Die Nervosität steigt. Kaum ein Surfgang in den Weiten des Netzes ist noch möglich, ohne dabei über Werbung eines der großen Homepage-Baukastenanbieter zu stolpern. „Do it yourself” ist schwer im Kommen, so scheint es. Sterben Webdesigner aus?
Ganz zu Beginn, die Antwort
Die Frage danach, ob der Beruf des Webdesigners in absehbarer Zeit aussterben wird, lässt sich mit einem klaren Ja und einem klaren Nein beantworten. Es ist ein bisschen wie bei Radio Eriwan. Es kommt darauf an. Es kommt nämlich darauf an, wie man den Beruf definiert.
Webdesign Anno Tuck
In der Vergangenheit war Webdesign schon deshalb eine Goldgrube, weil es kaum jemanden gab, der es tat. Schön war auch, dass es keinen Ausbildungsberuf gab und gibt, so dass sich jeder einfach Webdesigner nennen konnte (und kann). Es dauerte daher nicht lang, da hatten sich gelernte Köche, Ausbildungsabbrecher und dreizehnjährige Gymnasiasten zu Webdesignern erklärt und bauten die ersten, aus heutiger Sicht, fürchterlichen Bretterbuden des Internet zusammen.
Mit der Zeit verfeinerte sich das grafische Skillset vieler, wenn auch nicht aller Marktteilnehmer, und Web-Kompetenzen fanden Einzug in Studium und Ausbildung. Eine Professionalisierung setzte ein.
Mit dem Start der Web-Programmierung wiederum begann die Appisierung des Netzes. Von nun an mussten Websites nicht mehr nur gut aussehen, sie mussten auch allerlei können. Content Management Systeme, wie etwa WordPress, traten an, um die Inhalteverwaltung im Netz für jedermann zugänglich zu machen.
Erstaunlicherweise griff die Webdesignerzunft das Thema CMS jedoch eher unter dem Aspekt der Theme-Entwicklung auf und ruckzuck entstand eine unüberschaubare Zahl schicker und weniger schicker Mäntelchen, die der geneigte Kunde seinem CMS umwerfen konnte.
Schicke Mäntelchen erfreuten sich großer Beliebtheit und tun das bis heute. Manch einer kann gut davon leben, ein solches Schneiderlein zu sein, die Mehrzahl nicht.
Der Aufstieg der Baukasten-Systeme
Für all jene, die sich mit der Technik eines CMS nicht auseinandersetzen wollen oder können, aber auch nicht bereit sind, einen Webdesigner zu beauftragen, entstand die Industrie der Homepage-Baukästen. Deren Fähigkeiten wuchsen schnell. So können Website-Builder heutzutage mit Features aufwarten, die kaum noch Wünsche offen lassen.
Auch die Code-Qualität hat sich von grottenschlecht zu top gewandelt; nicht bei jedem, aber bei den führenden Baukasten-Systemen. Die Codequalität ist sogar teilweise so gut, dass sie ein Handcoder nicht mehr verbessern könnte. Ach, du Schreck.
Vom Design her, soweit wir darunter Schönheit im Ausdruck verstehen, gibt es an Baukasten-Websites ebenfalls nichts mehr zu kritisieren. Da sich Websites optisch ohnehin immer mehr aneinander angleichen, ist über das Design, die Gestaltung kaum noch eine darstellbare Abgrenzung möglich.
Das erschreckt einen Gutteil der Zunft. „Wenn der Kunde über einen Baukasten eine ebenso schöne Website, wie ich sie ihm bauen würde, viel billiger erhalten kann, wieso sollte er mich dann noch beauftragen?” Das ist auf den ersten Blick eine berechtigte Frage.
„Ach, da musst du einfach Zusatzleistungen anbieten,” sagen manche und meinen damit das technische Hosting, also das klassische Webmastertum. Immer mehr setzen auch auf die Suchmaschinenoptimierung als für jeden Kunden wichtige Dienstleistung. Andere wiederum spezialisieren sich auf eine Programmiersprache, mit der sie dem Kunden quasi jeden programmlogischen Wunsch von den Augen ablesen können. Immer weniger versuchen den Kunden davon zu überzeugen, dass doch noch immer ein Maßanzug besser als ein Anzug von der Stange ist. Und immer weniger Kunden glauben das.
All diesen Webdesignern ist eines gemein. Sie sehen Webdesign als eine gestalterische und technische Aufgabenstellung. Webdesigner, die so denken, werden vom Markt verschwinden. Ja, die sterben aus.
