Nicht alle Selbstständigen in IT-Berufen und ähnliche Freelancer gehören einer Handels-, Handwerks- oder sonstigen Kammer an. Gegenüber zwangsverkammerten Gewerbetreibenden und Freiberuflern sparen sie dadurch aufs Jahr gesehen einige Hundert Euro. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie keine Kammerleistungen in Anspruch nehmen dürfen.
Kammern sind berufsständische Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sowohl staatliche Aufgaben und Hoheitsfunktionen bereitstellen als auch die Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen sollen. Neben den großen gewerblichen Kammern, nämlich
- den 80 Industrie- und Handelskammern,
- den 55 Handwerkskammern und den
- 10 Landwirtschaftskammern
gibt es zahlreiche Freiberuflerkammern, etwa für Rechtsanwälte, Architekten, Steuerberater, Ärzte und Apotheker. Zum Leidwesen von Millionen Gewerbetreibenden und Freiberuflern ist die Mitgliedschaft anders als bei Berufsverbänden oder Gewerkschaften nicht freiwillig: Die Anmeldung eines Betriebes beim Gewerbe- oder Finanzamt wird in der Regel automatisch der zuständigen Kammer mitgeteilt. Der fällige Beitragsbescheid lässt dann erfahrungsgemäß nicht lange auf sich warten.
Teurer Kammerzwang
Die Pflichtmitgliedschaft geht mit zum Teil beträchtlichen Jahresbeiträgen einher, die sich in der Regel aus einem Grundbeitrag und einer gewinnabhängigen Umlage zusammensetzen. Die genaue Höhe ihrer Beiträge dürfen die Kammern selbst festlegen. Je nach Unternehmensgröße liegt die jährliche Belastung zwischen unter 100 Euro bis zu mehreren Tausend Euro. Kleinstbetriebe sind mancherorts von der Beitragszahlung ausgenommen. Auch Gründer kommen in den ersten Jahren oft ungeschoren davon.
Die Argumente von Kammerkritikern wie dem Bundesverband für freie Kammern e.V. gegen die Zwangsmitgliedschaft klingen einleuchtend: Der direkte persönliche Nutzen der Kammerleistungen steht demnach in keinem Verhältnis zur Höhe der Beiträge. Die von den Kammern angeführte Wahrnehmung staatlicher Aufgaben rechtfertige erst recht keine separaten Gebühren: Dafür bezahlten die Selbstständigen und Unternehmen schließlich Steuern – und das nicht zu knapp. Eine Rechtfertigung für einen weitgehenden Eingriff in die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte sei das jedenfalls nicht. Die von den Kammern angehäuften Rücklagen zeigten zudem, dass die Beiträge unverhältnismäßig hoch seien.
Freiberufler ohne Kammerzwang
Es gibt aber auch eine große Zahl von Freiberufler, die nicht Zwangsmitglied einer Kammer sind – darunter zum Beispiel Berater, manche Ingenieure, Künstler, Texter, Programmierer und andere “neue” Selbstständige aus der Informations- und Kommunikationsbranche. Die nicht-verkammerten Selbstständigen haben erfahrungsgemäß große Berührungsängste gegenüber den Kammern – sei es aus Angst davor, doch noch Mitglied wider Willen zu werden oder auch aus Unwissenheit über das Leistungsspektrum.
Bei aller Skepsis gegenüber den Handels- und Handwerkskammern: Es ist keineswegs so, als hätten sie neben den meist gebührenfreien Beratungen und Gutachten für Existenzgründer überhaupt nichts zu bieten. Im Gegenteil: Das Servicespektrum ist sogar recht breit.
Großes Auskunftsspektrum
So bekommen Sie dort zum Beispiel Auskünfte und Beratungen zum …
- Steuerrecht,
- Arbeitsrecht,
- Handels- und Gewerberecht,
- zu regionalen Markt- und Branchendaten,
- über Fördermittel oder auch
- zu den Vorschriften bei grenzüberschreitenden Lieferungen und Leistungen.
