von Alexander Endl
Als man das erste mal den Begriff elektronische Zeitung las, hat man sich vielleicht noch belustigt das Batteriefach an seiner Tageszeitung vorgestellt. Gemeint aber war nicht die Zeitung elektronisch zu machen, sondern die Zeitung in ein elektronisches Medium zu transformieren – das ePaper.
Der RheinZeitung wird hier weltweit Pionierarbeit nachgesagt (Quelle: Wikipedia). Sie stellt ihre Printausgabe den Abonnenten über das Internet in einer digitalen Version quasi 1:1 in HTML zur Verfügung. Heute macht das Flash
sehr smart möglich. Flash also als Entwicklungshelfer, dem beinahe schon das Ende drohte. YouTube und die zunehmende Popularität von Mini-Videos, die über Flash einfach in eine Website integriert werden können, haben Flash zu einer wahren Rennaissance verholfen. Heute könnte Flash dem ePaper zum Durchbruch verhelfen.
Doch macht es überhaupt Sinn ein Printmedium, sei es eine Zeitung, ein Magazin oder ganze Kataloge, einfach wie es ist ohne Web-Aufbereitung in ein digitales Medium zu übertragen?
Teil des Geschäftsmodells vieler aus den Boden spriesender Webagenturen in der New Economy war, den Kunden zu
erzählen, dass Webdesign mit jeglichen konventionellen Corporate Communication/Corporate Design-Vorgaben schon mal überhaupt nichts zu tun hätte. Im Internet – etwas überspitzt formuliert – müsse man sich von alter Denke lösen und Kommunikation ganz neu begreifen. Analogien kamen eher von der Software-Ergonomie denn von klassischer Mediengestaltung. So wunderte es nicht mal sonderlich, wenn man auf die ersten schweren Internet-Frachter großer Unternehmen stieß, die mit viel Budget und aufwändiger CMS-Architektur im Background aus der Traufe gehoben wurden, die aber mit dem Erscheinungsbild der Firma nur noch das Logo gemein hatten.
Muss so sein, sagte man lapidar, und schuf damit die ideale Voraussetzung der Koexistenz von Webagenturen und klassischen Grafikdesign. Allein … irgendwann dünkte es den Kommunikationsabteilungen, unterstützt durch eine
nachstoßende Generation von nun internet-firmen Managern, dass es dafür vielleicht entweder a) gar keinen echten Grund gäbe oder b) es doch eher so ist, dass die Menschen und ihre Gewohnheiten das Internet mindestens so sehr prägen würden wie das Internet die Menschen. Die Erkenntnis, nun gegen Ende des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend, ist nun nicht wirklich revolutionär oder überraschend: Die Wahrheit zwischen diesen Polen liegt wohl einfach irgendwo in der Mitte.
Heute ist es so, dass Print und Web in sehr weiten Teilen vom gemeinsamen CD-Style-Guide definiert werden. Webagenturen und Grafikdesign ordnen sich da in der Regel den Vorgaben der Brand Manager unter oder sind selbst in der Entwicklung direkt involviert. Das angestrebte Ideal-Ergebnis ist gern unter der Floskel aus einem Guß zusammengefasst. Doch leider neigen dynamische Entwicklungen gern dazu zu überziehen: Aus der zu starken
Autonomie des Webdesigns schiesst derzeit bisweilen das klassische Design nun wieder über und eine gesonderte Betrachtung der Anforderungen an das Medium Internet wird vernachlässigt.
Gerade noch mitten zwischen Projekten, die nach Internet, Touch-Screen und Mobil akribisch differenzierte, klingen manche Briefings oder Ausschreibungen zwischenzeitlich wieder wie “und einmal Internet gleich bitte auch mit, danke”. Webagenturen haben es da nicht einfach ihre kreative/gestalterische Position in die Waagschale zu werfen. Kein Wunder also, wenn reine Webagenturen sich zunehmend in die Richtung IT-Lösungen, CMS-Spezialisierung und SEO ausrichten.
Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung. Zwischenzeitlich hat sich ein gewisser Standard in Navigation und Grundaufbau einer Website etabliert. Experimente mit Navigation und überraschende Content-Varianten sind im Kreativen-Bereich (Photographen, Künstler, Designer) gelandet. CMS-Systeme dominieren nicht mehr so zwanghaft wie noch vor wenigen Jahren das Layout, allein es haben sich gewisse Seitenaufbauten etabliert: Logo links oben, Navigation vertikal links, Meta-Navigation horizonal oben, Content-Bereich je nach Bedarf ein- oder zweispaltig. Daneben eine so genannte Sidebar für all das, was man sonst nicht weiß wohin damit, aber doch zu schade wäre es nicht zu zeigen, wo man es doch schon hat – kurz: Zusatzinformationen genannt. Das Layout wird aus den CD-Vorgaben entwickelt, die im Wesentlichen bereits Farben inklusive Sekundärfarben, Bildsprache und das nebulöse “Look&Feel” definieren. Bei Schriften wird es dann ganz dünn, denn die Barrierefreiheit (neudeutsch: universal design) verbietet quasi Schrift
als Bilder und so bleiben die wenigen Standard-Webschriftarten Arial, Verdana, Times und – quasi der Shootingstar 2007 – Georgia, auch dank des Web 2.0-Hypes.
