Nur wenige Unternehmen nutzen die Verfügbarkeit von RSS, Flatrate und Breitband dazu, Benutzer mit eigener Software an sich zu binden.
Vor wenigen Jahren löste das Konzept der Push-Channels eine regelrechte Euphorie aus. Unternehmen waren plötzlich in der Lage, direkt mit dem Desktop des Users in Kontakt zu treten. Perfektes One-to-one-Marketing also.
Push-Channels sind tot, weil die wenigsten Nutzer bereit waren, ihre Internetverbindung konstant offen zu halten, um neue Daten zu empfangen. Das hat sich im Zeitalter von Flatrates grundlegend verändert. Außerdem sorgen Browser-nahe Techniken wie Widgets oder RSS dafür, dass die User nicht unbedingt sicherheitsbedenkliche Installationen vornehmen müssen, um in den Genuß der Software zu kommen. Auch die Inhalteanbieter nutzen RSS konsequent und regelmäßig, um Nachrichten, Bilder oder Videos zu verbreiten. Und nicht zuletzt sorgt die gigantische Bloggerszene für ausreichend Lesenswertes.
Folgerichtig entwickelt sich in den USA derzeit eine lebendige Szene, die mit Rich Clients versucht, in direkten Kontakt zu den Benutzern zu kommen. Man orientiert sich dabei an sehr prominenten Vorbildern, die Clients zum Rückgrat eines Onlineshops weiter entwickelt haben. Die Rede ist von Apple mit iTunes oder den Online-Fotodiensten mit Auftragstools.
Die Fotodienste machen es vor: Auftragssoftware zur Kundenbindung
Client-Marketing
Doch auch wenn Software nicht direkt zum Geschäftsmodell beiträgt, funktioniert die Idee. O2 veröffentlichte zur Fußball-WM einen RSS-Reader, der unter anderem Musik von den Fantastischen Vier übertrug.
Drei Spielarten sind zu beobachten: Bei Produkten mit starker Anziehungskraft wie zum Beispiel exklusiven Autos, steht das Produkt selbst im Mittelpunkt. Der Liebhaber bekommt über den Client die neuesten Produktinformationen, Werbevideos oder Bilder. Ein sehr ansehnliches Beispiel für den Einsatz dieser Technik ist die „Induction Unit“ zum Dodge Charger. Es handelt sich hierbei um einen komplett vorkonfigurierten Minibrowser zu diesem Monster-Auto mit einem spannenden Incentive-Programm: Sobald die Induction Unit auf dem Client-Rechner auftaucht, läuft ein Bonuszähler. Abhängig vom erreichten Zeitkonto kann der User sich zur Probefahrt anmelden oder andere Incentives in Anspruch nehmen.
Dodge belohnt die Werbebetrachtung mit Incentives
Die zweite Variante wird von Unternehmen eingesetzt, die regelmäßig standardisierte Online-Bestellungen beziehen, etwa die Versender von Büromaterial. Hier steht die Auftragsverwaltung im Mittelpunkt, damit der Benutzer ähnliche Aufträge möglichst schnell und einfach aufgeben kann. Bürogrossist Staples hat mit „Easy“ einen dicken roten Buzzer im Programm, der auf Knopfdruck die Verbindung zum Server herstellt.
Der dicke rote Buzzer führt direkt zur eigenen Bestellhistorie bei Staples
Prominentes Beispiel für den Einsatz dieser Technik sind auch die zahlreichen Dienste, die das Ausdrucken von Digitalfotos zum Geschäftszweck erhoben haben. Alle bieten dem Stammkunden Tools zum Bündeln von Aufträgen, teilweise sogar mit kompletter Bildbearbeitung inklusive.
Die dritte Spielart ist reines Marketing. So setzt Honda auf ein Widget, dass ständig die Top10 der Single-Charts auf des Nutzers Desktop einblendet. Per Mausklick startet der Browser das passende Video.
Honda wirbt in einem Widget mit den Single-Charts
Bevor das Widget allerdings läuft, muss der Benutzer die Widget-Engine installieren. Diese Engine wurde von einer Firma namens Konfabulator entwickelt. Yahoo verleibte sich das Unternehmen letzten Sommer kurzerhand ein. Auch das zweifellos ein Zeichen für reichlich Marketingpotential.
Zeit zu handeln!
Marketing per Software gibt es auch in Deutschland zu bewundern. Die Wiesbadener Agentur Scholz und Volkmer hat für den Großkunden Mercedes-Benz einen interaktiven Kalender entwickelt, der schöne Produktfotos zeigt und gleichzeitig ein paar Hyperlinks zur Website besitzt. Der Clou aber ist, dass der Kalender tageweise mit eigenen Daten belegt werden kann. Für den Benutzer also ein kleines, gesponsertes Alltagswerkzeug.
Der Mercedes Desktop-Kalender speichert Einträge
Noch einen Schritt weiter geht ID-Media. Bereits 2003 verteilten die Berliner eine CD mit einem Clientprogramm für ihren Kunden Camel. Dort konnte der geneigte Benutzer auf digitalen Weltkarten die Reise von Teams beobachten, die die Welt nach Pleasure-Moments durchforstete. Per Klick zoomt die Karte in die Details, bis hin zu einzelnen Fotos oder Texten zum Vergnügens-Platz. Und natürlich konnten die User selbst Lieblingsplätze in die Karte einfügen und der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.
Speziell entwickelter Mikrobrowser für Camel-Fans
Sowohl ID-Media als auch Scholz und Volkmer sind sich einig darin, dass das Marketing per Software am Anfang einer spannenden Entwicklung steht. Zumal die Browsertechnik inzwischen automatische Installationsverfahren ermöglicht, die die Hemmschwellen bei den Benutzern gering halten.
Das Werbenetzwerk Miva hat den Trend erkannt und bietet Kunden eine White Label Toolbar an, die eine Direktverbindung zwischen Benutzer und Website herstellt. Referenzkunde ist der Buchversender Jokers.
Links zum Thema:
- Yahoo Konfabulator
- Google Picasa
- AT&T kooperiert mit dem WallStreet Journal
- Einkaufstoolbar bei SmartShopper
- AdTools bietet verschiedene Lösungen für Desktop-Branding
Erstveröffentlichung 01.09.2006
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