Mindestens ebenso wichtig: Die Leistungen können nicht nur von Mitgliedern in Anspruch genommen werden, sondern stehen grundsätzlich der Öffentlichkeit zur Verfügung. Wenn Sie in Ermangelung eines Rechtsanwalts, eines Steuer- oder Unternehmensberaters auf ein rechtliches, steuerliches oder betriebswirtschaftliches Problem stoßen, rufen Sie einfach die örtliche Handels- oder Handwerkskammer an.
Bitte beachten Sie: Nicht immer dürfen Sie mit neutralen Auskünften rechnen. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn es um politisch strittige Sachverhalte geht. So sind Handwerker, die sich ohne Meisterbrief in einem zulassungsbeschränkten Beruf selbstständig machen wollen, bei der Handwerkskammer an der falschen Adresse.
Auch sonst sind die offiziellen Kammerauskünfte nicht das Amen in der Kirche – oft jedoch zuverlässiger als die Informationen, die auf dubiosen Internetseiten und in Online-Foren zu lesen sind. Auch wenn die Kammermitarbeiter nicht auf Anhieb eine passende Antwort parat haben, können sie doch zumindest mit Orientierungswissen weiterhelfen oder auf passende Ansprechpartner verweisen.
Keine Kontrolle der Mitgliedschaft
Keine Sorge: Wenn Sie Kontakt zu einer Kammer aufnehmen, werden Sie nicht als Erstes nach Ihrer Mitgliedsnummer gefragt werden und müssen auch nicht nachweisen, dass Sie Ihre Beiträge ordnungsgemäß abgeführt haben. Die Aufgeschlossenheit und das Entgegenkommen vieler Kammern sind nicht zuletzt auf die lautstarken Kammerkritiker zurückzuführen: Je mehr Druck die machen, desto stärker geraten die Kammern in die Defensive und Erklärungszwänge. Die Folge sind mancherorts spürbar verbesserte Dienstleistungen – auch für Nichtmitglieder. Um nicht noch mehr Kritik von den zahlenden Mitgliedern zu ernten, hängen die Kammern das aber nicht an die große Glocke. Welche Angebote Ihre Handels-, Handwerks- oder Freiberuflerkammer vor Ort macht, erfahren Sie auf deren Website (Links s.u.).
Fazit
Lassen Sie die Kammern nicht links liegen: Nehmen Sie die Beratungs- und Serviceangebote ruhig in Anspruch – auch wenn Sie keine Beiträge zahlen. Fragen kostet nichts. Viele IHK- und HWK-Mitarbeiter sind besser als ihr Ruf – manche sogar ausgesprochen hilfsbereit und kompetent.
Links zum Thema:
- Eine Liste der “Nichtverkammerten Freien Berufe” und ihrer (freiwilligen) berufsständischen Organisationen stellt der Bundesverband der Freien Berufe zum Download bereit (PDF, 24 KB).
- Eine Liste mit Links zu den wichtigsten Freiberufler-Kammern finden Sie im Wikipedia-Artikel “Berufsständische Körperschaft“.
- Die für Sie zustände Industrie- und Handelskammer ermitteln Sie über den IHK-Finder auf der Website des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).
- Beim Zentralverband des deutschen Handwerks gibt es eine Deutschlandkarte mit den Handwerkskammern vor Ort.
- Beim ZDH finden Sie sogar eine Leitstelle für freiberufliche Beratung.
- Die Kammerkritiker sind im Bundesverband für freie Kammern e.V. zusammengeschlossen. Der Verband veröffentlicht den monatlich erscheinenden Mitgliederrundbrief “Kammerjäger”.
- Das Dokumentationszentrum “Kammerzwang und -Unrecht” liefert unter kammerwatch.de laufend Meldungen über “Verschwendung, Selbstbedienung und Korruption in deutschen IHKn und HWKn”.
- Für “mehr Transparenz und mehr Demokratie” setzt sich “IHK-Reform e. V.” ein.