Aufgepasst: ⏰ Digitale Zeiterfassung wird zur Pflicht für Unternehmen – EuGH
1. Inwieweit wirkt sich die Rechtsprechung des EuGH auf die Zeiterfassungspflicht aus?
Im September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt mit seinem Urteil 1 ABR 22/21 festgestellt, dass der § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) alle Arbeitgeber verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten erfassen können. Das BAG beruft sich in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich auf das oben genannte Urteil des EuGH zur Zeiterfassungspflicht.
Dieses Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs hat bereits im Mai 2019 festgelegt, dass alle Unternehmen in der EU Systeme schaffen müssen, mit denen die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten registrieren können. Allerdings hat das Urteil die konkrete Ausgestaltung den einzelnen Mitgliedsländern überlassen. Infolge der Corona-Pandemie, die andere Prioritäten setzte, und der im Herbst 2021 bevorstehenden Bundestagswahl wurde das Urteil in Deutschland in diesem Zeitraum noch nicht in deutsches Recht überführt.
Für Unternehmen und z.B. Webagenturen ergibt sich daraus, dass sie nunmehr verpflichtet sind, in ihren Betrieben Systeme zur Erfassung der Arbeitszeit der Beschäftigten einzuführen.
Laut EuGH muss die Erfassung der Arbeitszeit verlässlich, objektiv und leicht zugänglich sein. Die Nutzung elektronischer Systeme ist zwar nicht vorgeschrieben, sodass auch die Erfassung in Papierform möglich ist.
Der Arbeitgeber hat jedoch dafür Sorge zu tragen, dass das System revisionssicher und für die Arbeitnehmer praktikabel ist. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Arbeitszeiten auch tatsächlich registriert werden. Der Arbeitgeber kann dabei die Aufgabe der Zeiterfassung an die Arbeitnehmer übertragen.
Trotz der Urteile von EuGH und BAG war es bis dato unklar, ob deutsche Unternehmen reagieren müssen. Schließlich gibt es in vielen Betrieben Zeiterfassungssysteme, zum Beispiel in Form von Stechuhren. Jetzt liegt jedoch seit 13.04.2023 ein Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums als Reaktion auf die genannten Urteile vor. Arbeitsminister Heil schreibt hier die Nutzung elektronischer Zeiterfassungssysteme fest.
Der Gesetzentwurf muss erst noch Bundeskabinett und Bundestag passieren, ehe er gültig wird. Doch bereits jetzt sind Unternehmen auf Basis des erwähnten § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, Systeme zur Arbeitszeiterfassung zu implementieren. Dabei genügt es nicht, die Systeme lediglich bereitzustellen und die Nutzung den Arbeitnehmern zu überlassen. Die Arbeitgeber müssen die Nutzung sicherstellen.
2. Warum ist die digitale Zeiterfassung so wichtig?
Lange Rede, kurzer Sinn: Ein digitales Zeiterfassungssystem ist sicherer und einfacher als alles über die Papierform abzuwickeln. Sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber sinkt der administrative Aufwand mit einem digitalen System erheblich.
Zu erfassen sind Arbeitsbeginn, Arbeitsende, Pausen und Ruhezeiten sowie die Gesamtarbeitszeit. Ein digitales System macht es möglich, die erfassten Daten ohne Umwege zur Weiterverarbeitung in ein Lohn- und Buchhaltungssystem einzuspeisen, ggf. noch mit weiteren Schnittstellen zu einem Projektmanagement-Tool. Natürlich muss das System so aufgesetzt sein, dass weder ein nicht autorisierter Zugriff noch ein Datenverlust möglich sind.
Sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer sind also Transparenz und Rechtssicherheit gegeben. Sollte es zu Unstimmigkeiten zum Beispiel mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung kommen, kann jederzeit anhand der gespeicherten Daten die geleistete Arbeitszeit überprüft werden.
Nicht zuletzt lässt sich der Arbeitsaufwand eines abgeschlossenen Projektes überprüfen und anhand der vorliegenden Daten die Ressourcenplanung für ein nächstes Projekt viel genauer durchführen.
In Diskussionen zum Thema Arbeitszeiterfassung wird immer wieder das Ende der Vertrauensarbeitszeitregelung befürchtet. Die Gefahr besteht allerdings nicht. Vertrauensarbeitszeit heißt, dass der Arbeitgeber keinen konkreten Zeitpunkt für Arbeitsbeginn und Arbeitsende festschreibt, sondern nur die tägliche Länge der Arbeitszeit. Durch die digitale Arbeitszeiterfassung ist es nun genauer möglich, die Ableistung der vereinbarten täglichen Arbeitsstunden nachzuweisen.
