Es gibt wohl kaum einen Bereich, der sich so schnell weiterentwickelt, wie die Programmierung von Webseiten und Internetauftritten. Wer als Webdesigner einen Auftrag erhält, wird daher immer nach Inspirationen suchen, und gewisse Effekte, Strukturen oder Skripte übernehmen. Dies führt naturgemäß dazu, dass fast jeder Mediengestalter irgendwann über eine mehr oder weniger identische Kopie einer eigenen Kreation stolpert. Die Fragen nach dem urheberrechtlichen Schutz von solchen Werken kann derzeit weder von Laien noch von auf Medienrecht spezialisierten Anwälten zuverlässig und eindeutig beantwortet werden. Ein Überblick über die Thematik kann als erste Anleitung dienen und viel Ärger ersparen.
Homepage als Werk im Sinne des Urhebergesetzes (UrhG)
Grundsätzlich ist eine Homepage als fertiges, sichtbares Produkt nicht unmittelbar dem Urheberschutz unterstellt. Dies liegt daran, dass das Urhebergesetz (UrhG) nur solche Werke schütz, die auf einer persönlichen geistigen Schöpfung beruhen.
Eine Internetseite ist demgegenüber nur ein abstraktes Produkt mehrerer (eventuell geschützter) Zeichen, die durch einen Browser zusammengefügt, sichtbar gemacht werden. Ob die der Homepage zugrunde liegenden Quellecodes als Datenbanken Schutz genießen ist hiervon unabhängig nach § 4 Abs.2 UrhG zu beurteilen. Dieses Zusammenspiel zwischen Quellcode, Darstellung und Effekt führt im Wesentlichen zu den aktuellen Schwierigkeiten bei der Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzumfangs bei Webseiten.
Die Homepage als Computerprogramm nach § 69 a UrhG
Die sich aufdrängende Alternative eine Homepage dem Schutz des UrhG zu unterstellen, ist daher sie als das anzusehen, was sie aufgrund ihrer funktionalen Herkunft ist: ein Computerprogramm.
Ein solches ist ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen worden. Die bislang doch eher seltene Rechtsprechung zu dem Thema hat dies allerdings anders gesehen. So hat das Oberlandesgericht Rostock mit Urteil vom 27. Juni 2007 (Az. 2 W 12/07) festgestellt, dass eine „HTML-Site“ zwar eine in sich abgeschlossene Einheit von Befehlen in der HTML-Sprache („Tags“) sei; Andererseits komme ihr lediglich eine beschreibende Funktion zu, da sie lediglich dazu diene dem Browser die Darstellung der Inhalte zu ermöglichen. Ihr fehle damit die Ausdrucksform des originären HTML-Codes, welcher in der Homepage lediglich eine dienende, beschreibende Funktion einnehme.
Die Homepage als Sprachwerk nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UrhG
Eine weitere Möglichkeit urheberrechtlichen Schutz für Webseiten zu beanspruchen, besteht in der Heranziehung ihrer sprachlichen und textlichen Elemente. Hier hat ebenfalls das OLG Rostock entschieden und festgestellt, dass jedenfalls solche Homepages unter den Schutz von Sprachwerken nach § 2 Abs.2 Nr.1 UrhG fallen, die suchmaschinenoptimiert erstellt und dadurch eine besondere Schöpfungshöhe aufweisen. Die Benutzung von Meta-Tags führe nämlich dazu, dass Suchmaschinen die Internetseite in ihren Ergebnislisten in Spitzenpositionen aufführten. Die hierzu notwendige sprachliche Ausfüllung in Text, Meta-Keywords und Beschreibung erfordere besondere Kenntnisse, die die hinreichende urheberrechtliche Schöpfungshöhe erreiche ( OLG Rostock, Az. 2 W 12/07).
Die Homepage als Werk der angewandten Kunst oder als Multimediawerk
Möglich, wenn auch bislang von der Rechtsprechung nie angenommen, wäre es eine besonders aufwändige, auch künstlerisch auffällige Webseite als ein Werk der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) oder als Multimediawerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 2. Alt. UrhG) anzusehen. Denn für den Betrachter dürfte es heute keinen Unterschied mehr machen, ob ein Kunstwerk auf Papier, als begehbares Kunstobjekt („Installation“) oder eben in Form einer Webseite, die ich virtuelle betreten kann.