Des Kaisers neue Kleider
Lass mich dir an dieser Stelle eine Frage stellen: „Was glaubst du? Wird der Maier aus der Poststelle, wenn ich ihm den gleichen Anzug kaufe wie unserem Topverkäufer Schmidt aus dem Vertrieb, ein ebenso guter Verkäufer werden wie der Schmidt?”
Du denkst vielleicht, das wäre eine dumme Frage, und du hast Recht. Und wenn du das erkennst, dann hast du auch erkannt, wo der Beurteilungsfehler im Verhältnis Webdesigner zu Baukastensystem liegt. Glaubst du, dein Kunde will ein schönes Mäntelchen für seine Website und dazu ein paar SEO-Tricks nebst zuverlässigem Hosting?
Natürlich will er das, aber es ist nicht sein primäres Ziel. Bei den allermeisten Kunden wird doch das Ziel der Website darin bestehen, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Klar kann unser Topverkäufer Schmidt nicht nackig zu den Kunden gehen. Er braucht schon einen repräsentativen Anzug, aber viel wichtiger sind und bleiben seine Fähigkeiten als Verkäufer.
Kein Homepage-Baukasten und auch kein CMS setzt an diesem Punkt an. Sie sind in der Lage eine Struktur und eine Optik zu bieten, aber das war es. Du als Designer bist es, der aus dieser Grundmasse, diesem Teig, ein Produkt, einen Kuchen backen kann, der sich verkaufen lässt. Verkaufen geht damals wie heute mit Worten und mit Bildern.
Weg von the Roots
Betrachte daher deinen Designjob weitaus raumgreifender. Natürlich musst du eine technisch zuverlässige, optisch ansprechende Grundumgebung schaffen. Aber, um die Ziele deiner Kunden zu erreichen, musst du in erster Linie deren Marketing unterstützen.
Es ist daher wohl nicht übertrieben, zu behaupten, die Zukunft des Designers läge in den Worten. Moderne Websites erzählen Geschichten von Produkten und Dienstleistungen und Personen, die diese Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Mit Blick auf den Designer der Zukunft würde ich daher sagen: „Wer schreibt, der bleibt.”
Aufgrund der tendenziellen Gleichförmigkeit moderner Websites kommt dem UX-Design steigende Bedeutung zu. Der Weg des Kunden durch die Website muss bestmöglich ausgeschildert und gepflastert sein. Ein Kauf muss sich natürlich anfühlen und schnell und reibungsfrei ablaufen. Microinteractions, also Mikrointeraktionen, sind wichtiger als je zuvor. Schau dir verschiedene Apps mit gleichem Zweck an. Am beliebtesten ist stets diejenige App, die den zu erledigenden Task so angenehm und einfach wie möglich erledigt.
Individualisieren kannst du Websites mit Bildern, Illustrationen, Worten, Videos und besonders durchdachten UX-Features, wie den eben genannten Microinteractions. Über all diese Aspekte kannst du dich von Homepage-Baukästen, egal wie großartig die ansonsten sein mögen, absetzen.
Der Rahmen, innerhalb dessen du das alles tust, ist eine zeitgemäße Website. Egal, wer die zur Verfügung stellt. Wenn du deinen Job so definierst, wirst du nicht zu jenen gehören, die vom Aussterben bedroht sind.
21 Antworten
Nur weil jeder ne 12MP + Kamera in seinem Handy hat, stirbt noch längst nicht der Job des Fotografen aus. Der Markt verändert sich und die Spreu trennt sich vom Weizen. Das passiert auch in anderen Branchen.
Ich bin (war) Fotograf. Der Beruf hat eine eklatante Ausdünnung erlebt, viele professionelle Studios gibt es nicht mehr. Das ist so und so wird es auch dem Erstellen von Websites sein. Das kann keiner aufhalten, wir fahren ja auch nicht mehr mit der Pferdedroschke …
Das ist auch nicht wegzudiskutieren. 🙂 Allerdings bilden sich neue Wege und eben mehr Fokus auf den Weg der Qualität. Mehr potenzielle Fotografen, bedeutet ja im Umkehrschluss auch, mehr Bildungsbedarf, was man am exorbitanten Zuwachs an Onlinekursen etc. ja sieht.
Da gebe ich dir recht, nur das erstellen einer Website (technisch/gestalterisch) reicht nicht aus.
