntheit hemmt mich und sorgt dafür, dass ich Situationen abkürze. Das ist für einen Geschäftsführer nicht hilfreich. Noch dazu kann ich keinen Small Talk. Ich möchte gar nicht wissen, wie schlecht Mitarbeiter über mich gedacht haben, wenn ich keine Konversation mit ihnen machte. ›Er interessiert sich nicht für mich‹, werden sie gedacht haben. Aber das stimmte nicht, ich hätte es gern getan, doch ich war viel zu schüchtern.
Internet Start-up Firmen sind eine tolle Sache, jedenfalls, wenn es danach geht, was man in den Medien von ihnen liest. Ein Start-up waren wir zwar nicht, die Firma gab es ja schon länger und sie wurde auch nicht fremdfinanziert, doch ein bisschen wollten wir auch so sein wie die hippen Berliner Szenebetriebe oder wie die ganz großen Nummern aus den USA.
Schau dir mal Fotos an von Zappos, ein online Schuhversand, der als Vorbild für Zalando herhalten musste. Die Riesenbürohalle von Zappos ist überaus bunt und mit einer unfassbaren Menge von Zeug dekoriert und vollgestopft. Die Chefs sitzen in der Mitte in einer Art Dschungel. Zappos stellt absichtlich skurrile und merkwürdige Typen ein, das gehört zur Firmenphilosophie. Heißt aber nicht, dass dort nicht gut gearbeitet würde. Die Firma ist extrem erfolgreich. Sie versenden nicht nur Schuhe, sie wollen den besten Kundenservice der Welt bieten. Und da kommen sie durchaus heran.
Projekte, an die wir geglaubt und in die wir investiert, die wir aber wegen Erfolglosigkeit eingestellt haben:
• Smashing Club,
• Smashing Network,
• Smashing Directory (von Michael Dobler organisiert),
• Open Device Lab.
Es sollte also bunt in unseren Räumen zu gehen. Die Wände bekamen Streifen in den Firmenfarben, das ist preiswert und schnell gemacht. Es gibt eine Menge Stofftiere, Dekoration, viele Sitzgelegenheiten, eine Medienbibliothek und Fachliteratur. Es gibt gratis Getränke, Verpflegung, Obst und Süßigkeiten. Dahinter steckt mehr als eine Absicht.
Zum einen möchte man es den Leuten bequem und angenehm machen, zum anderen sollen sie möglichst viele Stunden in der Firma verbringen. Zeitweilig übernahmen wir auch die Kosten fürs Fitnessstudio. Eine schöne Tradition ist das Freitagsessen. Dann wird entweder ein Büfett aufgebaut oder es werden Mahlzeiten geholt. So sitzen wenigstens einmal in der Woche alle zusammen. Dabei geht es meist lebhaft zu.
Kam ein neues Produkt heraus, wurde das Ereignis traditionell mit Sekt und Buffet willkommen geheißen und gefeiert. Manchmal gab es eine kleine Ansprache, meine Sache allerdings ist das nie gewesen. Der Sekt nicht und die Ansprachen noch weniger. Ich fand aber, dies gehöre dazu. Eine kleine Feier ist ein gutes Omen und wertet den Anlass auf. Leider erfüllten sich die daran geknüpften Erwartungen nicht immer. Aber wo passiert das schon?
Von Anfang an gab es „Vertrauensarbeitszeit“. Man konnte kommen und gehen, wann man wollte, die Zeiten wurden nicht genommen und auch nicht kontrolliert oder sonst wie erfasst. Die Kollegen mussten sich aber untereinander absprechen. Ebenso durfte man von Zuhause arbeiten.
Einschränkend muss ich dazu sagen, dass diese Regeln für die Mitarbeiterinnen im Büro nicht galten, die mussten sich an die üblichen Geschäftszeiten halten. Das geht aus naheliegenden Gründen nicht anders, jemand muss ans Telefon springen, die Post entgegen nehmen und so weiter. Die Vertrauensarbeitszeit bewährte sich, sie wurde auch nie so heftig ausgereizt, wie man das als Außenstehender vielleicht befürchten würde.
