Es gibt Dinge deren Nutzen sich dem Verwender erst nach genauerer Prüfung erschließt. Hierzu zählen Gegenstände, wie etwa USB-Ventilatoren, Wackeldackel für Kofferaumablagen oder Klopapierrollen mit Schriftzug. Zuletzt muss jeweils der Nutzer entscheiden, ob er seine Umgebung mit diesen Dingen bereichern will. Disclaimer (“Haftungsfreizeichnungsklauseln”) zählen ebenso zu diesen Phänomenen, die aufgrund ihrer Verbreitung allgegenwärtig uns selbsterklärend erscheinen, deren Nutzwert jedoch umstritten ist.
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Wer sich selbst mit der Frage konfrontiert sieht, ob die Verwendung eines Disclaimers auf der eigenen Webseite oder in der E-Mail-Signatur geboten ist, sollte nachfolgende Erwägungen berücksichtigen.
1. Rechtliche Unbeachtlichkeit einseitiger Freizeichnungsklauseln
Grundsätzlich sollte zunächst die rechtliche Relevanz von Disclaimern nicht überbewertet werden. Diese hängt nämlich davon ab, inwieweit sich der Nutzer einer Seite bzw. in welchem Umfang sich der Leser einer E-Mail dem Inhalt der Klausel unterwerfen muss. Diesbezüglich bestehen klare Rechtsgrundsätze und nur unwesentliche Unterschiede.
a) E-Mail Disclaimer als bloße Willensbekundung
Eine Freizeichnungsklausel in E-Mails findet sich immer wieder mit folgendem oder ähnlichem Inhalt:
“Diese E-Mail enthält vertrauliche und/oder rechtlich geschützte Informationen. Falls Sie nicht der richtige Adressat sind oder diese E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender und vernichten Sie diese E-Mail. Das unerlaubte Kopieren sowie die unbefugte Weitergabe dieser E-Mail ist nicht gestattet. Eine Kopie oder Übernahme des Inhaltes dieser Nachricht darf nur nach vorheriger Einwilligung des Absenders erfolgen. Der Inhalt dieser Nachricht ist unverbindlich. Der Absender haftet nicht für Schäden, die Dritten aufgrund von inhaltlichen Fehlern entstehen. Abmahnungen werden ohne vorherige schriftliche Mitteilung nicht anerkannt.”
Für besondere Freude sorgt immer wieder die Formulierung:
“Sollten Sie diese E-Mail irrtümlich erhalten, ist Ihnen die Kenntnisnahme, Kopie oder Weiterletung des Inhalts strengstens untersagt.”
Andere – durchaus lesenswerte – Formulierungen finden sich hier.
Offensichtlich wird durch derartige Formulierungen versucht auf engstem Raum die größtmögliche Absicherung zu platzieren und den Empfänger der Nachricht quasi vorab von der Geltendmachung jeglicher Ansprüche abzubringen. Dass dies nicht gelingen kann ergibt sich aus der Rechtsnatur der einzelnen E-Mail als einseitige Willenserklärung. Denn, solange der Empfänger einer derartigen E-Mail keine übereinstimmende Verzichts-, Verpflichtungs- oder Unterlassungserklärung übermittelt, bleibt die Disclaimererklärung rechtlich bedeutungslos. Eine Bindungswirkung könnte sich nämlich nur unter den allgemeinen Vertragsgrundsätzen der §§ 145 ff. BGB etnwickeln, wonach ein Vertrag Angebot und zeitnahe Annahme voraussetzt. Eine derartige Vereinbarung kommt jedoch in den allerseltensten Fällen (oder besser gesagt nie) zustande.
Ein E-Mail Disclaimer kann daher allenfalls ergänzende Wirkung entfalten, etwa wenn es darum geht, die inhaltliche Tragweite oder Verbindlichkeit der eigenen Mitteilung festzulegen. Ob eine solche Ergänzung jedoch generell gewollt ist, kann bezweifelt werden.
b) Disclaimer als Teil des Impressums
Genau so häufig, wie in E-Mails werden Disclaimer in das Impressum einer Webseite eingearbeitet. Hier sollen die – meist noch ausführlicheren und weitrechenderen – Freizeichnungsklauseln den Diensteanbieter vor unzähligen ungebetenen Rechtsfolgen bewahren, die sich aus dem eigenen Angebot ergeben können. Aber auch derartige Disclaimer können aus verschiedenen Gründen die Ihnen anvertraute Leistung nicht erwirken. Grund dafür ist zunächst schlicht und einfach die Position des Impressums als solche. Denn wie bereits erwähnt, ist für die Wirksamkeit von Freizeichnungsklauseln zu aller erst ihre Sichtbarkeit und sodann ihre Annahme durch den Nutzer maßgeblich. Regelmäßig ist es aber so, dass etwa rechtsverletzende Informationen auf einer Webseite (beispielsweise verletzende Tatsachenbehauptungen, urheberrechtliche Verletzungstatbestände u.ä.) in keiner Weise mit dem im Impressum befindlichen Disclaimer verbunden sind, sodass eine rechtliche Verbindung ausscheidet.
