Wer für seinen Betrieb einkaufen geht, sollte sich hüten, die Spendierhosen anzuziehen: Aufgrund des Vorsteuerabzugs sind die Preise zwar tatsächlich etwas niedriger als die für Privatleute. Doch jeder Euro, der von der Steuer abgesetzt werden soll, muss vorher verdient worden sein! Umgekehrt lohnt sich Cent-Fuchserei angesichts überschaubarer Abnahmemengen auch nur bedingt. Vornehme Zurückhaltung hat sich auf betrieblichen Einkaufstouren in jeder Hinsicht bewährt. Dieser Artikel wurde überarbeitet und an die aktuellen Steuersätze und Grenzwerte angepasst.
Unter dem Motto „Heißa, was lacostet die Welt – Geld spielt keine Rolex!“ greifen manche Selbstständige in der Beschaffungsphase vor und während der Geschäftseröffnung in die Vollen: Vernünftige Zeitgenossen, die beim Wocheneinkauf für die Familie jeden Euro zweimal umdrehen, geben plötzlich jede Zurückhaltung auf: Schließlich muss der eigene Laden, das Büro oder die Werkstatt ja „was hermachen“. Und überhaupt: Das kann ja alles von der Steuer abgesetzt werden. Die Vorsteuer kriege ich sogar komplett vom Finanzamt erstattet.
Wie nett: alles netto!
Letzteres stimmt tatsächlich: Selbst wenn die Umsatzerlöse und damit die eigenen Umsatzsteuereinnahmen von Kunden gleich Null sind, ist eine Umsatzsteuervoranmeldung Pflicht: Die in Ihren Einkäufen enthaltene „Mehrwertsteuer“ (=“Umsatzsteuer“) wird Ihnen dann in voller Höhe als sogenannte Vorsteuer erstattet.
Wenn Ihr neues Notebook laut Computer- oder Zeitschriftenwerbung 1.299 Euro kostet, dann bezahlen Sie als Gewerbetreibender oder Freiberufler tatsächlich nur rund 1.090 Euro. Die durchaus spürbare Differenz von rund 210 Euro entspricht dem Umsatzsteueranteil.
Das ist einer der Gründe, warum die Preise in den Katalogen und an den Regalen der Großhändler auf den ersten Blick so attraktiv wirken: Da sie sich nur an Selbstständige richten, greifen die Verbraucherschutz-Vorschriften bei der Preisauszeichnungspflicht nicht. Die Preisangaben von Großhändlern stellen in aller Regel Netto-Werte dar. Der Umsatzsteueranteil wird an der Kasse oder auf dem Bestellschein als zusammengefasster durchlaufender Posten ausgewiesen.
Viel hilft viel?
Mindestens ebenso große „Einkaufsvorteile“ wie durch das Fehlen des Umsatzsteueranteils ergeben sich durch die Mengenrabatte: Wenn Ihnen in Einkaufskatalogen „für den gewerblichen Kunden“ Super-Schnäppchenpreise ins Auge fallen, dann handelt es sich unter Garantie um den Preis bei Abnahme von 100 oder 1.000 Stück, ganzen Kartons, Paletten oder sonstigen Groß-„Gebinden“.
Dass der Handel die Abnahme von großen Stückzahlen mit Preiszugeständnissen honoriert, ist zweifellos eine feine Sache: Firmenkunden haben nun einmal einen wesentlich größeren Bedarf als Endverbraucher. Riesige Vorräte legen erfahrene Profieinkäufer trotzdem nur selten an. Denn sie wissen, dass niedrigere Artikelpreise und Bestellkosten sowie geringerer Beschaffungsaufwand mit …
- höheren Lagerhaltungskosten,
- Lagerschäden und Schwund,
- technischer Veralterung und nicht zuletzt:
- mit Zinsen (!)
… bezahlt werden. Schließlich bekommen Sie für das in Vorräten gebundene Kapital keine Habenzinsen. Und wenn Sie im Moment (oder in ein paar Wochen) knapp bei Kasse sind, müssen Sie sogar teure Kontokorrentzinsen (= Dispozinsen) zahlen. Bei Überschreiten des Dispositionsrahmens sind sogar happige Überziehungszinsen von 15 % und mehr fällig!
Falls Sie wieder einmal das Sonderangebot „Druck- und Kopierpapier“ Ihres Großhändlers („ab 2,99 Euro / Paket“) mit dem qualitativ gleichwertigen Angebot Ihres local dealers vergleichen („3,99 Euro / Paket“ = netto 3,35 Euro), sollten Sie nicht nur die Mehrwertsteuer-Wirkung im Hinterkopf haben, sondern auch die Tatsache, dass Sie die vom Großhändler gelieferten 100 Packungen Druckerpapier über die nächsten zwei Jahre lang lagern und ggf. finanzieren müssen. Spätestens wenn dann im Laufe der Zeit zu allem Überfluss auch noch das eine oder andere Papierpaket Schaden nimmt und nur noch als Schmierpapier taugt, ist aus dem vermeintlichen Einkaufsvorteil unterm Strich letztlich ein Zuschussgeschäft geworden.
