Im Kommen ist das sogenannte Instabloggen. Echte Blogger rümpfen die Nase. Tatsächlich werden hier die schmalen Möglichkeiten der Facebooktochter für das Bloggen genutzt. Die Texte unter den Fotos werden immer länger. Und weshalb?
Weil dort das Publikum ist. Wer eh schon bei Instagram mitmischt, der sieht das als logische Folge. Problemematisch allerdings sind die dürfigen Möglichkeiten, die einem geboten werden. Keine Verlinkungen, keine eigenen Seiten, keine wie auch immer geartete Gestaltung von Text und Bild.
Ausgeglichen wird das mit einer Flut von Hashtags und Emojis. So bildet sich ein eigener Stil heraus. Und wer weiß, womöglich reagiert der Dienst eines Tages und unterstützt seine Nutzer mit neuen Bloggingfeatures.
Apropos Facebook. Wer es nutzt, tut das in einem Design mit dem Charme eines Hundekackbeutelautomaten. Immerhin ist es funktional.
Wer dort auch bloggen will, bekommt es mit einer minimalisierten Ausgabe dieses Designs zu tun. Es ist zurückgenommen. Der Inhalt, um den es Facebook zu tun ist, steht im Vordergrund.
Das ist ein Trend. Auch bei LinkedIn kannst du Bloggen, bald vielleicht auch bei Twitter und bei zahlreichen Spezialdiensten sowieso. Social Media wirft seine Netze weiter aus. Und möchte das eigene Blog, die eigene Website überflüssig machen. Kann das, darf das gelingen?
Die Facebook Notizen (Notes) wurde vom gleichen Team erschaffen, das auch schon den Dienst Medium auf die Schienen gestellt hat. Ähnlichkeiten sind beabsichtigt. Medium steht für Instant Blogging. Du kannst quasi sofort loslegen. Medium gibt es schon länger. Medium finden viele cool. Ich habe es auch ausprobiert. Und tatsächlich, es ist wirklich einfach. Das kann Spaß machen.
Über eines aber sollte man sich im Klaren sein. Wer sich Sichtbarkeit und Traffic erhofft, wird enttäuscht werden. Denn für gewöhnlich passiert anfangs nichts. Ohne ein eigenes Netzwerk steht man allein da. Das ist völlig normal. Zudem ist Medium überwiegend englischsprachig, deshalb ist es für die meisten Menschen hierzulande schwierig, irgendwo anzudocken.
Bei Twitter kann man das Bloggen ohnedies vergessen, es sei denn, man stellt auf einen Twitterroman ab oder versendet Gedichte. Das geht dann zwar auch, allerdings verschwinden auch die schönsten Texte innerhalb von Minuten im Twitterorkus. So darf es nicht sein.
Bei Facebook kann das schon anders aussehen. Dort hat man ja viele Freunde. Denen direkt etwas zu lesen zu geben, scheint eine gute Idee. Für Facebook, denn so bekommt die blaue Hölle nicht nur deine sämtlichen Daten, sondern auch noch deine Kronjuwelen, nämlich deine Arbeit. Facebook geht aufs Ganze und will alles. Den Rest von dem Internet braucht man bald nicht mehr, wenn es nach dem Zuckermann geht. Aber das vermute ich natürlich nur vom Grunde meines bösen Herzens.
Facebook ist kein Umfeld für lange Texte und Geschichten, es eignet sich eher als Werbung und zur Kommunikation. Nicht nur, dass alle Facebook-Seiten im Prinzip gleich aussehen, sie bieten auch nur eingeschränkte Möglichkeiten.
Neben Facebook haben weitere Anbieter ihr kommerzielles Herz für Blogger entdeckt. Du kannst längere Stücke auch bei LinkedIn (Pulse) platzieren. PR-Blogger Klaus Eck rät schon mal ab: Warum Sie auf LinkedIn (nicht) bloggen sollten. Offensichtlich geht es hier um Marktanteile, Verweilzeiten und den Handel mit Daten. Marketing Experten propagieren indes eifrig die neuen Möglichkeiten, es ist ihr Geschäft: Wie Sie Ihren Content erfolgreich auf LinkedIn und XING platzieren.
Prominente, deren Accounts enorme Leserzahlen aufweisen, dienen den Netzwerken als Leuchtfeuer und Vorbilder. Damit wuchern sie. Aber wie kommt das zustande? Schätze, diese bekannten Herrschaften werden durch Agenturen und Manager vertreten, die mit den Netzwerken Deals aushandeln. Vielleicht fließt Bares, vielleicht Aufmerksamkeit an anderer Stelle. Mir scheint das alles ein riesen Beschiss. Da ist eine gewaltige Maschine am Laufen, deren Räder wir selbst drehen. Und zwar in der Regel, ohne es zu merken, oder ohne es wirklich wissen zu wollen.
