Design Thinking heißt agiler werden, Innovationszyklen beschleunigen, sich stärker auf den Kunden ausrichten. Was passiert, wenn man das nicht tut, sieht man an Nokia, Kodak, Blackberry und anderen vormals erfolgreichen Playern.
Was ist Design Thinking?
Natürlich gibt es zu „Design Thinking” eine hochwissenschaftliche Erklärung. Aber keine Sorge, die bringe ich hier nicht. Ich will schließlich, dass du den Beitrag liest, ohne dabei in bleierne Müdigkeit zu verfallen.
„Design Thinking” ist, und ich bitte zu berücksichtigen, dass verständliche Erklärungen immer Vereinfachungen sind, ein Denkmodell, mit dessen Hilfe man Produkte und Dienstleistungen auf eine Art und Weise entwickelt, dass sie vom potentiellen Kunden gerne genutzt werden. Einfacher zu verstehen ist das, wenn wir uns mal kurz anschauen, wie Produkte herkömmlich entwickelt wurden.
Schauen wir mal in die Goldgräberzeiten der PC-Industrie zurück. Die breite Masse erreichten die Geräte in den Neunzigern des letzten Jahrtausends. Für die frisch auf dem heimischen Schreibtisch verorteten Computer bedurfte es nun geeigneter Software. Genommen wurde, was es halt gab. Auf Benutzerfreundlichkeit mussten die Entwickler nur rudimentär Rücksicht nehmen. Es gab eh keine Konkurrenz und wenn, dann arbeitete die auch nicht anders.
Absetzen vom Wettbewerb fand über Funktionalitäten statt. Bist du schon etwas älter, klingt sicherlich das Wort „Feature-War” noch in deinen Ohren. Immer mehr Features wurden in die Softwares gepackt. Am Ende waren die Programme tonnenschwere Boliden mit einem Feature-Set, das kaum noch einer wirklich brauchte – ein Overkill.
Mobile Geräte haben zur umgekehrten Entwicklung geführt. Hier ist es wichtig, kleine, leichte und einfach bedienbare Lösungen zu erschaffen. Das Design der Apps hat eine weitaus höhere Priorität als das Design konventioneller Software früher hatte. Dennoch ist es auch hier so, dass es Millionen von Wettbewerbern insgesamt gibt. Bezogen auf einzelne Produktkategorien wirst du immer noch Dutzende von Alternativen finden. Schau nur mal nach Todo-Apps.
Heutzutage funktioniert allerdings die Abgrenzung zur Konkurrenz über Features nicht mehr. Stattdessen erfolgt sie in zunehmendem Maße über das Design. Es ist inzwischen sogar typischerweise so, dass sich diejenigen Produkte durchsetzen, die das bessere Design aufweisen.
Dabei ist Design durchaus multidimensional zu verstehen. Gemeint ist hier nicht nur, aber auch die Optik. Design fängt aber viel früher an. Schon in der Phase, in der du über ein neues Produkt nachdenkst, es also quasi designst, gilt es, die richtigen Aspekte zu bedenken.
Falsch ist es, damit zu beginnen, was du dir vorstellen kannst, mit deinem Skillset zu leisten oder was dich besonders interessieren würde. Auf diese oder ähnliche Weise entstehen die meisten Me-Too-Apps, die dann gnadenlos versagen.
Design fängt sogar noch früher, nämlich bei der Bestimmung der Zielgruppe an. Welche Zielgruppe hat welches Problem? Wie löst sie das Problem jetzt und wie könntest du helfen, es besser zu lösen? Wenn sich diese einfachen Fragen Unternehmen in der Vergangenheit offensiver gestellt hätten, gäbe es so manches Unternehmen noch.
Dabei ist es wichtig, einmal getroffene Feststellungen ständig neu zu überprüfen. Hätten sich etwa Unternehmen wie Kodak oder Blackberry rechtzeitig auf veränderte Marktbedingungen, verändertes Kundenverhalten eingestellt, anstatt auf ihren sich überholenden Geschäftsmodellen zu beharren, stünde es heute nicht so schlecht um sie. Auch bei Nokia war man gut darin, die falschen Hebel umzulegen. (Die heutzutage unter dem Namen Nokia recht erfolgreich verkauften Smartphones haben übrigens mit der Firma Nokia mehr zu tun als du denken magst. Sie werden zwar unter Lizenz von HMD Global hergestellt. Eben dieses HMD Global indes, hat seine Firmenzentrale im finnischen Espoo direkt gegenüber der Nokia-Zentrale und ist mit ehemaligen Nokia-Führungskräften besetzt.)
Übrigens gibt es zum Konzept des „Design Thinking” mehr als ein Buch, sowie ganze Konferenzen und Studiengänge. Wer mir nun also vorwerfen will, ich hätte das Thema nicht erschöpfend behandelt, der hat Recht 🙂
Warum sollte mich das interessieren?
Hast du bis hierhin aufmerksam gelesen, dann ist dir sicherlich schon das eine oder andere Licht aufgegangen. Wenn du Produkte oder Dienstleistungen erstellst oder vertreibst, dann kann dir das Konzept des „Design Thinking” das Leben deutlich vereinfachen.
Nimm mal Apple als Beispiel. Die Produktpalette des Unternehmens ist extrem überschaubar. Die Stores haben Kultstatus, bestechen aber im Wesentlichen durch gähnende Leere. Die Hardware, speziell im mobilen Bereich, ist nicht bahnbrechend und das Featureset ist eher kleiner als bei Wettbewerbern aus anderen Lagern. Dennoch hat das Unternehmen eine marktbestimmende Position. Warum ist das so?
Die Produkte sind radikal einfach und genau darauf zugeschnitten, was die Designer bei Apple ihren Nutzern als Lösung anbieten wollen. Durch diesen radikalen Fokus sind die Geräte sehr einfach zu bedienen und bedürfen eines weit geringeren Einarbeitungsaufwands als die Geräte anderer Anbieter. Gleichzeitig sind sie aber nicht schlechter, obwohl sie teils weniger können. Wir erinnern uns an das Stichwort „Feature-War”?
Für deine eigene Tätigkeit kann diese Erkenntnis entlastend sein. Schau nicht darauf, was du alles machen könntest, sondern schau, was du machen solltest. Das nimmst du dann und setzt es so einfach, vor allem so kundenfreundlich wie möglich, um.
Amazon etwa dominiert den Markt nicht, weil es dort was anderes zu kaufen gibt als anderswo. Es dominiert, weil das Unternehmen den Kaufvorgang an sich so einfach macht, dass Kunden schon wegen dieser Simplizität gern zu Amazon gehen. Schlauerweise haben sie sich den Ein-Klick-Kauf schützen lassen.
Schau dir dein Umfeld also mal unter dem Gesichtspunkt des „Design Thinking” an. Wenn du nicht völlig unkreativ bist, werden dir mit Sicherheit schnell Ideen kommen. Wenn nicht, dann frag einfach deine Kunden. Die wissen mehr als sie zugeben.
Weiterführende Informationen
- Die Erfinder des „Design Thinking” | IDEO
- Nachlese zum Adobe Design Advantage Forum 2015 | Adobe
- Buch: „Change by Design” | Tim Brown
(Artikelbild: Depositphotos)
Eine Antwort
Hey Martin,
heute in meinem Xing-NL, jetzt sollte wir bei BMG die Fortsetzung des WS mit Ziel einer App-Entwicklung vorschlagen, oder 😉 ?