Das Internet der Dinge benötigt eine andere, erweiterte Art von Design. Dabei gilt es, eine Handvoll Prinzipien (und Tausende von Kleinigkeiten) zu beachten.
Das Internet of Things ist die nächste Evolutionsstufe des Netzes
Lasst uns an vorderster Stelle die Frage klären, wie der Designbegriff im folgenden Beitrag zu definieren ist. In erster Linie werden wir und mit dem Design der Benutzererfahrung, also dem sogenannten UX-Design, beschäftigen. Das Internet of Things macht es uns indes nicht so leicht, dass wir uns auf diesen Aspekt beschränken könnten.
Vielmehr ist das Internet of Things als nächste Evolutionsstufe des Netzes zu verstehen. In den Neunzigern reichte es, das Internet mit grafischen Oberflächen zu versehen, die selten mehr taten als Inhalte miteinander zu verlinken. Diese grafische Gestaltung war damals das, was wir unter Design für das weltweite Netz verstanden. Es war eine Art abgespecktes Grafikdesign, bezogen auf ein einzelnes Medium. Die Ausbildung, die Printdesigner mitbrachten, war geradezu eine perfekte Voraussetzung, den Job gut zu machen.
In den Nullern kamen wir selbst als (visuelle) Designer nicht umhin, uns mit Programmierung, wenigstens im Sinne von Scripting zu beschäftigen. PHP war das Thema der Stunde. Heutzutage gibt es weit mehr Alternativen, aber auch ein stetig wachsendes Erfordernis, JavaScript zu beherrschen.
Seit gut zehn Jahren, mit dem Aufstieg der Smartphones, könnt ihr mit rein visuellem Design allein gar nichts mehr anfangen, wenn es um die Gestaltung für große oder kleine Bildschirme geht. In größeren Agenturen mag es noch die Unterscheidung in Abteilung für dieses oder jenes Spezialgebiet geben. Als Freelancer könnt ihr euch diesen Luxus nicht leisten. Von daher ist die exakte Definition der unterschiedlichen Designdisziplinen eher theoretischer Natur und ihr müsst über den Tellerrand hinaus nicht nur schauen, sondern auch denken.
Nicht rechteckige Designgedanken können beängstigen oder befreien. Wenn ihr bislang auschließlich für Bildschirme gestaltet habt, sind beide Reaktionen auf zukünftige Anforderungen, die sich aus dem Design des Internet of Things (IoT) ergeben, möglich. Unsere Empfehlung kann nur lauten, offen an die Sache heran zu gehen, denn die Umstände werden sich uns nicht anpassen. Es wird nur umgekehrt funktionieren.
Betrachten wir aber zunächst die Anforderungen an das IoT-Design, die sich vornehmlich den Herstellern solcher Devices stellen.
Ihr müsst nicht alles machen, bloß weil es geht
Fusspilzerkennung über connected Socken? Das könnte gehen, aber erscheint das sinnvoll? Wie auch immer ihr diese Frage für euch beantwortet, sie ist bereits falsch gestellt. Denn die Frage sollte nicht lauten, was könnten wir noch alles mit dem Internet verbinden. Vielmehr geht es darum, das perfekte Produkt, oder genauer, die perfekte Lösung für ein bestehendes Problem zu schaffen. Und nur, wenn es der Perfektion dieser Lösung nutzt, sollten wir darüber nachdenken, wie wir das Internet zur Optimierung einbinden können.
Das Produkt muss auch ohne Datenverbindung funktionieren
Die Verbindung zum Netz der Netze ist bei weitem nicht überall gegeben. Je nach Produkt ist sie eher sogar meistens nicht gegeben. Von daher ist es wichtig, Produkte für das IoT so zu gestalten, dass sie auch ohne oder bei schlechter Datenverbindung möglichst umfänglich funktionieren.
Das betrifft zwei Aspekte. Zum einen muss die Datenhaltung großteils lokal erfolgen, um erforderlichenfalls Betriebsdaten auch dann nutzen zu können, wenn keine Netzverbindung besteht. Zum anderen ist der Fokus auf lokale Datenhaltung auch deshalb wichtig, weil Netzverbindungen unterschiedlich schnell sein können, der Nutzer aber stets verzögerungsfreie Leistung erwartet. Verzögerungen durch schlechte Verbindungen lassen das Produkt unzuverlässig erscheinen. Die Benutzererfahrung leidet.
Das Produkt muss sicher und updatefähig sein
Wie es scheint, setzten die Hersteller von IoT-Devices in der Vergangenheit weder auf Sicherheit, noch auf Updatefähigkeit. Verständlich war das schon bisher nicht, denn IoT-Geräte haben ganz andere Lebensdauern als etwa Smartphones, bleiben also deutlich länger im Verkehr und sollten sich daher wechselnden Anforderungen anpassen können.
Wie es Herstellern in den Sinn gelangen konnte, Heere von unsicheren, voll vernetzten Devices zu erschaffen, die nicht mal durch Updates sicherer gemacht werden konnten, bleibt wohl eines der großen Geheimnisse des real existierenden Kapitalismus. Akzeptabel ist es nicht.