Nach der Rechtsprechung des Landgerichts München wird dies in den meisten Fällen jedoch nicht anerkannt werden, da die Gerichte hier offenbar davon ausgehen, dass die Gestaltung der Webseiten nicht über das hinausgehe, was bei ordnungsgemäßer Erstellung eines Werbeauftritts im Internet handwerklich zu leisten ist. In einfachen Worten heisst dies: Die Erstellung einer Webseite ist keine Kunst. Wenn der Gestalter nicht wesentlich verschiedene oder neuartige Methoden zur Gestaltung seiner Seite verwendet, kann er somit auch nicht über die Schwelle des technisch Üblichen hinauskommen. Nur wenn der Designer Handgriffe anlegt, die ein durchschnittlicher Webdesigner nicht beherrscht, kann er die Grenze zu einer Werk der angewandten Kunst oder einem Multimediawerk überschreiten.
Dass diese Formel schon deswegen nicht hilfreich ist, weil sich die technische Weiterentwicklung im Bereich Webdesign monatlich, ja täglich vollzieht, dürfte offensichtlich sein. In der Regel wird man daher eine Homepage nicht als derartige Werke ansehen können.
Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz von Webseiten
Einen ergänzenden Schutz gegen Design- oder Contentklau kann sich aber auch aus wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen ergeben, sofern die Webseite nicht über die erforderliche künstlerische Schöpfungshöhe verfügt.
So entschied etwa das Landgericht Köln in seinem Urteil vom 20.07.2007 (Az. 28 O 798/04), dass die Übernahme von fremdem Content unter dem Gesichtpunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes unzulässig sein kann, auch wenn die übernommenen Texte und Werbebanner mangels Schöpfungshöhe nicht urheberrechtlich geschützt sind. Dies setzt freilich ein Erzeugnis voraus, dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte einzelne Merkmale geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder auf seine Besonderheiten hinzuweisen.
Das bedeutet: wenn ein Wettbewerber („geschäftlicher Bereich“) ein prägendes Design, die charakteristischen Slogans oder auffallende Werbebanner derart übernimmt, dass der 0815-Internetuser von einer Identität des Seiteninhabers ausgeht, ist kann ein Unterlassungsanspruch gegeben sein.
Fazit
Webseiten sind grundsätzlich dem urheberrechtlichen Schutz zugänglich. Im Gegensatz zu herkömmlichen Werken der Literatur, oder bildenden Kunst, wird hier die erforderliche Schöpfungshöhe nur in seltenen Fällen angenommen. Offensichtlich beruht diese Auffassung auf einer Verkennung der für das Webdesign notwendigen Fertigkeiten. Folglich kann urheberrechtlicher Schutz für eine Webseite erst dann beansprucht werden, wenn deren Gestaltung einen besonderen Wiedererkennungswert aufweist, etwa durch dessen Layout, Farbgebung oder textliche Gestaltung. Auch scheint die Rechtsprechung zumindest der suchmaschinenoptimierenden Gestaltung von Homepages urheberrechtlichen Wert zuzuerkennen.
Zusammengefasst gelten folgende 5 Maximen, an die sich jeder Webdesigner halten sollte:
1. Das was technisch auch ein Jedermann kann, ist nicht schützfähig.
2. Suchmaschinenoptimierte Internet-Auftritte sind regelmäßig urheberrechtlich geschützt
3. Inhalte (Fotos, Grafiken, Animationen, Tabellen, Texte) sind losgelöst von dem Schutz der gesamten Homepage schutzfähig.
4. Das reine Design (Liniengebung, Layout, Farbe, Struktur) ist als solches nur dann geschützt, wenn besonders individuelle und prägende Faktoren hinzutreten.
5. Unveränderte Übernahmen sollten möglichst unterbleiben, da jedenfalls im geschäftlichen Bereich wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bestehen können.