Grundvoraussetzung für die Einbeziehung des Disclaimers wäre nämlich, dass dieser notwendigerweise gelesen wird, bevor der fragliche Inhalt der Seite abgerufen werden kann. Dies ist bereits in den meisten Fällen nicht gegeben. Ist die Webseite dennoch so konstruiert, dass verletzende Beiträge nur über den Disclaimer erreicht werden können, so kann das bloße Weiterklicken widerum nicht generell als Einverständnis mit dem Haftungsausschluss angesehen werden. Denn, dass der User das “Überspringen” des Disclaimers stets als Einverständnis ein die Haftungsfreizeichnung versteht lässt sich rechtlich nicht erfassen.
Letztlich kann die rechtliche Wertlosigkeit eines Impressums wie folgt erklärt werden:
Selbst wenn ein Haftungsausschluss dem User gegenüber wirksam erfolgt, so gilt diese Vereinbarung nur zwischen User und Diensteanbieter. Der durch den rechtswidrigen Beitrag verletzte Dritte könnte hingegen noch immer gegen den Inhaber der Homepage vorgehen, sofern er nicht zuvor selbst die Haftungsfreizeichnung wirksam anerkannt hat.
2. Sonderfall: Disclaimer in Bezug auf Hyperlinks
Gleiches ergibt sich, wenn man die gesamte Thematik auf Disclaimer überträgt, die dazu dienen sollen, den Inhaber der Webseite als Linksetzer zu entlasten. Denn rechtlich können auch solche Disclaimer zu oder vor Hyperlinks den Verwender nicht entlasten. In der Rechtsprechung wird hierzu zwar keine streng einheitliche Auffassung vertreten. Zahlreiche Entscheidungen haben diesbezüglich aber festgestellt, dass die erforderliche Distanzierung von dem rechtswidrigen Inhalt nicht durch übliche (isolierte) Disclaimer hergestellt werden kann (LG Hamburg vom 12.05.1998 – 312 O 85/98, 36; OLG München, Urteil vom 28.07.2005, Az: 29 U 2887/05)
3. Internetversandhandel: Beschränkung des Verbreitungsgebietes durch Disclaimer
Fälle in denen Disclaimern tatsächlich eine positive, jedenfalls konstitutive Bedeutung zugeschrieben wurde sind rar. Ihr Hauptproblem ist – gerade gegenüber schutzwürdigen Verbrauchern – die mangelnde Möglichkeit zur Kenntnisnahme.
In einem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Falle konnte zumindest durch einen klar erkennbaren, ernst gemeinten und eindeutig gestalteten Disclaimer, die Frage des Umfangs des Vertriebsgebietes wirksam geregelt werden. In dem zugrunde liegenden Falle hatte ein Wettbewerbsverein einen Internetversandhändler abgemahnt und geltend gemacht, dass dieser unter Verstoß gegen deutsche Vorschriften sein Geschäft betreibe. Das Gericht, das im Übrigen die Klageforderung anerkannte, stellte fest, dass ein Disclaimer zumindest ein Indiz dafür darstellen könne, dass an einen bestimmten Adressatenkreis oder an Kunden einer bestimmten Region nicht geliefert werde, sofern der entsprechende Disclaimer gut sichtbar (etwa auf der Angebotsseite), eindeutig gestaltet und unzweifelhaft ernst gemeint sei.
4. Disclaimer als “Schuss nach hinten”
Dass sich der Nutzen eines Disclaimers in Grenzen hält dürfte nun klar sein. Dass die Freizeichnungsformel in einigen Fällen sogar zum sprichwörtlichen “Schuss nach hinten” werden kann, belegen bereits erste Gerichtsentscheidungen.
In einem Falle verursachte gerade der Disclaimer das Unterliegen vor Gericht und mithin einen schmerzlichen finanziellen Schaden. In dem Verfahren musste ein per E-Mail werbendes Telekommunikationsunternehmen im Rahmen des gerichtlichen Rechtsstreits Auskunft über die Daten erteilen, die es über den Kläger gespeichert hatte. Die Auskunft wollte der Rechtsanwalt des Unternehemens per E-Mail erteilen und übermittelte die Daten daher auf elektronischem Wege.
Bedauerlicherweise beinhaltete die E-Mail-Signatur des Rechtsanwaltes standardmäßig folgende Formulierung:
“Aus Rechts- und Sicherheitsgründen ist die in dieser Mail gegebene Information nicht rechtsverbindlich. Eine rechtsverbindliche Bestätigung reichen wir Ihnen gerne auf Anforderung nach.”
Das mit der anschließenden Entscheidung um die Kostentragung befasste Landgericht Düsseldorf sah die Auskunftserteilung als nicht ordnungsgemäß erteilt an und führte aus, dass die E-Mail des Rechtsanwaltes der Beklagten bereits in sich die Maßgabe enthielt, dass die in der Nachricht erteilte Auskunft nicht rechtsverbindlich sei. Denn darauf werde in der E-Mail ausdrücklich hingewiesen. Bei dieser Sachlage jedoch, könne der Empfänger erst Recht nicht davon ausgehen, dass seinem Auskuftsanspruch entsprochen werde. Aus diesem Grunde verlor das beklagte Unternehmen die Kostenauseinandersetzung und musste einen nicht unerheblichen Betrag an die Gegenseite erstatten. Der Rechtsstreit wurde insoweit ausdrücklich durch den Dislaimer vereitelt.
