Auch im Zeitalter von Social Commerce gibt es eine Grundanforderung an Onlineshops, die nicht zu umgehen ist -sie müssen funktionieren. Experten warnen vor Experimenten, so lange die Hausaufgaben nicht gemacht sind.
Dr. Web: Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen guten Onlineshop aus?
Johannes Altmann, Shoplupe: Viele Shop-Betreiber integrieren zu viele Features, Angebote, Teaser und Grafiken und überladen den Shop damit. Die Übersicht geht verloren und der User findet den Shop zu kompliziert. Ein Shop sollte aber einfach, verständlich und leicht erlernbar sein.
Dr. Web: Wie wichtig ist die grafische Gestaltung? Sind deutsche Onlineshopper eher emotional oder eher funktional orientiert?
Altmann: Ein Shop muss professionell wirken. Das fängt beim Logo an. Viele Shops sind eher funktional orientiert, weil die Shopsysteme mit wenig Liebe zum Detail angepasst werden. So bleibt ein osCommerce immer ein osCommerce.
Dr. Web: Was hat sich aus Ihrer Sicht im eCommerce bewährt, wenn es um Multimedia geht (Flash, Video, Sound, Animation)?
Altmann: Kleine und mittelständische Shops, die wir beraten, raten wir von Multimedia-Integrationen ab. Der Basis-Shop soll funktionieren und der User alle Informationen bekommen, die er für eine Kaufentscheidung benötigt. Dabei gibt es noch viel zu tun im Bereich vollständige Produktbeschreibungen und aussagekräftige Abbildungen.
Dr. Web: Jakob Nielsen meinte in einer seiner letzten Kolumnen, der Einsatz von Web2-Elementen könne einem Shop schaden? Sehen Sie dafür Beispiele?
Altmann: Die Studien überschlagen sich, die Diskussion wird heiß geführt. Wenn ich heute auf Otto.de surfe, kann ich Produkte kommentieren. Mein Kommentar wird anschließend geprüft und vielleicht frei geschaltet. Wenn das Web 2.0 in Online-Shops ist, muss ich Jakob Nielsen Recht geben.
Dr. Web: Muss ein Shop heute ein soziales Element besitzen (Bewertungsfunktion)?
Altmann: Wir sehen es immer wieder, dass es bei manchen Shops funktioniert, bei anderen nicht. Bei Erotik-Shops funktionieren Produktbewertungen nicht, bei IT-Shops eher schon.
Dr. Web: Welcher der folgenden Technologien ist für Sie im eCommerce derzeit am spannendsten und warum?
Altmann: Die Suche ist eines der wichtigsten Elemente im Shop. Bei nahezu allen Shops haben wir Vorschläge zur Optimierung. TypeAhead macht eine Suche komfortabel und hilft bei der Kaufberatung.
Dr. Web: Der Syzygy-Reisemonitor vom Sommer 2007 zeigt eklatante Schwächen hinsichtlich der Usability von Sites wie TUI oder Alltours. Auch Arndt Groth mahnte jüngst an: „Wir müssen erstmal unsere Hausaufgaben machen“. Ist das Thema Usability-Testing im eCommerce immer noch nicht richtig angekommen?
Altmann: Was bewegt Shop-Betreiber? Das Ergebnis sehen sie in den wichtigsten Shop-Foren. Noch nie gab es eine Kategorie „Usability“. Diskutiert wird Suchmaschinenmarketing (SEM), Google-Tricks und Abmahnungen. Während die großen Onlineshops von Neckermann und Quelle mit den professionellen Usability-Labs zusammenarbeiten, machen wir bei den kleinen und mittelständischen Betreibern noch echte Basisarbeit.
Allerdings haben wir über das Thema SEM inzwischen einen guten Hebel entwickelt. Der Gewinn aus einer Kampagne bemisst sich ja aus dem generierten Gewinn abzüglich der Schaltungskosten. Wie können Kampagnen häufig viel erfolgreicher machen, wenn wir Shop und Landeseiten verbessern.
Dr. Web: Was sind die größten und häufigsten Usability-Fehler, die Ihnen in Ihrem Arbeitsalltag begegnen?
Altmann: Nahezu jeder Shop schwächelt bei der Produktsuche. Produkte oder ganze Kategorien werden nicht gefunden. (Siehe Interne Suche: Auch die Großen machen Fehler)
Eine zweite Schwachstelle ist die Anbieterkennzeichnung. Shops präsentieren sich meist absolut anonym. Ein Impressum und fertig.
Als Käufer in einem unbekannten Shop würde mich aber mehr interessieren. Ist es ein Fachhändler, kann ich ihm vertrauen, kann ich anrufen, usw.? Es fehlt häufig an Basisinformationen zur Vertrauensbildung.
Dr. Web: Stichwort Payment: Gibt es nach wie vor Vertrauensvorbehalte und Sicherheitsbedenken bezüglich Kreditkartenzahlung oder ist das Thema Payment eigentlich gelöst?
Altmann: Aktuelle Studien liegen mir nicht vor. Wenn ein Shop Kreditkartenzahlung anbietet, sind wir als Usability-Berater zufrieden. Wenn Shops nur Vorkasse und Nachnahme anbieten, sehe ich ein Problem in der Nutzerfreundlichkeit.
Dr. Web: Nennen Sie uns einen richtig guten und einen richtig schlechten Onlineshop.
Altmann: Richtig gut: www.hoerhelfer.de. Der ist sehr professionell gestaltet. Schauen Sie sich zum Beispiel mal die verschiedenen Argumente und Icons auf der linken Seite. Auch die Produktabbildungen sind gut. Man kann alle wichtigen Details erkennen.
Richtig schlecht sind viele IT-Shops, die innerhalb einer Stunde erstellt wurden. Das Problem unserer Kunden besteht häufig darin, dass sie fertige Shop-Lösungen einsetzen und diese nicht weit genug konfigurieren. Manchmal können erkannte Usabilty-Probleme im Shop gar nicht abgestellt werden, weil das vorgefertigte System das gar nicht ermöglicht.
Preisgekrönte Online-Shops
Das Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr, eine Initiative zur Förderung des Mittelstands, verlieh Anfang des Jahres den NEG-Award. Zu den Preisträgern gehören auch einige Online-Shops. ™
Wagner Sicherheit
Solider Shop mit einigen nachahmenswerten Details wie dem Erstkundenrabatt. 7000 Bestellungen jährlich.
Livingtools
Schön gestalteter Shop mit guten Produktabbildungen für die emotionale Ansprache.
stylesucks
Cooler Flash-Onlineshop, der bewusst mit einigen Regeln bricht, auch mit Usability-Regeln.
Werbeartikel Online Shop von CRIMEX GmbH
(Update 2015: nach Betreiberangaben unter anderer Adresse verfügbar, nicht mehr linkrelevant)
Musik Produktiv
Einer der größten Musikalienhändler Europas.
Canyon
Ein Shop der nächsten Generation: Top-Gestaltung und flüssige Navigation. Aber schlecht lesbarer Text.
Tixxa Family
Nettes Personalisierungsfeature zur Rechten (Kindsalter), das die Suchergebnisse filtert.
Medipolis
Versandapotheke mit intensiv betriebenem Vorschlagwesen.
Übersicht über alle Preisträger
Erstveröffentlichung 27.08.2008
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