Michael Volkmer, Gründer der Wiesbadener Kreativagentur Scholz und Volkmer fordert von Unternehmen die Öffnung in Richtung direkter und intensiver Kommunikation mit ihren Kunden.
Dr. Web: Herr Volkmer, weshalb müssen deutsche Unternehmen in der Online-Kommunikation umdenken?
Michael Volkmer: In der Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kunden stand in den letzten Jahren vor allem „besser, schneller, größer“ im Mittelpunkt. Das entsprach auch der Produktionssituation in der realen Wirtschaft, wo es vor allem um Wachstum ging. Inzwischen sind die fetten Jahre vorbei. Wir müssen uns mit begrenzten Ressourcen auseinandersetzen und agieren auf schrumpfenden Märkten.
Für die Kundenkommunikation bedeutet das, dass wir Abschied nehmen vom Aufbau hohler Imagewelten, die ein Ausdruck der Luftblasen in unserer Überflussgesellschaft sind. Wir müssen lernen, die wirklichen Bedürfnisse unserer Kunden zu verstehen.
Dr. Web: Das mündet vor allem in intensiverer Marktbeobachtung durch Marktforschung?
Volkmer: Auch. Aber wir müssen uns vor allem davon verabschieden, dem Kunden im Monolog entgegen zu treten, wo er keine Möglichkeit zum Feedback hat. An seine Stelle tritt wieder der echte Dialog mit dem, um den es geht, dem Verbraucher.
Dr. Web: Was bedeutet das fürs Marketing?
Volkmer: Für Werbung und Marketing bedeutet das eine Kehrtwende. Nirgends ist das deutlicher zu sehen, als in den digitalen Medien. Wir sprechen zwar seit Jahren von „Interaktion“ und „Relationship Marketing“, doch die wahre Tragweite dieser Ansätze wird uns in den nächsten Jahren erst bewusst werden. Es geht bei „Interaktion“ eben um weit mehr, als die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder den Download eines Newsletters, wo der Benutzer seine E-Mail-Adresse hinterlegt. Es geht um echte Interaktion, um Kommunikation mit den Kunden auf Augenhöhe.
Dr. Web: Wie wird sich das Rollenverständnis der Kunden ändern?
Volkmer: Innovative Unternehmen werden verstehen, dem Kunden die Möglichkeit zu geben an der Gestaltung von Produkten und Services aktiv mitzuwirken. Seit Jahrzehnten ist man es gewöhnt, von einer Firmenzentrale aus Positionierungen zu definieren und sie mit einer Flut von Botschaften breit zu streuen. Wir geben zwar ebenfalls eine Richtung vor – das muss man als Werbetreibender auch –, aber gleichzeitig soll der Endverbraucher die Chance bekommen, auf partnerschaftlicher Ebene mit dem Unternehmen zu kommunizieren. Der User von ehemals entwickelt sich also vom Empfänger zum aktiven Teilnehmer. Bei uns in der Agentur sprechen wir von „Human Brand Interfaces“.
Dr. Web: Sind die Unternehmen bereit für eine solche Öffnung?
Volkmer: Mehr und weniger. Einige Unternehmen aus den neuen Medien praktizieren diese Öffnung heute bereits. Amazon nutzt Käufer-Rezensionen als Verkaufsinstrument, Google bindet die Internet-Community in die Entwicklung neuer Dienste ein und Cisco hat eine Plattform eingerichtet, auf der Kunden direkt miteinander Probleme lösen können, ohne dass sich eine Hotline einschaltet. Mit durchschlagendem Erfolg übrigens: Nicht nur die Kosten für den Support sind drastisch zurückgegangen, auch die Kundenzufriedenheit ist rapide angestiegen.
Dr. Web: Das klingt nach Web 2.0.
Volkmer: Auf den entsprechenden Plattformen finden sich bereits viele der Ansätze, die uns zukünftig begleiten werden. Flickr ist eine Bilder-Community, die nur von den Inhalten ihrer Benutzer lebt und auch Wikipedia ist ein Beispiel dafür, dass die Benutzer bereit sind, Inhalte beizutragen, wenn sie das Gefühl haben, dass daraus etwas Neues entsteht.
Dr. Web: Für traditionelle Unternehmen ist das eine Revolution.
Volkmer: Für viele Unternehmen ist es ungewohnt, Schnittstellen in ihr Innenleben zu öffnen. Dabei zeigen Erfolge im Marketing oder im Bereich Forschung und Entwicklung klar, dass das Konzept funktioniert. Unternehmen, die sich öffnen, werden auch in schrumpfenden Märkten dazu in der Lage sein, sich zu behaupten.
Dr. Web: Welche Rolle kommt dabei der Agentur zu?
Volkmer: Mehr als bisher werden wir die Aufgabe haben, Unternehmen zu beraten und als Mittler zwischen Konsument und Produzent zu fungieren. Denn den mündigen Verbraucher zu bedienen, stellt ganz neue Anforderungen. Wir kommunizieren nicht nur zu den Kunden, sondern sorgen dafür, dass das Feedback beim Unternehmen ankommt und dort ernst genommen wird. Wenn wir dem Verbraucher Vertrauen und Selbstbewusstsein im Umgang mit Firmen geben, wird das langfristig auch gesellschaftliche Veränderungen in Gang setzen.
Dr. Web: Herr Volkmer, vielen Dank für dieses Gespräch. ™
Erstveröffentlichung 20.06.2006
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