Kurz und prägnant sollen die Texte auf Webseiten sein, doch gleichzeitig sollen Sie Branding erzeugen, Vertrauen schaffen und zum Kauf verleiten. Die Ermittlung der optimalen Textlänge muss mit Hilfe von Tests vorgenommen werden. Wie geht das?
Fast jeder Web-Trainer hat eine Hand voll Folien von Jakob Nielsen im Gepäck, wenn es um den besseren Text für die Website geht. Ausgehend von einer Poynter-Eyetracking-Studie aus dem Jahr 1997 entwickelte der Usability-Guru einen klaren Leitfaden zur Verbesserung von Webseiten-Texten. Er illustrierte deren Leistungsfähigkeit mit stark steigenden Erinnerungswerten und flankierender Zeitersparnis, die dem Nutzer das Surfen komfortabler macht.
Die Hälfte der Onliner scant die Seiten, die andere Hälfte liest systematisch (Poynter Institute)
Im Endergebnis kommt Nielsen auf die Idealform des Webtextes, der aus einer kurzen knackigen Einleitung und einer Aufzählung von Fakten in Form einer Liste besteht. Da der Nutzer die Seite nicht konzentriert liest sondern überfliegt, gibt ihm die Liste die Informationen schneller.
Was der Usability-Guru an dieser Stelle zu erwähnen vergisst, ist, dass sich die Poynter-Studie auf Nachrichten-Websites bezieht. Solche Sites haben aber einen ganz spezifischen Kontext und der Nutzer geht mit einer konkreten Erwartungshaltung auf die Suche nach Informationen. Eine erste Erwartung kann sein, die Informationen, wie bei Nielsen beschrieben, möglichst schnell aufnehmen zu wollen. Zu einem späteren Zeitpunkt des Besuchs oder im Wiederholungsfall kann sich das aber ändern, wenn der Nutzer tiefer gehende Informationen sucht.
In einer Kolumne aus diesem Jahr widerspricht Nielsen bis zu einem gewissen Grad seiner eigenen These. Er verlangt von Bloggern, sie sollten lieber längere, inhaltstiefe Artikel schreiben, als kurze, oberflächliche Blog-Postings.
Eine Frage des Kontext
Wie wichtig der Kontext für die passende Formatierung und Textlänge sein kann, zeigen zwei Beispiele aus der Praxis. Der Kontext der WebSite www.census.gov ist ein ganz seriöser. Es handelt sich um die offizielle Site der US-Behörden zur Veröffentlichung von Daten, Zahlen und Fakten zur amerikanischen Bevölkerungsstruktur und deren Entwicklung. Ein bierernstes Thema also.
In einem brandaktuellen Eyetracking-Test wollten Usability-Forscher herausfinden, wie lange die Nutzer brauchen, um die aktuelle Größe der US-Bevölkerung zu erfahren. Im Grunde dürfte das nur Sekunden dauern, denn die Zahl steht in dicken roten Zahlen rechts oben auf der Homepage. Das Ergebnis zeigte genau das Gegenteil: Nur 14 Prozent der Probanden konnten das richtige Ergebnis nennen. Zwei Drittel der Probanden nahm den Bereich der Seite zwar war, ignorierte aber die Information. Der Grund: Durch die auffallende Formatierung, die sich so stark vom Rest der Seite unterschied, vermuteten die Nutzer an dieser Stelle irrelevante Werbung.
Der kurze Text im kleinen Kasten liefert den Nutzern zu wenig Informationen, die Abbruchrate steigt
Der Testleiter dieses Versuchs war kein anderer als Nielsen persönlich. Und wieder treten zwei seiner Usability-Richtlinien miteinander Konflikt. Zum einen die Notwendigkeit, optische Prioritäten zu schaffen, um dem Nutzerauge Halt zu geben, zum anderen der Anspruch eine grafisch konsistente Umgebung zu erzeugen, die dem Nutzer Vertrauen in die Informationen einflößt.
Vor genau diesem Dilemma stehen auch die Marketer. Landeseiten, auf die eine Werbekampagne zielt, sollen schnell und prägnant informieren, den wichtigsten Mehrwert herausstellen und einen prominenten Bestellbutton zeigen. Sie sollen aber ebenfalls Vertrauen schaffen und so tief informieren, dass alle Fragen des Nutzers beantwortet werden.
Die US-Markforscher von Marketing Experiments haben die Suche nach der richtigen Textlänge für die eigenen Landeseiten analysiert. Zum Einsatz kamen unterschiedlich lange Texte, seriöse und verspielte Layouts sowie eine Landeseite mit und eine ohne Formular zur Kontaktaufnahme.
Die Ergebnisse:
- Die Abbruchquote auf der mittellangen Seite war geringfügig niedriger, als auf der ganz langen Seite (2 Bildschirme)
- Die Abbruchrate beim langen Formular ist deutlich höher, als wenn nur die eMail-Adresse verlangt wird
- Eine noch weiter verkürzte Variante schaffte erneut eine deutliche Reduktion der Abbruchquote
- Dann aber war Schluss. Die extreme Kurzfassung mit Bild und zwei Zeilen Text konvertierte deutlich schlechter
- Im Ergebnis konnte die Abbruchquote um die Hälfte gesenkt werden
Das Beispiel zeigt, dass es einen kontextabhängigen Grundinformationsbedarf der Nutzer gibt. Unterläuft der Seitentext hinsichtlich Textlänge oder Formatierung diesen Bedarf, bricht die Conversionrate ein. Die Ermittlung der optimalen Textlänge muss mit Hilfe von Tests vorgenommen werden. ™
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