Da Arbeitnehmer jederzeit Zugriff auf ihre Daten haben, wird die digitale Arbeitszeiterfassung auch zu einem Instrument der Selbstorganisation und -optimierung. Denn die Beschäftigte kann einfach überprüfen, wie viel Zeit er jeweils für die Erledigung bestimmter Aufgaben gebraucht hat.
3. Welche Varianten der digitalen Zeiterfassung gibt es?
Grundsätzlich bieten die modernen digitalen Zeiterfassungssysteme die Möglichkeit der Ein- und Ausbuchung des Arbeitnehmers an einem stationären Terminal, per Webbrowser und mit einer Mobil-App.
- Ein Terminal wird in der Regel ähnlich wie eine Stechuhr am Eingang einer Werkhalle, eines Geschäftsbereiches oder auch am Eingangstresen platziert.
- Die An- und Abmeldung per Webbrowser oder installierter App ist vor allem bei Büroarbeitsplätzen üblich. Das gilt auch für die Erfassung von Arbeitszeiten im Homeoffice, wenn der Computer mit dem Softwaresystem des Arbeitgebers online verbunden ist.
- Eine mobile App ist vor allem sinnvoll für Mitarbeiter im Außendienst oder auch für dezentrale Arbeitsstellen, zum Beispiel Außenlager, die nicht via Internet oder eine Standleitung mit der Zentrale verbunden sind.
In den meisten Systemen müssen keine An-, Abmelde- und Pausenzeitpunkte eingetragen werden. Im Hintergrund läuft eine Uhr, bei welcher die gesetzlichen Pausenzeiten bereits berücksichtigt sind. Zum An- und Abmelden genügt ein Klick auf einen Button auf der Benutzeroberfläche der Software. Das System registriert den Zeitpunkt und den Mitarbeiter automatisch.
Bei allen drei Varianten haben die Nutzer Zugriff auf ihr Mitarbeiterkonto. So können sie jederzeit sehen, ob sie Minusstunden haben oder wie hoch ihr Überstundenkonto angewachsen ist. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, für die Mitarbeiter bestimmte Regelungen wie Kernarbeitszeit, maximale Überstundenanzahl und Ähnliches zu hinterlegen. Außerdem kann live festgestellt werden, welche Mitarbeiter eingestempelt sind.
4. Inwiefern hilft eine digitale Zeiterfassung, Probleme bei der Arbeitszeiterfassung zu verringern?
Arbeitszeiterfassung in klassischer Papierform ist umständlich und birgt die Gefahr von Fehlern. Zumal die per Hand notierten Daten später noch manuell in die Lohnabrechnung übertragen werden müssen. Es kommt vor, dass Einträge in Zeitnot nicht zeitnah erfolgen und daher später nachgeholt werden müssen. Dabei kann es zu nicht korrekten Eintragungen kommen, weil der Mitarbeiter die korrekten Zeitpunkte nicht mehr weiß.
Bei der digitalen Zeiterfassung genügt ein Klick auf den entsprechenden Button. Das System erfasst den Zeitpunkt automatisch, die Daten werden korrekt im Mitarbeiterkonto gespeichert und an die Lohnbuchhaltung ohne Zwischenschritte übermittelt.
Das funktioniert mithilfe der Mobil-App auch, wenn der Mitarbeiter außerhalb unterwegs ist. Denn das Handy ist immer dabei. Bei Bildschirmarbeitsplätzen reagiert das System automatisch auf zwischenzeitliche Abwesenheiten oder das Herunterfahren des Rechners. Durch diese Automatismen werden grobe Fehler und kleine Ungenauigkeiten weitestgehend verhindert.
Die verschiedenen Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung machen das System flexibel. Der Arbeitnehmer hat praktisch immer die Möglichkeit, seine An- und Abmeldungen exakt vorzunehmen.
Die Speicherung der Daten im Mitarbeiterkonto schafft Transparenz über die geleisteten Arbeitsstunden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben jederzeit einen Überblick über normale Arbeitszeit, Überstunden, Arbeit an Sonn- und Feiertagen, Urlaube und natürlich auch Krankheitstage.
Es können keine Arbeitszeiterfassungsformulare verloren gehen, da die Daten unmittelbar gespeichert werden. Und die Speicherung erfolgt so sicher, dass keine unbefugte Manipulation der Daten oder ihr Verlust möglich ist. Datensicherheit und Datenschutz sind gewährleistet.