Damit aus einem ans Internet angeschlossenen Gerät tatsächlich ein Teilnehmer des Internet of Things wird, muss es eine API (eine Programmierschnittstelle) haben. Nur so kann es zu anderen Geräten und Diensten Kontakt aufnehmen, nur so besteht die Möglichkeit, dass ein Nutzer freier als initial vom Hersteller vorgedacht, mit einem Gerät interagieren kann. Stellt euch den Echo von Amazon ohne API vor. Das Ding wäre schon jetzt Geschichte.
Besonders der letztgenannte Punkt ist es, der uns alle als Designer wieder mit ins Boot holt. Denn wir können das Internet of Things für unsere eigenen Lösungen nutzen und mit einer ganz eigenen Benutzererfahrung prägen.
Schaffe Anwendungen, die vom Kontext profitieren
Das Stichwort lautet Kontext. Nicht der einzelne IoT-Teilnehmer ist interessant, sondern die Gesamtheit, respektive zusammenhängende Teile dessen. Dabei können Anwendungen entstehen, die vergessen lassen, dass der Nutzer es eigentlich mit einem Dutzend voneinander unabhängiger Geräte zu tun hat. Design webt aus den Einzelkomponenten ein neues Netz.
Würde es dir reichen, wenn du jede deiner Smart Lamps einzeln regeln könntest? Und wieder eine andere Steuerung die Smart Rolläden kontrollierte, während eine weitere Steuerung deine Heizung hoch- und runterfährt? Die Antwortet lautet natürlich „Nein”.
Kein Wunder, dass das Smart Home schon seit fast zwanzig Jahren die Bauindustrie fasziniert. Das Problem der schwachen Marktdurchdringung begründete sich von Beginn an nicht in mangelnden Ideen, sondern in mangelnden technischen Umsetzungsmöglichkeiten. Erst das schneller werdende Internet und seine breite Verfügbarkeit, nebst der damit direkt in Verbindung stehenden Technologien, wie WiFi oder Bluetooth, erlauben sinnvolle Lösungen. Und obschon Smart Home sicherlich das prominenteste Beispiel sein dürfte, ist es bei weitem nicht das einzige.
So beschreibt Sergio Ortiz in seinem Beitrag „IOT gives rise to intelligent & personalized design” das Beispiel des Flughafens von Miami. Dieser wurde im Verlaufe des Jahres 2016 mit über 400 Beacons bestückt. Diese werden über eine App, die die Flughafen-Besucher auf ihren Smartphones installieren können, zu einer Gesamtlösung. An jeder Stelle des Airport erhalten Verwendung ortsbezogene Informationen, etwa darüber welcher Laden oder welcher Checkpoint wo und wie weit entfernt ist. Darüber hinaus bietet die App kundenbezogene Informationen, wie Aufrufe zum Check-in oder die Navigation zum konkreten Gate. Das Ziel besteht darin, den Besucher vollumfänglich mit nutzwertigen Informationen zu versorgen.
Das Flughafen-Beispiel ist recht leicht fassbar und erscheint auf Anhieb logisch und sinnvoll. Schwieriger wird es, wenn der Kontext sich so stark erweitert, dass er nicht mehr auf eine Örtlichkeit bezogen werden kann. So könnte der Kontext in seiner komplexesten Form durchaus der Nutzer selber mit seinen diversen Bedürfnissen und Notwendigkeiten sein. Allein schon, diese zu erkennen, ist eine der Herausforderungen der Zukunft.
Um Kontext zu designen, bedarf es des Zugriffs auf die entsprechende API. Wenn wir also langsam anfangen wollen, uns mit Zukunftsthemen zu beschäftigen, dann ist die beste Empfehlung, sich intensiv mit Produkten zu befassen, die eine solche bieten. Amazon etwa rühmt sich damit, dass für das Produkt Echo, einen Lautsprecher mit Alexa-Sprachassistent, bereits 15.000 sogenannte Skills zur Verfügung stehen.
Skills sind kleine oder größere „Apps”, die mittels Sprachbedienung auf den Echo-Geräten funktionieren, aber nicht von Amazon bereitgestellt werden. Hier spielen offenbar bereits etliche mit der entsprechenden API. Und, wir wollen es nicht beschönigen, durchaus häufig mit reichlich wenig Erfolg.
Aber, wir stehen halt am Anfang. Irgendworan müssen wir ja auch lernen dürfen.
Beiträge zum Weiterlesen:
- UX Design for the Internet of Things | Medium
- The role of design in the Internet of Things | Creative Bloq
- What does being an IoT UX Designer mean? | Medium
- Design: Was für Sprachinterfaces der Zukunft wichtig ist | Dr. Web
Eine Antwort
Hallo Dieter,
ein sehr schöner Blogartikel. Ich forsche selber aktuell im Bereich Schnittstellen und Schnittstellenmanagement für industrielles IoT und stelle fest, dass speziell in diesem Bereich es ziemlich wenige wiss. Veröffentlichungen gibt. Und das obwohl mit der Vernetzung der Produktion der Bedarf in den letzten Jahren massiv gestiegen ist (siehe Leitmotive aller Industriemessen).
In diesem Sinne – schöner und verständlicher Artikel, der sich auch so auf das industrielle Internet der Dinge anwenden lässt 🙂
Viele Grüße
Dimitri