Meine Kunden fragen dann noch weiteres an, wie Bildbearbeitung, anpassen, Gestaltung der Bilder (zum Glück habe ich die gewünschten Kenntnisse in Inkscape), Anpassung und seit kurzem auch ob ich WebApps programmieren kann.
Heißt, bei mir ist es notwendig verschiedene Sachen aus einer Hand zu bieten. Die Qualität muss jeder selbst einschätzen, ob man das selbst in der gelieferten Qualität haben wollen würde. Wo ich auch angesprochen wurde ob zusätzlich auch Videobearbeitung kann, habe ich ganz klar nein gesagt, das ich dafür der Falsche Mann bin.
Der Kunde wünscht sich möglichst viel aus einer Hand und kein Chaos oder unnötiges Rechnung schreiben etc.
Nur eins anbieten, wie zb. WordPress einrichten, da ist man ein Sandkorn auf einem Strand. Je mehr man kann, desto besser ist es, da man Zusatz Leistungen anbieten kann.
Interessanter Artikel, Danke. Vor ca. 35 Jahren musste ich mir anhören: Was Du lernst Schriftsetzer? Der Beruf (damals noch Bleisatz) stirbt doch aus! Nein, er veränderte sich nur permanent. Diesen Veränderungen muss man eben folgen (Bleisatz > Fotosatz > DTP > Webentwicklung…) und zusätzliche Bereiche für sich selbst erschließen. Neben Corporate Design kommt Marketing hinzu, Texterstellung, vielleicht noch Fotografie und Filmherstellung, wer weiß. Es ist also eigentlich nix Neues, dass Berufe ohne permanente Veränderungen vom Aussterben bedroht sind.
Hallo,
interessante Frage/n Antworte/n. Baukästen gab es schon 1998 z.B. bei 1+1. Da hatte man viel vor, durchgesetzt hat sich das bei professionell denkenden Unternehmen aber leider nicht. Man hat sicher mal hier und da Dinge versucht, stellte dann aber irgendwann fest, dass man doch nicht das Auge fürs Detail hat. Es ist halt immer eine Frage, was einem als Unternehmen selbst reicht. Die gleiche Frage, ob es den Webdesigner noch gibt, müsste man dann ja auch in Richtung Entwickler / Programmierer stellen, da viele Online-Editoren heute Code im Hintergrund schreiben und die wichtigsten SEO Services etc. etc. gleich noch mit anbieten. Da ist es einigen Unternehmen sicher Wurscht, wie der Code im Hintergrund ausschaut, Wurscht wird aber nicht sein, wie sie sich nach außen darstellen. Und da Unternehmen sowieso erst immer an das Verschönern der äußeren Oberfläche denken, anstatt mal mit dem Inneren zu beginnen, wird das wohl immer so ein Thema bleiben. Wo sind die Grenzen? Was reicht mir aus? Oder brauche ich dann doch wieder irgendwann einen Designer, der das mit einem gescheiten Entwickler mal richtige gerade zieht.
Würden die Unternehmen ihre Marke allerdings von innen heraus aufbauen, würden sich solche Fragen vielleicht schon im Vorfeld erübrigen. Denn wer es richtig machen möchte, kommt irgendwann immer wieder an einen Punkt der Individualität heisst. Und da hat das selbst bauen einfach irgendwo seine normalen Grenzen. Unternehmen sollen sich doch lieber mit den Dingen auseinander setzen, die ihr Geschäft voran bringen und mit denen sie sich perfekt auskennen, damit sie ein bestimmtes und auch beständiges Level von Qualität überhaupt erreichen können. Wer sich darum wirklich richtig kümmert, hat eigentlich gar keine Zeit, um selbst Hand anzulegen. Das sind dann meist jene Menschen, die einmal eine solche Selbsterfahrung gemacht haben und dazu gelernt haben, dass jeder Beruf und jede Ausbildung auch irgendwo seine Berechtigung hat.
Flotten Tag
Toby O. Rink
Als professionelle Webdesigner mit jahrelanger, fundierter Erfahrung und rechtzeitigem Erkennen, was Ui / Ux für Potential hat … heute, als Web- Ui- Ux-Designer ist man oft sogar von Headhunter gesucht 😉
Selbst bei einem Baukastensystem wie Jimdo braucht ein(e) AuftraggeberIn jemanden der das Grunddesign erstellt, sich um SEO kümmert etc. … insofern kann beides gut nebeneinander existieren, der Designer muss sich eben mehr als “Designberater” verkaufen (können).
Al