Wie gesagt: Wer große Stückzahlen braucht, ist gut beraten, die Mengenrabatte des Großhandels mitzunehmen. Auch gegen eine Vorratshaltung mit Augenmaß ist nichts einzuwenden: Schließlich senken seltenere Bestellvorgänge nicht nur die Preise, sondern verringern auch den oft nervigen Bestellaufwand. Für „Hamsterkäufe“ gibt es bei nüchterner Betrachtung jedoch nur sehr selten Anlass.
Was macht das denn für einen Eindruck?
Insbesondere zu Beginn eines neuen Unternehmens geht es aber nicht (nur) um den Einkauf von Büromaterial und ähnliche „Peanuts“, sondern zunächst einmal um die Grundausstattung mit Technik, Dienstleistungen, Mobiliar und ähnlichen Einrichtungsgegenständen.
Auch und gerade weil IT-Freelancer und ähnliche „neue“ Selbstständige selten richtig großen Investitionsbedarf haben, tappt so mancher Existenzgründer in die Repräsentationsfalle: Wenn schon, denn schon! Was sollen die Kunden denn denken, wenn ich mit meinem alten Golf vorfahre? Oder hinter einem alten Schreibtisch aus Studententagen sitze, wenn sie mein Büro betreten? Schließlich kann man den schicken Mittelklassewagen doch günstig leasen und das coole Designermobiliar habe ich mir immer schon gewünscht. Das gönn‘ ich mir – schließlich verbringe ich den lieben, langen Arbeitstag darin.
Gegen die Anschaffung eines zuverlässigen Geschäftswagens oder die Investition in gesunde und ergonomische Büromöbel ist natürlich nichts einzuwenden. Auch der pure Spaßfaktor hat seine Berechtigung, wenn er denn unterm Strich tatsächlich das Wohlbefinden steigert. Erfahrungsgemäß dämpfen auftretende Liquiditätsengpässe die anfängliche ästhetische Freude an einer perfekt eingerichteten Geschäftsumgebung jedoch schnell und nachhaltig.
Reine Repräsentationsüberlegungen sind in den allermeisten Fällen ohnehin fehl am Platz: Während eine spartanische Ausstattung für Kunden eines jungen, aufstrebenden Unternehmens überhaupt kein Problem darstellt, kann die Nobelkarosse oder das nagelneue Luxus-Ambiente schon eher für Irritationen sorgen. Und das nicht nur, weil die noch aus allen Poren nach Fabrik riechende Edelausstattung überdeutlich signalisiert, dass sie es mit einem Greenhorn zu tun haben: Schließlich wissen erfahrene Geschäftsleute ganz genau, dass letztlich sie selbst „die Zeche“ für die Protzerei zu zahlen haben – sei es über höhere Preise oder das für sie mit zusätzlichem Aufwand verbundene allzu schnelle Verschwinden ihres großspurigen Dienstleisters vom Markt.
Auf Schnäppchenjagd
Wer sagt eigentlich, dass Läden, Büros und Werkstätten neu möbliert, Geschäftswagen neu angeschafft werden müssen? Auf der Suche nach den wichtigsten noch fehlenden Ausrüstungs- und Einrichtungsgegenstände sind Secondhand-Läden, regionale Anzeigenblätter sowie Online-Plattformen bei Ihren betrieblichen Beschaffungstouren gute und bewährte Anlaufstellen für Existenzgründer.
Bei Ebay gibt es zum Beispiel separate Büro-, Computer- und Business-Kategorien, in denen Gewerbetreibende von „A“ wie „Arbeitsschutzkleidung“ über „N“ wie „Netzwerkkarte“ bis „Z“ wie „Zementmischer“ so ziemlich jeden betrieblichen Bedarf aus zweiter Hand decken können:
In der Kategorien-Übersicht schöpfen Sie vollends aus dem Vollen. Über spezielle „eBay-Suchbegriffe“ wie „Konkurs“ oder „Insolvenz“ haben Sie dabei bei Bedarf sogar zielgerichtet Zugriff auf die Hinterlassenschaften gescheiterter Vorgänger (Marke: „Alt, aber noch nicht bezahlt…“).
So viel Zeit muss sein: Preisvergleich nicht vergessen!
Damit Sie Auktions- und Secondhand-Angebote nicht aus Versehen teurer als Neuware bezahlen, sollten Sie die Ergebnisse Ihrer Recherchen zur Sicherheit immer bei Preisvergleichs-Diensten wie …
- billiger.de,
- guenstiger.de,
- idealo.de oder auch der
- Google Produktsuche.
… überprüfen.
Apropos Geizhals
So sinnvoll sparsames Wirtschaften ist: Wenn sich die sprichwörtliche „Geiz ist geil“-Mentalität verselbstständigt, verliert man auf der Einkaufstour unter Umständen ebenfalls leicht die Orientierung: So zum Beispiel, wenn…
- … der Anschaffungspreis sich zum alles überlagernden Entscheidungskriterium entwickelt und dabei hohe Folgekosten sowie Qualitäts- und Funktionsunterschiede vernachlässigt werden. Denken Sie nur an das Beispiel Tintenstrahldrucker.
