Die Beantragung der Insolvenz ist praktisch das öffentliche Geständnis der Zahlungsunfähigkeit. Kein Wunder, dass viele Unternehmer trotz finanzieller Schieflage diesen Schritt hinauszögern. Doch das kann ein folgeschwerer Fehler sein. Wir verraten nun, wie bei einer drohenden Insolvenz vorzugehen ist.
Die Wirtschaftskrise hat die Anzahl der Insolvenzen in die Höhe getrieben. Alleine im November 2009 meldeten 2.539 Unternehmer Insolvenz an. Verglichen mit dem Vorjahr entspricht das einem Anstieg von sechs Prozent. Bei den Privatinsolvenzen ist die Statistik sogar noch düsterer. Sage und schreibe 8.852 Verbraucher mussten Insolvenz anmelden, was einem Anstieg von 12,4 Prozent entspricht (Quelle). Ein Ende dieser “Insolvenzen-Welle” ist nicht in Sicht. Für uns war das Grund genug, uns näher mit diesem unschönen Thema auseinanderzusetzen.
Laut Lexikon-Erläuterungen wird von einer Insolvenz gesprochen, wenn der Schuldner seinen Zahlungspflichten gegenüber den Gläubigern nicht nachkommen kann. Das heißt natürlich nicht, dass bei der ersten unbezahlten Rechnung gleich die Insolvenz droht. Doch wenn man seine Rechnungen über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann, spätestens wenn das Geschäftskonto gesperrt wird, liegt eine ernste Situation vor. Vielleicht kann das Problem gelöst werden: Die Hilfe des Runden Tisches könnte unter Umständen eine Insolvenz abwenden. Ein offenes Gespräch mit den Gläubigern kann ebenfalls hilfreich sein, denn vielleicht einigt man sich auf eine Ratenzahlung, Stundungen oder gar Teilerlässe. Eventuell lässt sich ein Bürge oder ein Geldgeber finden, der einem finanziell unter die Arme greift. Sollten all diese Versuche ins Leere laufen, muss man in den sauren Apfel der Insolvenz beißen.
Eine juristische oder natürliche Personen?
Bei Insolvenzen wird grundsätzlich zwischen der Insolvenz einer juristischen Person und der Insolvenz einer natürlichen Person unterschieden. Einzelunternehmer, Freiberufler und Verbraucher gelten als natürliche Personen. Die Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft wie AG oder GmbH oder Genossenschaft (e.G.) sind wiederum juristische Personen. Juristische Personen unterliegen der gesetzlichen Pflicht, bei einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anzumelden. Eine Insolvenzverschleppung – ob nun vorsätzlich oder fahrlässig – ist eine Straftat und kann mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Stellt sich nur die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Pflicht der Insolvenzanmeldung vorliegt.
Schon bei der ersten unbezahlten Rechnung oder erst nach einem längeren Zeitraum der Zahlungsunfähigkeit? Leider gibt es dazu keine gesetzliche Richtlinie. Selbst Paragraph 17 der Insolvenzordnung ist nicht aussagekräftig. Es heißt lediglich: “Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“ Rechtsanwalt Jörg Franzke gibt auf seiner Webseite immerhin eine grobe Faustregel bekannt, derzufolge eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn mehr als 20 Prozent der fälligen Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können (siehe hier).
Von einer Überschuldung kann wiederum gesprochen werden, wenn das Gesamtvermögen der Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Aus diesen beiden Gründen ergibt sich also die Pflicht, eine Insolvenz anzumelden. Laut Jörg Franzke darf sich die Anmeldung zwar um drei Wochen verzögern, doch die Voraussetzung ist, dass der Unternehmer während dieser Zeit nachweislich versucht hat, das Unternehmen zu retten.
Freiberufler beziehungsweise Einzelunternehmer, die sogenannten natürlichen Personen, können sich nicht der Insolvenzverschleppung schuldig machen. Überhaupt wäre die Insolvenzanmeldung in einigen Branchen kritisch. Wenn sich Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater insolvent melden, verlieren sie ihre Zulassung. Sie dürften dieser Tätigkeit nur noch in einem Angestelltenverhältnis, praktisch unter Aufsicht, nachgehen. In anderen Branchen, wie zum Beispiel im IT-Bereich, bestehen diese Probleme nicht. In der Regelinsolvenz wäre es also durchaus möglich, während des Verfahrens den Geschäftsbetrieb weiterhin aufrecht zu erhalten.
Wie bereits erwähnt gelten Freiberufler sowie Einzelunternehmer als natürliche Personen. Das hat den Vorteil, dass sich das vereinfachte Privatinsolvenzverfahren anwenden lässt. Voraussetzung ist, dass es keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gibt (Gehaltsforderungen von Arbeitnehmern), dass überschaubare Vermögensverhältnisse herrschen (maximal 20 Gläubiger) und dass die selbstständige Tätigkeit nicht weiterhin ausgeübt wird.