Gute Dinge, die intern wieder aufgegeben wurden:
• Hauspost, die Firmenzeitung für Mitarbeiter (PDF und Print)
• Vorträge einzelner Mitarbeiter nach dem Freitagsessen
• Der jährliche Betriebsausflug
Welche Rolle spielt Qualität für den Erfolg?
Erstaunlicherweise kann man auch bloggen, publizieren und sogar Erfolg haben mit fehlerhafter Schreibe. Nicht dass ich das empfehle, aber möglich ist es wohl. So richtig deutlich wurde uns das, als sich der Kanadier Andrew Lobo bei uns als Proofreader bewarb. In einer E-Mail präsentierte er uns Beispiele, er hatte sich die Mühe gemacht und einige unserer Beiträge durchgearbeitet.
Unglaublich, was da alles zum Vorschein kam und wie schwach wir sprachlich waren. Seitdem korrigieren er und sein Team alles, was wir produzieren. Für die Bücher kommen sogar noch weitere Proofreader hinzu. Zahlreiche Weblogs werden von nicht-Muttersprachlern in Englisch geführt. Die sind dann schon mal sprachlich unbeholfen oder voll mit Rechtschreibfehlern. Das stört gewiss, sie werden aber trotzdem gelesen so lange sie Nützliches bieten. Das Publikum besteht selbst zu einem großen Prozentsatz aus nicht-Muttersprachlern.
Schwieriger ist es mit der Qualitätskontrolle. Das war auch zu Dr. Web Zeiten ein Schwachpunkt. Man kann selbst unmöglich Ahnung auf allen Fachgebieten haben. Es reicht aber nicht, sich auf die Expertise des Autors zu verlassen. Anfangs hatten wir beim Smashing Magazine auf populäre Themen gesetzt: Die schönsten Designs, die besten Tools, die schärften Wallpaper, Round-ups, Bildergalerien, Listen, Analysen, Interviews und ähnliche Dinge.
Das ging eine Weile gut und spülte uns ziemlich weit nach oben. Als dann andere Weblogs begannen unser Konzept zu kopieren, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Die Lösung hatte Vitaly, unter seiner Führung entwickelte sich unser Magazine zu einer erstzunehmenden Fachpublikation.
Auf dem Weg dahin hatten einen Review-Prozess eingeführt. Daraus ist mittlerweile das Experts Board geworden. Es besteht aus über 100 Experten, die wir bei bestimmten Themen zurate ziehen können. Sie erhalten den Artikel und einen Fragebogen. Anhand der Einschätzung der Experten wird dann vorgegangen.
Für unser Magazin haben wir schon früh Regeln festgezurrt. Einmal für uns selbst, auch um nicht mit zwei Zungen zu sprechen, und dann um unseren Standpunkt deutlich zu machen. Wir wollten uns von der Masse abheben. Wir wollten jedem konsequent sagen können, dass wir über diese Dinge nicht nur nachgedacht hatten, wir hatten uns sogar Regeln gegeben. Deshalb kann jeder nachlesen, dass wir
• keine bezahlten Beiträge publizieren,
• nicht an Affiliate-Programmen teilnehmen,
• keine Pressemitteilungen veröffentlichen,
• keine versteckte Werbung machen,
• die Meinungen unserer Autoren nicht beeinflussen,
• unsere Spesen selbst tragen und
• Autoren immer bezahlen.
Es steht noch ein bisschen mehr drin. Es gibt übrigens Autoren, die kein Honorar annehmen können oder dürfen, diese bezahlen wir trotzdem, und zwar in Form einer gemeinnützigen Spende.
Wie es weiterging
Nach den Erlebnissen mit dem ersten Buch war die Lust auf einen Nachfolger erst mal nicht sonderlich groß. Zu viel war daneben gegangen. So erschien der 360 Seiten starke Nachfolger, er wurde schlicht ›Smashing Book 2‹ genannt, erst im Januar 2011. Diesmal sollte alles besser und alle Fehler vermieden werden. Das klappte auch leidlich. Ohne Problem ging es aber nicht ab.
