Willst du so anschaulich, lebendig und packend schreiben, dass bei deinen Leserinnen und Lesern Bilder im Kopf entstehen? Wenn du dir einige Tricks bei gestandenen Schriftstellern abguckst, ist das gar nicht so schwer, wie es zunächst erscheinen mag.
Was bedeutet “anschaulich schreiben”?
In dem Wort steckt es schon drin: “anschaulich” heißt, dass wir etwas zum Anschauen bekommen. Es kündigt an, dass durch die Worte auf dem Papier Bilder und Szenen vor unseren Augen entstehen. Aber nicht nur ums Sehen geht es: Erst wenn alle Sinne angesprochen werden, fangen Texte für uns an zu leben.
Wenn du anschaulich schreiben kannst, machst du deinen Leserinnen und Lesern übrigens nicht nur eine Freude. Du sorgst gleichzeitig dafür, dass deine Texte verständlicher und überzeugender werden – und dass sie länger im Gedächtnis bleiben. Ein klares Plus für jede Art von Text.
Was Adjektive bewirken
Wenn es um anschauliches Schreiben geht, verfallen beginnende Schriftsteller schnell auf die naheliegendste Idee: Adjektive! Andererseits sind Adjektive genau die Wörter, vor denen in Schreibratgebern zu Recht immer wieder gewarnt wird. Schau dir einmal diese Beispiele an:
- Die Frau ging über die Straße zum Haus.
- Die alte Frau ging langsam über die befahrene Straße zu dem alten, verfallenen Haus.
Konkret statt allgemein schreiben
b klingt sicher schon anschaulicher als a – aber Adjektive (“alt”, “befahren”, “verfallen”) sind keineswegs die beste Lösung, wenn du anschaulich schreiben möchtest. Viel besser wirkt es, wenn du versuchst, statt der allgemeinen Verben (“ging”), Nomen (“Frau”) und Beschreibungen treffendere Wörter zu finden. Zum Beispiel so:
- Die Greisin schlurfte zwischen den hupenden Autos hindurch zur Ruine der alten Villa, die nun schon seit zwanzig Jahren leer stand.
Der Trick besteht also darin – das ist übrigens eins der wichtigsten Geheimnisse schriftstellerischen Schreibens -, dass du statt allgemeiner Ausdrücke konkrete Details, konkrete Wörter verwendest. Dadurch wird das Beschriebene spezifisch und einzigartig und prägt sich bei den Lesern ein.
Wenn du zusätzlich eine bestimmte Stimmung erzeugen willst, brauchst du noch mehr Details, etwa:
- Damals war dort eine junge Frau unter immer noch ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Den ermittelnden Kriminalbeamten hatte der Fall letztendlich in die Psychiatrie gebracht. Die Greisin hingegen konnte sich an den schicksalhaften Tag erinnern, als wäre er gestern gewesen. Das aber wusste nur sie.
Damit verpasst du der eigentlich harmlosen Berichterstattung über den Fußweg einer alten Frau eine Wendung, die in den Köpfen deiner Leser allerlei Bilder und Assoziationen wecken wird. Noch intensiver werden die Bilder im Kopf, wenn du weitere Sinne ansprichst:
- Noch heute konnte sie den metallischen Geruch frischen Blutes rund um die alte Villa wahrnehmen. Leider konnte selbst ihr abnehmendes Augenlicht jene Bilder nicht tilgen, die sich seither beinahe jede Nacht auf ihre Netzhaut schlichen.
“Show, don’t tell”
Dies ist ein weiterer wichtiger Grundsatz erfolgreicher Schriftsteller: Zeigen statt behaupten! Was das bedeutet, kannst du an einem Standardsatz schlechter Bewerbungen sehen:
- Ich bin teamfähig und engagiert.
“Klingt schön”, wirst du als Personalentscheider zunächst denken. Und direkt danach: “Das kann ja jeder behaupten.”
Stimmt. Deshalb gilt nicht nur für Bewerbungen, sondern auch für jeden anderen Text, mit dem du für dich oder dein Produkt oder deine Dienstleistung werben willst:
Zeigen, nicht behaupten.
Nur, wie stellst du das an? Indem du ein Beispiel wählt, das die gewünschten Tugenden (Teamfähigkeit etc.) indirekt belegt. Und so kann das aussehen:
- 2017 habe ich ein Jahr lang in einem achtköpfigen Team an der Konzeption und Realisierung einer neuen Internet-Zeitschrift gearbeitet, die nun seit acht Monaten erfolgreich auf dem Markt ist.
Du erkennst den Unterschied: Hier muss sich der Leser nicht blind auf eine Behauptung verlassen, sondern zieht aus dem Beispiel selbst den Schluss, dass du ganz offenbar teamfähig und engagiert bist. So sieht überzeugende Eigenwerbung aus.
Vermeide nichtssagende Verben
- “Ich liebe dich”, sagte er. “Ich dich auch”, sagte sie. “Gut, dass wir uns haben”, sagten sie gemeinsam. Dann schliefen sie ein.
Die Stimmung im Beispiel wird von dem verwendeten Verb überhaupt nicht eingefangen. Während eine filmische Darstellung der Szene wahrscheinlich durchaus romantisch sein dürfte, wirkt der obige Text eher kalt und nüchtern.
Nun bleibt dir bei wörtlicher Rede kaum etwas anderes übrig als Verben zu benutzen, um die Redeanteile voneinander abzugrenzen. Du solltest dich dabei aber vor Generika hüten. Damit verdient nur Ratiopharm gut.
Verwende stattdessen lebendige, eben anschauliche Verben, die Bilder im Kopf erzeugen, etwa so:
- “Ich liebe dich”, flüsterte er ihr ins Ohr. “Ich dich auch”, entgegnete sie erschöpft und zufrieden. “Gut, dass wir uns haben”, murmelten sie wie aus einem Munde. Dann schliefen sie ein.
Das eben erzeugte Bild dürfte sehr viel eindeutiger sein als das oben implizierte, wenn du dir sicherlich auch die Rahmenhandlung schon im ersten Beispiel ungefähr ausmalen konntest.
(Artikelbild: Depositphotos)