Einzige Bewegung ist im Content. Durch mehr und mehr breitbandige Anbindungen werden Bilder großzügiger eingesetzt. Und was auffällt: Man nähert sich immer mehr dem Print an. Magazin-Stil nennt man dann das Ganze. Eine äußerst interessante Erkenntnis, gerade vor dem Hintergrund eingangs bereits aufgeworfener Frage, ob das Internet die Menschen oder umgekehrt verändert. Vielleicht könnte man sagen, man gewöhnt sich aneinander. Und wenn man sich an ein Medium gewöhnt, könne man meinen, beginnen die gleichen Mechanismen und Anforderungen zu tragen, die eben Magazine und Print-Publiktionen in einer langen Entwicklung erfahren haben. Der Boulevard mit großen
Headlines, großen Bildern und wenig Text, Literatur gut strukturiert und seitenweise wohldosiert, Fachmagazine mit
bewährter Teaser-zum-Fachartikel-Mechanik.
Kein Wunder also, wenn man sich fragt, warum dann überhaupt noch der Medienbruch, also die Übersetzung beispielsweise vorhandener Magazine oder Kataloge ins Web, wenn man doch das Magazin und den Katalog selbst ins Netz bringen kann. Was unter dem Schlagwort ePaper läuft, kann durchaus das Web noch einmal ein Stück revolutionieren und viele Webdesigner arbeitslos machen. Wer ein Magazin/einen Katalog bereits komplett im Layout hat, der lässt sich (quasi per Knopfdruck, glaubt man den Anbietern solcher Software, wie beispielsweise Macromedia mit dem Flashpaper) auch eine Web-Version erzeugen. Die Vorteile liegen neben Kostenaspekten auf der Hand: 100%
Wiederekennungswert. Das Blättern fühlt sich fast, wie gewohnt, an und ein wenig medial aufgepeppt mit Links, interaktiver Suche und Inhaltsverzeichnis, zudem garniert mit Multimedia-Elementen wie Musik oder Video, ist aus dem Printmagazin flugs ein Web-Angebot geworden.
Wie viele solcher ePaper bereits existieren, ahnt man, wenn man ein wenig im Portal namens Issuu stöbert (english). Und die Prognosen sind gut, da nicht nur die Technik immer einfacher wird und die Anbindungen besser werden, auch setzen sich gerade im mobilen Bereich immer mehr Browser durch, die auch dank der großen Displayfläche spezielle mobilgerechte Oberflächen wie am NüviFone nicht benötigen. Kleine tragbare Laptops wie das Asus EEE sind gerade auf dem Vormarsch und auf die Entwicklung von flexiblen Displays, die man rollen oder falten kann, wartet man gerade
auch für das eBook.Gefühlt schon viel zu lange – muss aber nicht mehr lange dauern, wie das Handy von Polymer Visions zeigt, das in Serie gehen soll.
Frisst also die Revolution ihre Kinder? Die Erkenntnisse aus 15 Jahren Webdesign nur noch für ein wenig Navigation und
außenrum zu gebrauchen? Man muss konstatieren: Viel eingefallen ist dem Webdesign allerdings auch nicht. Oder anders: Der Mensch gibt seine Gewohnheiten offenbar nicht so schnell auf und so kommt nun das Web eben wieder auf den User zu statt umgekehrt. Vielleicht braucht es tatsächlich erst neue Technologien, damit sich etwas ändert
an unseren Lese- und Betrachtungsverhalten. Vielleicht kommt mit Cyberhandschuh und -brille noch einmal Bewegung ins Spiel, mit projezierten Tastaturen und projezierten Monitoren. Aber solange das nicht ist, ist dem ePaper eine große Zukunft beschieden. Es ist einfach zu bequem und zu kostengünstig und damit zu einfach zu entscheiden, da schlagende Argumente auf dem Tisch liegen, die selbst dem Mann auf der Straße einleuchtend erscheinen.
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6 Antworten zu „ePaper – Vorwärts in die Vergangenheit“
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Ganz interessant: Die heute als Zentrale dienende Domain http://www.e-paper.de wurde ursprünglich vom Internetportal http://www.ephorie.de registriert und zu einem nicht näher genannten Betrag von der Rhein-Zeitung abgekauft.
Ich muss mich Rene anschließen: ich lese nur noch Online-Zeitungen, aber keine, die als PDF-Dateien angeboten werden; ausschließlich ordentlich aufbereitete HTML-Ausgaben. Ich persönlich gebe Zeitungen als PDF oder Flash-Paper keine größere Chance, allenfalls als Zusatzangebot für Download und Ausdruck. Auch das Argument, dass alles aus einem Guss ist und per Knopfdruck erzeugt werden kann, ist zu schwach. Beides ist bereits seit Jahren möglich (mindestens seit 1995 ist PDF weit genug entwickelt) und setzt sich eben nicht durch, allen Marketing-Versuchen von Adobe zum Trotz. Der Trend geht eher in Systeme, die Medien-übergreifendes Publizieren erlauben: Erfassen der Texte in einem zentralen CMS, Ausgabe wahlweise als HTML-Seite mit eingebetten Anzeigen und multimedialen Inhalten und/oder als PDF für Download und/oder als XML-Datei für Database-Publishing und Druck.
@Rene: Was ist denn „deine Umgebung“?
cvbcvbvb
Wobei man noch differenzieren sollte zwischen einer reinen 1:1 – Umsetzung einer Zeitung als Flash (bäh!!) oder PDF und einer fürs Web aufbereiteten Zeitung mit Videos, Animationen etc., die man so auf dem Papier logischerweise nicht umsetzten kann.
Ich lese sehr gern am PC die Zeitung. Allerdings nur die, die nicht bei jedem Artikel auf die Printausgabe verweisen! Und auch nicht die, die aus jedem Artikel dürch Blättern x Seiten machen (juhu, massig PageViews)…
Unhandliche Papierberge, nach deren Lektüre die Finger schwarz sind, mag ich einfach nicht mehr …
Leider gibts in unserer Region keine vernünftige Tageszeitung online ;-(
Tja, wo sind die guten alten Zeit geblieben, wo man sich noch im Sofa zurücklehnen konnte und knisternd die Zeitung Aufschlug.