In das System kann die Erfassung projektbezogener Arbeitszeiten problemlos integriert werden. Das erleichtert die Auswertung des Arbeitszeitaufwandes von laufenden und abgeschlossenen sowie die Ressourcenplanung für weitere Projekte.
Ein weiterer Vorteil ist der unkomplizierte Zugriff (durch berechtigte Personen) auf die gespeicherten Daten. Sie stehen praktisch immer für die weitere Verarbeitung für Berichte, Abrechnungen oder Audits zur Verfügung. Die Daten liegen bereits in digitaler Form vor. Dadurch können sie direkt verarbeitet und müssen nicht erst manuell übertragen werden.
Das digitale Zeiterfassungssystem ist somit ein wichtiger Baustein dafür, dass das Unternehmen gesetzliche Vorgaben für die Arbeitszeitregelungen einhält.
Fazit: Welche Vorteile hat die digitale Arbeitszeiterfassung für Unternehmen?
Mit der Nutzung eines digitalen Zeiterfassungssystems entspricht das Unternehmen der bereits jetzt bestehenden gesetzlichen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Das System stellt sicher, dass die Vorgaben des EuGH hinsichtlich der Verlässlichkeit, Objektivität und leichten Zugänglichkeit erfüllt sind. Darüber hinaus ist ein digitales Zeiterfassungssystem zukunftssicher, da es die für das kommende Gesetz des Arbeitsministeriums erwartete Festlegung einer Pflicht zur Digitalisierung der Arbeitszeiterfassung bereits vorab gewährleistet.
Weitere Vorteile ergeben sich aus den Features solcher Systeme, die den Mitarbeitern die eigenverantwortliche Zeiterfassung erleichtern:
- Einfache Erfassung von Arbeitszeiten und Pausen,
- automatische Berechnung der tatsächlichen Arbeitszeiten,
- Management von Überstunden,
- einfaches Beantragen von Urlauben,
- Ein- und Auschecken per App (mobil per Handy, bei Anwesenheit im Haus am Terminal oder PC),
- automatische Registrierung von Arbeitsunterbrechungen an Laptop oder PC.
Das digitale Zeiterfassungssystem unterstützt die Lohn- und Gehaltsabrechnung durch die einfache Bereitstellung aufbereiteter Daten, die direkt weiterverarbeitet werden können. Da auch Projektmanagementtools eingebunden werden können, vereinfacht sich die Berechnung und Vergütung der durch Mitarbeiter im Rahmen von Projekten geleisteten Arbeiten.
Digitale Zeiterfassung minimiert Fehler, die bei der Erfassung in Papierform und bei der Weitergabe der so erfassten Daten auftreten können. Das wird mit der Einfachheit des Erfassungsvorgangs und der direkten digitalen Weitergabe der Daten erreicht. Die An- und Abmeldung der Arbeitnehmer erfordert nur einen Klick auf einen Button in der Mobil- oder Desktop-App. Den Zeitpunkt speichert das System automatisch mithilfe der internen Uhr.
Das System bietet den berechtigten Personen (z.B. Mitarbeiter der Lohnbuchhaltung und der Personalabteilung) und dem jeweiligen Mitarbeiter selbst völlige Transparenz und jederzeit einen Überblick über die erfassten Daten.
Datensicherheit wird bei digitalen Zeiterfassungssystemen selbstverständlich großgeschrieben. Auf gespeicherte Daten haben nur ein berechtigter Personenkreis und der jeweilige Mitarbeiter selbst Zugriff. Die Datenübertragung, insbesondere von den Mobil-Apps auf den Handys der Mitarbeiter in die Zentrale, erfolgt verschlüsselt. Ein Zugriff Dritter auf die Übertragung ist im Rahmen der technischen Möglichkeiten ausgeschlossen.
Kurzum, die Nutzung eines digitalen Zeiterfassungssystems macht diese wichtige Aufgabe einfacher für Mitarbeiter und Bearbeiter dieser Daten, vermindert die Fehleranfälligkeit in Erfassung und Weiterleitung der Daten und sorgt für Rechtssicherheit. Da digitale Zeiterfassung mit Inkrafttreten des bereits als Entwurf existierenden neuen Gesetzes des Arbeitsministeriums ohnehin zur Pflicht wird, ist jetzt der beste Zeitpunkt, ein solches System in Ihrem Unternehmen einzuführen.