- … die Qualität der eigenen Angebote unter der sinkenden Qualität eingekaufter Waren und Dienstleistungen leiden (und ihre Kunden das merken) oder auch
- … der Prozess der Kosten-Nutzen-Optimierung unwirtschaftliche Formen annimmt (Stichwort: ABC-Analyse bei der Bleistift-Beschaffung).
Die große Absetz-Bewegung
Wer in kurzer Zeit viele und noch dazu teure Beschaffungsentscheidungen treffen muss, verliert leicht die bei privaten Einkäufen bewährten Maßstäbe. Man will sich nicht lumpen lassen, die Kosten können ja von der Steuer abgesetzt werden und überhaupt: „Darauf kommt’s jetzt auch nicht mehr an …“
Kommt es aber sehr wohl: Denn während Sie beim Vorsteuer-Anteil eine echte Erstattung erwarten dürfen, setzen die viel zitierten „Absetzungen“ von der Einkommensteuer voraus, dass überhaupt Gewinn erzielt wird, von dem dann etwas „abgesetzt“ (= abgezogen) werden kann. Diese zwar triviale, aber allzu oft vernachlässigte Grundüberlegung hat noch drei zusätzliche wichtige Aspekte:
Erstens ist Umsatz nicht gleich Gewinn: Um einen Euro zusätzlicher Kosten zu erwirtschaften, müssen Sie – je nach Branche – ein Mehrfaches an Umsatz erzeugen. Umgekehrt erhöht jeder Cent Kostensenkung Ihren Gewinn in voller Höhe.
Trotzdem kann von einer echten Steuerfinanzierung nicht im Entferntesten die Rede sein: Angenommen Sie leisten sich einen bequemen Schreibtischstuhl für 350 Euro, dann senken Sie zwar Ihren Gewinn und damit Ihr zu versteuerndes Einkommen in eben dieser Höhe. Um welchen Betrag sich Ihre Steuerlast reduziert, hängt hingegen ganz von Ihrer persönlichen Situation ab (zum Beispiel Höhe des verbliebenen Gewinns, andere Einkünfte, Familienstand etc.): Wenn Sie gar keine Steuern zahlen müssen (was bei Existenzgründern in Kleinbetrieben nicht selten vorkommt), ist auch die erhoffte Steuerersparnis gleich Null.
Wer es genauer wissen will, muss seinen Grenzsteuersatz kennen, der zurzeit zwischen 14 und 45 Prozent liegt. Von den 350 Euro für den Schreibtischstuhl übernimmt das Finanzamt im „besten“ Fall (des höchsten Steuertarifs) gerade mal 157 Euro. Zwischen 193 Euro und 350 Euro des Kaufpreises gehen in jeden Fall auf Ihre eigene Kappe.
Schlimmer noch: Ausgerechnet die besonders teuren Anschaffungen dürfen nicht auf einen Schlag Steuer mindernd geltend machen. Denn die Kosten für dauerhaft genutzte betriebliche Investitionsgüter (im Wert von über 410 Euro) müssen anteilig über die „betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer“ von drei bis fünf – in manchen Fällen sogar 25 Jahren verteilt werden. Da die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Computers aus Sicht des Finanzamts drei Jahre beträgt, mindert die Anschaffung eines Notebooks im Nettowert von 1.200 Euro Ihr zu versteuerndes Einkommen im ersten Jahr demnach um maximal 400 Euro. Haben Sie es erst im Oktober gekauft und daher auch nur ein Vierteljahr genutzt, beträgt die Jahres-AfA aufgrund der vorgeschriebenen monatsgenauen Ermittlung gerade mal 100 Euro. Die übrigen 1.100 Euro müssen in voller Höhe aus den laufenden Gewinnen und zuvor gebildeten (privaten oder betrieblichen) Rücklagen aufgebracht – oder halt kreditfinanziert werden!
Merke: Bis der schnittige Geschäftswagen erwirtschaftet und komplett „abgeschrieben“ ist, fließt viel Sprit den Tank hinunter. Dabei können Sie es drehen und wenden, wie Sie wollen: Auch wenn Sie ihn noch so lange „von der Steuer absetzen“, beteiligt sich der Fiskus nur zu einem Bruchteil an den Anschaffungskosten.
Fazit
Wenn Existenzgründer und Jungunternehmer einkaufen gehen, dann werfen sie oft jede Zurückhaltung über Bord. Dabei predigen erfahrene Kaufleute seit Jahrhunderten: „Der Gewinn liegt im Einkauf!“ Grund genug, bei betrieblichen Beschaffungen mindestens die gleiche Vor- und Weitsicht walten zu lassen wie beim privaten Einkauf.
Erstveröffentlichung: 09.11.2006
Aktualisiert am: 09.09.2010
(mm),
2 Antworten
Sorry, was das Thema Ebay angeht, bin ich der Meinung: Das ist längst überholt!
Ansonsten ist der „Einkaufsleitfaden für Freelancer“ Ok!
Gruss Tom
Dir ist schon aufgefallen, dass der Leitfaden aus September 2010 ist und wir jetzt 2015 schreiben?