Während Vitaly und mir unbedingt daran gelegen war die Scharte vom ersten Buch auszuwetzen, wollte Michael Kosten optimieren und möglichst viel Geld herausholen. Das ist verständlich vor dem jeweiligen Hintergrund. Da Michael aber der Juniorpartner in unserem Deal war, überstimmten wir ihn regelmäßig. Das ging so lange, bis er die Brocken hinwarf und aus unserem Joint Venture, das ja auch immer noch das erste Buch betraf, ausstieg.
Das zweite Buch musste perfekt werden. Gedruckt wurde diesmal in Tschechien. Es gab von Anfang an eine echte Fadenbindung und Hardcover mit Lesebändchen. Für die Illustrationen schlug ich eine australische Künstlerin mit chinesischen Wurzeln vor, Yiying Lu, die den legendären Failwhale von Twitter gezeichnet hatte – zufällig hatte ich einige Tage zuvor ein Interview mit ihr gelesen. Vitaly und Yiying verstanden sich auf Anhieb und schlossen, nicht zuletzt zum Wohle des Buches – Freundschaft.
Als Besonderheit druckten wir in das Buch mehrere Tausend Namen von Lesern. Ich hatte vorher verschiedene Versuche gemacht, wie viele Namen man auf einer Doppelseite wohl würde unterbringen können bei maximal kleiner Schrift. Ins Buch gekommen sind dann gut 3000. Daraus machten wir dann noch ein gedrucktes Poster im Format A1.
Das Buch wurde zu einem auffällig günstigen Preis verkauft, was Michael nicht verstehen konnte. Es war derselbe Preis wie beim ersten Buch, nur diesmal eben mit weit besserer Ausstattung.
Da wir beim ersten Projekt Probleme mit einigen Autoren hatten, trotz Vertrages, wollte wir diesmal auf Nummer sicher gehen und bestellen mehr Artikel als eigentlich nötig. Da die Ablieferungsquote diesmal höher lag, mussten wir am Ende entscheiden, welche Kapitel es nicht in das Buch schaffen würden. Die überzahligen Kapitel wurden in ein kleines eBook mit 127 Seiten (in der PDF-Version) ausgelagert, das den Titel ›The Lost Files‹ erhielt. Kunden konnten es später gratis herunterladen.
Als kleine Besonderheit enthielt das Buch ein gemeinschaftlich geschriebenes Kapitel. Zu fünft haben wir erläutert, wie man ein Buch konzipiert, produziert und herstellen lässt. Der Aufwand für so etwas steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis, ein Einzelautor schreibt schneller und sicherer, doch sahen wir auch dies als teambildende Maßnahme.
Insgesamt waren wir recht zufrieden. Allerdings war das Buch ein wenig zu voll gepackt, das Layout hätte mehr Luft zum Atmen gebraucht. Aber sei’s drum. Wir hatten unserer Meinung nach bewiesen: Ein Buch machen, das können wir. Die Reaktionen auf das Zweite waren dann auch nahezu durchweg positiv. Umsatz und Gewinn kamen an den Erstling nicht heran, das stand bereits vorher fest.
Für alle Bücher aus der Dr. Web und der Smashing Magazine Zeit gilt, sie wurden direkt an die Leser verkauft. Über den Buch- oder gar Großhandel lief gar nichts – bei Amazon waren unsere Titel nicht zu bekommen. Das musste so sein, denn Amazon hätte unseren Verkaufspreis unterbieten können. Der Preisbindung unterlagen wir nicht, weil die Bücher englischsprachig sind und überwiegend ins Ausland verkauft werden. Der Direktvertrieb war und ist nur möglich durch die angeschlossenen Magazine, sonst müsste man es mit Werbung versuchen, was sich aber kaum lohnen dürfte. Der Buch(groß)handel würde je nach Menge 30 bis 60% des Verkaufspreises für sich behalten.