16 Antworten
Auch wenn die Gestaltung einer Internetseite nicht die Schöpfungshöhe, die das Urheberrechtsgesetz fordert, erreicht, kommt ein Schutz in Frage. Das Design einer Website kann auch über das europäische Geschmacksmusterrecht (GGV) gesichert sein. Die Gestaltung der Seite muss auch nicht als Geschmacksmuster eingetragen sein. Die Schutzzeit läuft dann allerdings nur über drei Jahre (Artikel 11 GGV). Dies erklärte auf jeden Fall das LG Düsseldorf.
Danke für diesen ausführlichen und klaren Artikel! Er hat mir sehr geholfen.
Danke für die gute Zusammenfassung. Zu Pkt. 1 und 4 bleiben bei mir jedoch Fragen offen:
zu 1. Wie wird die technische Range eines Jedermanns definiert ?
Grundsätzlich kann sich doch jedermann die notwendigen Kenntnisse aneignen.
zu 4. Können die individuellen und prägenden Faktoren eingegrenzt werden ?
Danke im voraus für die Fortführung dieses Artikels.
LG Zahnaerztin Kreuzberg
Vielen Dank für diesen interessanten Artikel.
Zeigt er doch ein weiteres mal, das wir uns in einem Dschungel befinden. Jeder Zeit kann die Falle zuschnappen, oder man wird vom Tiger gefressen!
Der Artikel zeigt auch gut, so finde ich, das es die Juristen (und die Politiker und alle überhaupt) sehr schwer haben, der Entwicklung im weltweiten Netz zu folgen – eigentlich haben sie keine Chance.
Ist das gut oder schlecht?
Der Beitrag ist schön geschrieben (Danke!) aber er bestätigt mich nur erneut darin, dass man im Zweifel lieber einen Anwalt aufsucht der einem dann eine individuelle Beratung bietet.
Das Thema ist zu breit gefächert als das es vollständig in einem Beitrag abgehandelt werden könnte und die Kommentare zeigen dies, besonders die Ergänzung im Kommentar #9. 🙂
@ Ralf
Auch bloße Ansammlungen von Daten können als Datenbanken urheberrechtlichen Schutz genießen, sofern deren Zusammenstellung eine individuelle und geistige Auseinandersetzung des Urhebers voraussetzen, die zu einer etwa historischen oder sonst wie gegliederten Anordnung führen.
Daher kann auch die bloße Übernahme von Kino-Programmen ein Eingriff in das Urheberrecht des Betreibers darstellen. Fraglich ist immer, ob sich jemand daran stört, da offensichtlich der Zweck (Bekanntheit in der Öffentlichkeit) dadurch gefördert wird.
MfG
AFP
Vielen Dank für den Beitrag Herr Alessandro Foderà-Pierangeli.
Mir wurde erst am Ende klar, dass es nicht um das Urheberrecht einer Homepage, Website oder einer Internetseite geht, sondern vor allem um das Webdesign, mit dem das entsprechende Angebot gestaltet ist. Zusammengefasst: Webdesign ist nur geschützt, wenn es besonders innovativ und kreativ ist?
Eine Website besteht aber nicht nur aus Webdesign, sondern auch aus Webinhalt, meist in der Form von Text. Text hat aber schnell eine urheberechtsrelevante Gestaltungshöhe, insbesondere dann, wenn er veröffentlicht wird.
Interessant sind die vielen Beispiele, die Sie zu den Sichtweisen einzelner Gerichte geben. So soll die Suchmaschinenoptimierung ein besonderes Indiz für Schöpfungshöhe sein. Dumm nur, dass die Vorstellung von Suchmaschinenoptimierung noch aus einer Zeit zu sein scheinen, als man hierfür vor allem Meta-Angaben einsetzte. Das ist längst vorbei.
Sinnvoll für die Bewertung des Urheberrechts scheint mir nur zu sein, dass die Website als Ganzes gesehen wird. Wenn Teile dieses Ganzen erkennbar kopiert oder nachgeahmt werden und nicht einmal die Quellen hierfür benannt sind, dann sollte dies als Ansatz gesehen werden, um eine Urheberrechtsverletzung benennen zu können. Ob die Gerichte allerdings jemals soweit kommen werden, hierfür klare Kriterien zu benennen, das würde ich doch bezweifeln.