One-Night-Stand für Blogger
Ein eigenes Blog auf einem Webspace oder Server zu besitzen ist der Besitz einer publizistischen Eigentumswohnung. Vielen ist das zu aufwändig oder zu teuer. Ein Blog bei einem Blogdienstleister wie Blogger, Tumblr, Wattpad oder WordPress in der Dotcomvariante entspricht einer Mietwohnung – Plattenbau.
Aber was ist dann das Bloggen bei Medium oder Facebook? Ich würde sagen ein Hotelzimmer. Es ist nichts für länger. Für den bloggerischen One-Night-Stand kann man sich das mal gönnen. Wenn du willst, kannst du auf diese Weise etwas anderes kennenlernen, etwas ausprobieren oder schnell eine Meinung hinausrotzen. In einem Hotelzimmer logierend hast du keine Verantwortung, musst nicht den Müll runterbringen, das Klo nicht schrubben, eine Küche ist in der Regel auch nicht vorhanden.
Unglücklicherweise bist du den Änderungen und Ansichten des Hoteliers ausgesetzt, die willkürlich sein können. Deine Nachbarn wechseln ständig. Es ist manchmal laut nebenan. Deine Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, das Leben findet außerhalb des Zimmers statt. Der Vergleich passt nicht an jeder Stelle. Hotelzimmer sind eng und teuer. Das gilt für digitale Bloggerherbergen nicht. Sie sind gratis und Platz hast du dort jede Menge.
Wobei, gratis ist auch so eine Sache. Es ist mehr “Free to Play”. Du musst nichts bezahlen, aber wenn du erfolgreich sein willst, kommst du kaum ums Löhnen herum. Markus Pflugbeil schreibt: “Dann müssen nicht eure Leser dafür bezahlen, dass sie eure Inhalte zu sehen bekommen, sondern ihr müsst an Facebook bezahlen, dass eure Inhalte Leser bekommen.”
Profis winken ab
Als Profiblogger ist das wahrscheinlich eh nichts für dich, denn du kannst auf diesen Plattformen keine Werbung verkaufen. OK, das will und macht nicht jeder. Aber falls du es beabsichtigst, kannst du es gleich wieder vergessen.
Wer in solchen Angeboten aktiv wird, verfügt in der Regel über kein Backup seiner Inhalte. Sie eignet sich nicht zur Dokumentation.
Auch auf die Auffindbarkeit in Suchmaschinen hat man wenig Einfluss. Für Firmen ist es eher nichts, wenn man von Aktionen absieht. Ein Problem, das Kerstin Hoffman schon vor Jahren erkannte: Sichern Sie Ihre digitalen Unternehmenswerte.
Du musst damit leben, dass deine wertvollen Gedanken mit Werbung Dritter bestückt werden. Du hast zu keiner Zeit Einfluss darauf. Sofern es keine entsprechende Bezahloption gibt.
Außerdem weiss niemand von deiner Anwesenheit in dem Hotelzimmer. Du musst die deine Begleitung selbst mitbringen oder aus dem Haus gehen. Sprich, du nutzt deine Social Media Kanäle, um deine Artikel bekannt zu machen. Auf diesem Weg können diese sich dann verbreiten. Oder du schreibst Leute an, zeigst deine Arbeit und so weiter. Also auch nichts anderes als du ohnedies in deinem Blog machen würdest … Wobei Pulse, danke Einspeisung in einen Nachrichtenstrom besser abschneidet. Dort gibt es Leser, Kommentare können noch kommen.
Eines Tages in Unterhosen dastehen?
Im eigenen Blog übst du das Hausrecht aus und niemand sonst. Du bestimmst die Regeln. Bei Facebook bestimmt Facebook die Regeln. Logisch, oder? Darüber muss man nicht diskutieren. Schlimmer noch, die Dienste können ihr Angebot jederzeit einstellen. Dann stehst du buchstäblich auf der Straße, und zwar in Unterhosen. Klingt unwahrscheinlich? Einen Präzedenzfall aus dem Jahr 2013 gibt es bereits, die XING-Themen.
Man könnte auf die Idee kommen, zweigleisig zu fahren. Klar, das geht. Aber verwende keinen Text und kein visuelles Material doppelt. Wegen Google. Das Stichwort dazu ist Duplicate Content.
Wenn ein Text von Thema oder Stil her nicht in dein Blog passt, überlege besser, ob du ihm nicht als Gastblogger eine Heimat geben kannst, statt ihn bei Facebook und Konsorten abzuladen.
Um die Frage aus der Überschrift zu beantworten. Ja, man kann. Bloggen geht auch ohne Blog. Inzwischen ganz gut sogar. Aber wenn du dauerhaft ernste Absichten hast, solltest du es gar nicht erst anfangen und die Sache schon zu Beginn richtig machen. Behalte die Kontrolle und baue dir deine eigenen vier Wände! Du brauchst ein Hauptquartier, keine Untermiete. 40 deutschsprachige Artikel, die dein Blog unwiderstehlich erfolgreicher machen
Dieser Beitrag nimmt teil an der Blogparade Erfolgreich Bloggen ohne eigenes Blog? von Meike Leopold.