Der eigene Vertrieb ermöglicht den Vorverkauf der Bücher. Etwa vier Wochen vor Fertigstellung, idealerweise kurz vor dem Druck wird das Buch dann zum Verkauf freigegeben. Die Kunden bezahlen sofort, bekommen das Buch aber erst später, als Ausgleich dafür gibt es einen ordentlichen Rabatt. Wenn es gut läuft, hat man auf diese Weise die Druckkosten schon vor dem Erscheinen des Buches raus. Schwierig wird es allerdings dann, wenn man den Termin nicht halten kann, was uns mit unschöner Regelmäßigkeit passiert ist. Dann werden die Käufer unruhig und der Support bekommt mehr zu tun, als ihm lieb ist. Mancher vergisst sogar seinen Kauf und bestellt doppelt oder gar dreifach – was dann zwangsläufig eine Beschwerde nach sich zieht.
Geschickt platziert kann man den Vorverkauf dazu benutzen, die Druckauflage zu kalkulieren, was wir beim Smashing Book 3 unbedingt hätten machen sollen. Dort probierten wir etwas Neues, den gestaffelten Vorverkaufspreis. Den dicksten Rabatt gab es am Anfang, je näher aber wir dem Erstverkaufstag kamen, desto geringer fiel der Rabatt aus. Die Spanne reichte von 27,90 bis 39,90 oder von 37,80 bis 49,80 für beide Bücher. Auch das war letztlich keine lohnende Idee. Am Anfang verfing diese zwar, doch im Laufe des Vorverkaufs wurde der Anreiz zur Bestellung immer geringer, entsprechend fielen dann auch die Zahlen aus. Macht es besser nicht nach!
Das Buch #3 erschien am 8. Mai 2012. Die Produktion eines solchen Buches verschlingt viel Zeit, Geld und Kraft. Es ist nicht Teil einer Reihe, die in immer gleicher Fließbandproduktion hergestellt wird. Jedes Buch war ein Ereignis. Es bestimmte unser Jahr. 7 Monate brauchten wir für das Buch von der Konzeption bis zur Auslieferung. 19 Tonnen Papier wurden bedruckt. 43 Menschen hatten mitgearbeitet, darunter 15 Autoren und 15 Reviewers (jedes Kapitel wurde einer Peer-Review unterzogen), unser Team, externe Grafiker, Proofreader und so weiter. Rund 150.000 Dollar hatten wir eingesetzt, ohne die Kosten für das Marketing.
Inzwischen ist das Smashing Book #5 erschienen. Dicker denn je. Auch die Nachfrage ist wieder gestiegen. 10.000 Exemplare werden mindestens verkauft werden. Die Planungen für die Nummer 6 laufen bereits.
Heute ist unser Magazin eine solide geführte Firma mit Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat und Millionenumsätzen. Was aus einem kleinen Blog so alles werden kann …
Rund 50% der Geschäftstätigkeit entfällt auf die Konferenzen, die inzwischen fünf Mal im Jahr in verschiedenen Teilen der Welt stattfinden.
Ein deutschsprachiges Smashing Magazine hätte ich 2015 gern in Angriff genommen. Mit eigenem inhaltlichen Konzept unter der bekannten Marke. Doch das wurde von der Mehrheit der Aktionäre, sprich Vitaly Friedman, leider abgelehnt.
Entscheidungen werden abgewogen und Dinge zuvor analysiert. Spontanes Arbeiten wie in den ersten Jahren gibt es nicht mehr. Und das ist auch der Grund dafür, warum ich nun hier schreibe und nicht mehr dort. Auf Dauer war es einfach zu langweilig, zumal mein Part hauptsächlich aus Aufgaben in der Verwaltung bestand. So war es von Anfang an, denn ich brachte die Firmenstruktur mit. Vitaly Friedman wusste von diesen Dingen nichts und konzentrierte sich deshalb auf das Schreiben, die Redaktion und Autoren. Wer weiß, wofür es gut war. Vitaly Friedman im Interview mit T3N über die Anfänge des Magazines.
Hast du das Smashing Magazine gekannt?