Hillman Curtis war ArtDirector bei Macromedia und ist derzeit einer der gefragtesten Flash-Experten. Dr. Web Autor Frank Puscher sprach mit ihm.
Frank Puscher: Fünf Jahre Macromedia, sechseinhalb Jahre HillmanCurtis.com. Sie arbeiten seit fast zehn Jahren mit Flash-Technologie. Reicht es nicht langsam?
HC: Das ist ja so, als würden Sie einen Schreiner fragen, ob zehn Jahre Arbeit an der Säge nicht genug sind. Flash ist nur ein Werkzeug. Ein sehr kreatives und mächtiges Werkzeug, aber dennoch nur eines von vielen, die wir im Studio benutzen. Tatsächlich ist meine Arbeit so vielfältig, dass die Arbeit mit Flash nur einen moderaten Prozentsatz unserer Arbeit ausmacht. Wir machen viele große Sites, die nur einen Hauch von Flash bekommen aber dafür immer mehr Video. Es spielt aber letztlich keine Rolle, in welcher Technik das ausgeführt wird. Mein Fokus liegt nur auf der Gestaltung. Die Werkzeuge sind sekundär.
Frank Puscher: Warum benutzen Sie auf Ihrer eigenen Site so wenig Flash?
HC: Da brauch ich es nicht. Die Site ist nichts anderes als ein Portfolio für meine Arbeit. Das ist ihr Zweck. Sie soll im Hintergrund bleiben. Schön in Ihrer Einfachheit und Konsistenz. Ich wollte die typische Flash-Optik vermeiden. Und egal wie sehr Sie sich auch anstrengen, Flash schafft es immer wieder komische Schriftbilder zu zeichnen.
Aber was viel wichtiger ist: Ich hatte mich schon sehr früh dafür entschieden, auf jegliche RollOver-Effekte bei Buttons zu verzichten. Und von diesem Punkt an, ging es plötzlich nur noch darum, die Site so einfach wie möglich zu machen. Und letztlich ist das ganz normales, standard-konformes XHTML.
Frank Puscher: Gibt es da einen Interessenkonflikt zwischen der Benutzbarkeit von WebSeiten und Ihren hohen Ansprüchen an Design?
HC: Nicht im Entferntesten, sie sind ein und dasselbe. Meine Ambitionen gegenüber jeder WebSite ist, dass sie intuitiv bedienbar sein muss, sie muss schnell sein, einfach und sie muss eine starke Botschaft transportieren. Design nur um seiner selbst willen ist mir ein Greuel.
Frank Puscher: Fürchten Sie sich davor mit Ihrer Arbeit einmal im Visier von Usability-Experten wie Jakob Nielsen, Jeff Johnson oder Bruce Tognazzi zu stehen?
HC: Ich kenne Jakob, aber die anderen beiden sagen mir nichts. Noch mal: Die Sites, die ich gestalte sind sehr benutzbar, erwiesenermaßen benutzbarer als Herrn Nielsens eigene WebSite. Ich habe keine Ahnung, was die Herrn Nielsen, Tognazzi oder Johnson zur Zeit tun. Sie sind ziemlich weit weg um nicht zu sagen, die habe ich gar nicht auf dem Schirm.
Frank Puscher: Ihr letztes Buch MTIV handelt von der gestalterischen Inspiration. Hatten Sie heute schon eine?
Hillman Curtis: Ja, ein Lied namens „Jesus Walks“ von Kaye West. Es hat mich gleich in mehrerlei Hinsicht fasziniert. Zum einen das starke, spirituelle Thema, aber auch, weil es ein mainstream Rap-Song ist, der nichts mit Drogen, Waffen oder der Entmündigung der Frauen zu tun hat. Außerdem habe ich einen fantastischen Rapper namens Aesop Rocks entdeckt und Public Enemy wiederentdeckt, als einer unserer Designer bei uns im Büro plötzlich die Anlage aufgedreht hat. Auch das spannende Gemisch von Billy Corrigan als Gitarrist und Jimmy Chamberlain als Schlagzeuger, beide bei den Smashing Pumpkins.
Ich warf heute außerdem mal wieder einen Blick in ein Buch von Tibor Kalman* – das mit seinem Porträt auf dem Cover. Das liegt bei mir ständig auf dem Schreibtisch rum und soll mich vor allem daran erinnern, nach großen Konzepten zu suchen und keine Angst davor zu haben dafür gerade zu stehen.
Und vor allem wurde ich heute vom Geist der Teamarbeit inspiriert. Ich arbeite gerade mit einem sehr, sehr großen und komplizierten Kunden. Ich kam auf die Idee, die einzelnen Mitarbeiter in den Design-Prozess einzubinden. Das macht das ganze Projekt viel positiver.
* Tibor Kalman war der bedeutendste Designer Anfang der neunziger Jahre, als interaktive Medien gerade in Fahrt kamen. Der gebürtige Ungar wurde berühmt für seine Experimente im Design-Magazin Colors, wo er unter anderem die britische Queen zu einer Farbigen machte. Kalman starb 1999 im Alter von 50 Jahren.
Erstveröffentlichung 11.04.2005
Wie hilfreich war dieser Beitrag?
Klicke auf die Sterne um zu bewerten!
Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0