5. Zusammenfassende Darstellung
Ein Disclaimer kann ein nützliches Instrument sein, wenn es allenfalls darum geht, häufig auftretende Risiken durch bloße Abschreckung zu minimieren. Im Einzelfalle kann der in der E-Mail-Signatur enthaltene Disclaimer ein nützliches – wenn auch untergeordnetes – Auslegungsindiz sein, etwa wenn über die Bindungswirkung einer Erklärung gestritten wird.
So gut wie nie kann ein Disclaimer jedoch eine Haftung (insbesondere gegenüber Nichtempfängern) minimieren oder gar ausschließen.
In vielen Fällen dürfte fraglich sein, ob eine für eine Vielzahl von Anlässen und Empfängern vorgefertigte Erklärung überhaupt einem einheitlichen Zweck dienlich sein kann. Gerade der unter Punkt 3. genannte Fall dürfte belegen, dass dies im Einzelfall eher schädlich sein kann.
(mm),
14 Antworten
Lustig sind auch solche “Hinweise”, man möge den Betreiber nicht ohne vorherige Kontaktierung abmahnen, da man sich sonst eine Gegenabmahnung vorbehalte und auch die Kosten für die Abmahnung nicht übernommen werden, etc.
Das aus den Köpfen der Kunden wieder raus zu erklären ist mühsame Sisyphusarbeit. 🙁
Verstehe ich es richtig, dass ich auf Impressum und Disclaimer verzichten kann, wenn ich eine rein private Internetseite betreibe. Auf meiner Seite gibt es keinen Verkauf, keine Reklame und kein fremdes Material.
@ Anna Blume
Nein, ein Impressum (Anbieterkennzeichnung) sollte grundsätzlich in die Webseite eingefügt werden. Der Artikel behandelt lediglich die Sinnhaftigkeit eines Disclaimers. Dieser befindet sich häufig auf der Impressum-Seite, ist jedoch nicht mit diesem identisch.
Danke für den Artikel, da haben sich doch noch einige Unklarheiten geklärt, die ich immer so vor mir hergeschoben habe.
@Alessandro schöner Artikel 5 Sterne 😉
Toller Beitrag Alessandro, zu nem leidigen Thema 🙂
@ Anna Blume: Das Problem ist, dass du auch eine private Seite im Netz haben kannst, was nicht immer komplett ausschließt das du nicht auch verpflichtet bist ein Impressum online zu stellen. Spätestens wenn du zum Beispiel deine Kosten mit Werbung zu decken versuchst ist ein Impressum Pflicht. Zudem halt auch Hinweise was Counter, GoogleWebmasterTools etc. betrifft.
Ich liebe Rechtsthemen! Bitte mehr davon, und weniger Photoshop-Gedöns. Das können englischsprachige Blogs einfach besser :]
Nu locker dich mal. Ist ätzend den Artikel zu lesen. Sehr geschwollen. Allerdings interessant.
Grazie, Alessandro! Solche Informationen sind sehr hilfreich wenn man auf der Internet seine Orientierung verliert *so wie ich*. Du kannst Regeln nicht wissen und deswegen viel Schlechtes tun. Ich frage mich ob es wichtig ist die Regeln für jedes Land zu kennen oder ob die selbe Regeln überall im Internet stimmen. Wo sind die Grenzen? lg, Elisa
Vielen Dank Elisabetta,
die Regeln sind je anch anwendbarem Recht, d.h. je nach Land unterschiedlich. Wenn man also Europaweit aktiv ist, sollte man stets sämtliche Rechte kennen und das eigene Angebot ggf. “standartisieren”.
MfG
AFP
Hmm, ist ja nett zu erfahren, was alles in einem Haftungsausschluss nicht zu stehen hat – sinnvoller wäre es aber vielleicht gewesen, auch darauf hinzuweisen, was in einem solchen drin stehen sollte.
Da solche Hinweise auf Haftungsbeschränkungen auf sehr vielen Internet-Seiten zu lesen sind, scheint es ja irgendeinen Sinn zu machen (andernfalls würde der Autor des obigen Artikels unterstellen, dass die Justiziare von Firmen mit einer Verkaufsplattform im Internet alles Vollpfosten sind – was ich irgendwie nicht so recht glauben kann…).
Ich finde es schrecklich, dass dieser ganze juristische Irrsinn auch in das Netz eindringt 🙁
Mein Linktipp: http://www.angstklauseln.de/
Neben einer fundierten Argumentation, warum Disclaimer wirkungslos sind, finden sich dort auch sehr sehr sehr amüsante Fundstücke!
Hätte es jetzt Interessant gefunden ob es auch nützliche/gültige disclaimer gibt – und beispiele hierfür.
Soweit aber nette beispiele für nicht wirksame disclaimer.
Wirklich ein sehr guter Artikel. Vielen Dank @Alessandro