Rainer Meyer
Wie verhält sich das, wenn allgemein zugängliche Infos kopiert werden? Ein Beispiel: eine Webseite informiert umfangreich und zentral über Kinosääle in Deutschland. Anfahrt, Sitzplatz-Kapazität, etc.
Diese Informationen stammen von den Seiten der einzelnen Kinobetreiber.
Kann denn das „gesammelte“ Werk kopiert und auf einer anderen Webseite präsentiert werden?? Woher soll der Betreiber der Seite wissen, dass die Texte von seiner Seite stammen und nicht ebenfalls händisch eingesammelt wurden?
@ UWE
Die Bedenken sind unnötig, es handelt sich um eine begfriffliche Ungenauigkeit meinerseits. Der Artikel bezieht sich selbstverständlich auch auf Folge- und Unterseiten.
Danke für die Info. Das hilft mir sehr weiter.
Das ist alles bestimmt super recherchiert; mich verunsichert dass der Jurist stets von „Homepage“ anstatt „Website“ spricht.
Ich dachte Juristen nehmen alles so genau; meint er wirklich nur die Homepage/Frontpage oder bezieht sich der Artikel schon auf alle Seiten der Website?
Ja das ist wirklich komisch und kann falsch verstanden werden. Eine kleine Nachbesserung oder ein Update wären hilfreich.
Wieder ein sehr guter und aufklärender Artikel.
Alle Webworker halten sich beim layouten an Standards, die nicht von ihnen erfunden wurden.
Oder sollte ich besser sagen, sie sollten sich daran halten?… Es gibt leider noch allzuviele Negativbeispiele.
Jedenfalls ist es klar, dass es dafür kein Copyright gibt.
Und HTML ist ja auch keine Programmiersprache.
Bei selbst programmiertem Javascript sieht die Sache anders aus.
Auch alle selbst erstellten Fotos, Audiodateien, Videodateien und (vor allem) Texte sollten automatisch geschützt sein. Ich finde, das ist selbstverständlich.
Jeder „Raub“ solcher Dinge sollte auch entsprechend verfolgt werden.
Inspiration gut gemachter Seiten und Texte ist okay, aber klauen ist einfach schäbig. Und das gilt meiner Meinung nach auch für eine 1:1 Kopie eines selbst einfachen Designs.
So einfach ist das. Dafür alleine brauche ich noch keine der vielen Paragraphen und Anwälte. Erst wenn es an das Verfolgen nachweislichen Diebstahles und 1:1 Kopien geht, dann braucht man sie.
Aber seriöse Webworker lassen es erst gar nicht so weit kommen.
Eine Website ist kein Programm, enthält aber Elemente davon. Kaum eine Website kommt heute ohne JS aus. Im Übrigen wird auch HTML-Code geschrieben und interpretiert – gerendert. Wenn man jede Website als Webanwendung versteht – es werden Daten ausgetauscht, oft gespeichert usw. – ist der interpretierte Code aus HTML und CSS nichts anderes als eine GUI. Und die GUI eines Programms ist eindeutig urheberrechtlich geschützt. Alles nur Konstrukt, aber so denken halt Juristen.
Sehr interessant, auch wenn ich verschiedenen Überlegungen nicht ganz folgen will. Eine Homepage ist kein Computerprogramm, ebensowenig wie HTML eine Programmiersprache ist. Gerade der einer Homepage oft zugrunde liegende echte Programmcode ist zwar natürlich auch urheberrechtlich geschützt, bedarf dieses rechtlichen Schutzes mangels möglicher Einsicht und damit verbundener Klau-Möglichkeit aber viel weniger. Ich glaube nicht, daß das von rechtsprechenden Juristen, die sich an irgendwelchen für sie gerade noch verständlichen Meta-Tags aufhängen, verstanden oder gar entsprechend gewürdigt wird…
Sehr wertvoller Beitrag der so einige Fragen bei mir geklärt hat. Vielen Dank für diesen fundierten Bericht.
Gruß,
Andreas