Bevor du beginnst, Designvorschläge zu skizzieren, solltest du klar herausarbeiten, was das Ziel der zu erstellenden Website ist. Dann kannst du dich gleich auf das Wesentliche konzentrieren.
Die Goldgräberjahre: Hauptsache schön, oder so schön es halt ging.
In den Neunzigern haben wir uns nicht primär mit Marketingfragen beschäftigt. Ich gebe es zu. Wir als Designer wollten eine schöne Website mit ein paar schicken optischen Prahlereien, die nicht jeder hatte, erstellen. Und der Kunde wollte das scheinbar ebenfalls, denn auch er beschäftigte sich nicht wirklich mit Aspekten aus dem Marketing. Die einzige relevante Fragestellung lautete: Was kostet das?
So konnten wir direkt nach dem Erstgespräch unseren Lieblings-Pixeleditor anwerfen und eine gute Handvoll unterschiedlicher grafischer Entwürfe bauen. Dabei achteten wir tatsächlich darauf, dass die Entwürfe deutlich unterschiedlich waren. Ein ganz besonders hässlicher war ebenfalls immer dabei. Denn die Verkaufspsychologie verrät, dass Menschen sich umso leichter entscheiden, umso krasser die Alternativen sind.
Neuzeit: Hauptsache schön hat immer noch nicht ausgedient
Das waren noch Zeiten. Wenn ich mich indes heutzutage im Netz umschaue, so habe ich den Eindruck, dass es eine nicht unbeträchtliche Zahl an Designern gibt, die immer noch genau nach diesem Ansatz verfahren. Dabei hat sich Webdesign in den letzten zwanzig Jahren in eine ganz andere Richtung entwickelt.
Andererseits ist es kein Wunder, dass immer noch so sehr auf Schönheit geschaut wird. Immerhin gibt es haufenweise Showcases, die sich mit ebensolchen Designs befassen. Welcher Designer schaut nicht mindestens gelegentlich bei SiteInspire oder Httpster oder wenigstens Dribbble vorbei?
Das Kriterium für die Aufnahme eines Designs in all diese Dienste ist niemals die Zielerreichung: „Schau mal, wieviel Umsatz mein Kunde mit dieser Seite gemacht hat.” Stets geht es nur um die Schönheit oder spezielle Aspekte, wie die Responsiveness eines Entwurfs.
Bei den Aberdutzenden Template- und Theme-Verkäufern und -Verschenkern im Netz geht es gleich um gar nichts anderes. Im Grunde geht es dabei nicht einmal um Schönheit. Manch einer ist da durchaus auf Umsatz fokussiert, aber nur, soweit es den Absatz des eigenen Themes betrifft.
Hauptsache schön oder ist die Zielerreichung nicht doch wichtiger?
Und so ist die Zielerreichung im Allgemeinen nur dann ein Kriterium, wenn wir es gezielt dazu machen. Der Haken an der Sache ist, dass wir, wenn wir die Zielerreichung zum Hauptkriterium machen wollen, sehr früh damit anfangen müssen. Mit „sehr früh” meine ich nicht, nach dem dritten Entwurf, sondern vor dem ersten.
Wenn du darüber nachdenkst, dann wird dir ziemlich schnell klar, dass das Design sich vollkommen dem definierten Ziel wird unterordnen müssen. Es ist nicht möglich, irgendeine Optik zu verbrechen und dann zu hoffen, dass damit das definierte Ziel erreicht werden wird.
Die erste Frage beim Design der neuen Website oder beim Redesign der alten, lautet: „Was will der Kunde mit seiner Website erreichen?”
Will er Produkte verkaufen? Will er LeserInnen generieren? Will er Abonnenten gewinnen? Will er über seine Aktivitäten informieren? Will er bloß unterhalten?
Was auch immer das genaue Ziel der Website ist, du musst es herausfinden. Nicht nur das Design an sich, auch die Inhalte hängen davon ab, was letzten Endes erreicht werden soll. Wie willst du einen Call-to-Action formulieren, wenn du die gewünschte Action nicht kennst?
Nicht jeder Kunde kennt seine eigenen Ziele
Erstaunlicherweise wirst du auf Kunden treffen, die du mit der Frage nach der Zielsetzung regelrecht überraschst. Darüber denken tatsächlich nicht wenige wirklich nicht nach. Umso wichtiger ist es, dass du diesen Prozess anstößt. Das ist auch zu deinem eigenen Besten. Denn nur ein Projekt, dessen Ziele definiert sind, kann sich hinterher an diesen Zielen messen lassen.
So kommst du aus dem subjektiven Empfinden des Kunden raus. Denn, wer kennt ihn hier nicht?
Selbst, wenn du den Eindruck hast, dass dein Kunde genau weiß, was er wie erreichen will, verlasse dich nicht alleine darauf. Führe deine eigenen Überlegungen durch und ins Feld. Durch intensives Nachdenken ist noch kein Schaden angerichtet worden. So positionierst du dich als Experte, der nicht nur schöne Layouts klöppeln kann.
Zudem ist es natürlich so, dass dein spezieller Blickwinkel auf das gegebene Problem, zu Aspekten führen kann, die die Betriebswirte im Kundenunternehmen gar nicht sehen konnten.
Stets ist das Erreichen des gewünschten Publikums eines der Ziele
Es spricht übrigens nichts dagegen, das allen Websites unterliegende Grundziel als Ausgangspunkt der Überlegungen zu nehmen. Jede Website will ein Unternehmen mit seinen Kunden, allgemeiner seinem Publikum, verbinden. Wie kannst du eben diese Verbindung am effektivsten herstellen?
Diese Frage kannst du nur beantworten, wenn du das Publikum kennst. Lass dir von deinem Kunden so genau wie möglich beschreiben, wie sein Publikum demografisch und in anderer Hinsicht strukturiert ist. Wer sind die Wettbewerber und wie gehen sie vor?
Am Ende des Prozesses steht die Projektdefinition. Was machen wir zu welchem Zweck wie? Wie stellen wir am Ende fest, ob wir das Ziel erreicht haben? Was ist Erfolg in diesem Kontext? Die Projektdefinition muss natürlich mit dem Kunden abgestimmt sein.
Designentscheidungen ergeben sich dann aus der Projektdefinition
Jetzt ist der Moment gekommen, ins Design einzusteigen. Dabei gilt es, gewonnene Erkenntnisse aus der Zielgruppenuntersuchung ganz konkret in Design umzusetzen. So könntest du etwa festgestellt haben, dass die Zielgruppe ausschließlich aus über Sechzigjährigen besteht. Es wäre nun sicherlich keine schlechte Idee, etwa einen besonders gut lesbaren Font mit erhöhter Schriftgröße zu wählen. Auch die Kontrastverhältnisse auf der Website verdienen besondere Beachtung.
Erst, wenn du weißt, wer letztlich die Website benutzen wird, kannst du darauf reagieren. Und nur, wenn du die avisierte Zielgruppe auch wirklich erreichst, kann der Kunde wiederum sein Ziel erreichen. Erst dann wird das Projekt zum Erfolg.
4 Antworten
Danke!
Das war schon vor 20 Jahren, die erste Frage, die man seinen Kunden stellte. Also so richtig modern ist das nicht.
In einem ausführlichen Briefing steht bei uns immer die Frage nach dem grundsätzlichen Nutzen an erster Stelle. Möchte der Kunde über die Website etwas verkaufen bzw. seine Dienstleistung anbieten oder geht es um die reine Nutzung als Webvisitenkarte. Es kommt hier auch immer ganz auf die Branche an – und ja es gibt Bereiche in denen hauptsächlich gutes und professionelles Webdesign ausschlaggebend ist und der Rest vom “Verkäufer” übernommen werden muss. In unsere Werbeagentur haben wir die Erfahrung gemacht, dass besonders im Versicherungs- und Geldanlagesektor bei regionalen Anbietern die Website häufig nur ein erster Einstieg in eine Geschäftsbeziehung sein kann, was aber ja nicht zuletzt auch ein Ziel ist. Bei Internetseiten, welche ganz klar zur Neukundengewinnung oder zum Produktverkauf erstellt werden sollen, muss die Zielerreichung die höchste Priorität haben. Die schönste Website hilft nichts, wenn sie in der Suchmaschine nicht gefunden wird und wenn die Ziele des Kunden nicht erreicht werden.
Wir stellen immer wieder fest, dass es dem Kunden in erster Linie nur um eine hübsch bunte (und nutzlose) Visitenkarte geht. Wie Du schon schreibst, interessiert den Kunden fast ausschließlich der Preis. Und jeder, der eine Webseite hat – und womöglich viel Geld für den Designer bezahlt hat – der meint, es sei doch alles in Ordnung. Dass ihm die Seite in all den Jahren nicht einen einzigen Kunden gebracht hat, dass interessiert dabei ja nicht. Auch das die Seiten fast immer so schlecht programmiert und optimiert sind, dass sie niemals in den Suchmaschinen gefunden werden können, scheinen viele Webseitenbesitzer völlig außer Acht zu lassen. Meiner Meinung nach kann bzw. sollte doch eine Webseite nur dazu dienen, neue Interessenten (also die Webseitenbesucher) in neue, zahlende Kunden zu verwandeln. Oder eben dazu, dass die Besucher die gewünschte Aktion ausführen, die der Betreiber der Webseite haben will. Sei es einen Anruf, eine E-Mail oder sonst irgendetwas. Und genau das bedenken die meisten Webdesigner leider auch in der heutigen Zeit immer noch nicht. Klasse Beitrag, vielleicht werden damit ja die Kollegen etwas wachgerüttelt 🙂