Die Insolvenzen
Nun möchten wir auf die beiden möglichen Insolvenzen näher eingehen und den Ablauf einer solchen Insolvenz beschreiben. Wir möchten aber darauf hinweisen, dass die Insolvenzen komplexe Verfahren sind, bei denen zahlreiche Eventualitäten berücksichtigen werden müssen.
Hinweis: Dieser Beitrag kann die Konsultation eines kompetenten Schuldnerberaters beziehungsweise Rechtsanwalts nicht ersetzen. Wir möchten lediglich mit leicht verständlichen Erklärungen in das Thema einführen.
Die Privatinsolvenz
Bevor die Privatinsolvenz beantragt werden kann, muss ein außergerichtlicher Einigungsversuch erfolgen. Bei dem Versuch einer solchen Schuldenbereinigung läuft es meist auf einen Zahlungsplan mit festen Raten und Zahlungsterminen hinaus. Wichtig ist, dass ein Anwalt oder Schuldnerberater die Verhandlungen übernimmt. Denn nur Anwälte oder Schuldnerberater wären später dazu berechtigt, ein mögliches Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs zu bestätigen. Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns ist leider sehr groß, weil die Ablehnung und spätere Zwangsvollstreckung durch einen einzigen Gläubiger den gesamten Einigungsversuch zum Scheitern bringen kann.
Endet ein außergerichtlicher Einigungsversuch erfolgreich, ist somit auch das gesamte Verfahren erfolgreich abgeschlossen. Ansonsten aber geht das eigentliche Insolvenzverfahren jetzt erst richtig los, indem ein Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht gestellt wird. Bevor das Verfahren beginnt, prüft das Gericht die Erfolgsaussicht eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan. Sollte eine Erfolgsaussicht vorhanden sein, startet praktisch der allerletzte Versuch, die Insolvenz doch noch abzuwenden. Der gerichtliche Schuldenbeseitigungsplan, bei dem alle Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt werden, wird wieder an die Gläubiger verschickt. Sofern nicht mindestens die Hälfte der Gläubiger den Plan ablehnen, kann die Planung umgesetzt werden. Wichtig: Bei „der Hälfte der Gläubiger“ richtet es sich nicht nach der Anzahl der Gläubiger, sondern nach der Höhe und Anzahl der Forderungen. Die Zustimmungen und Ablehnungen haben je nach Forderung also einen unterschiedlichen Wert.
Scheitert auch der gerichtliche Einigungsversuch, ist die Eröffnung des Insolvenzverfahren die logische Konsequenz. Das heißt: Ein Treuehändler übernimmt die Verwaltung des Vermögens, des pfändbaren Einkommens sowie über die Hälfte zufallender Erbteile, um damit die Gläubiger in Höhe der festgelegten Quote zu bedienen. Währenddessen ist der Schuldner dazu verpflichtet, jede zumutbare Arbeit anzunehmen beziehungsweise sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Sollte nach sechs Jahren die Schuld nicht vollständig getilgt sein, erfolgt die Beantragung der Restschuldbefreiung. Sofern der Schuldner keine Insolvenzstraftat begangen hat, keine falschen Angaben machte und kein hinzubekommenes Geld unnötig verschwendet hat, wird der Antrag bewilligt und der Schuldner ist ab sofort schuldenfrei.
Die Regelinsolvenz
Wer als eine juristische Person gilt, mehr als 20 Gläubiger hat oder den Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten möchte, wird das Regelinsolvenzverfahren anwenden müssen. Dieses beginnt grundsätzlich mit einem so genannten Berichtstermin, bei dem der Insolvenzverwalter den Gläubigern von der Unternehmenssituation berichtet. Eine unangenehme Tatsache ist aus Sicht des Unternehmers, dass die Gläubiger darüber entscheiden dürfen, ob das Unternehmen weitergeführt oder liquidiert wird. Die Gläubiger fällen ihre Entscheidung natürlich aufgrund des eigenen Interesses – in der Regel diejenige Variante, die eine größtmögliche Tilgung ermöglicht.
Im Falle einer Sanierung würde ein Sanierungsplan (hier weitere Infos) aufgestellt werden. Das Ziel wäre, das Untenehmen wieder zu schwarzen Zahlen zu verhelfen, so dass die Forderungen der Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt getilgt werden können. Entscheiden sich die Gläubiger wiederum für eine Liquidation (der Auflösung des Unternehmens), wird das Unternehmen aufgelöst und das gesamte Firmenvermögen wird unter den Gläubigern aufgeteilt. Es beginnt dann mit dem so genannten Prüfungstermin. Die Gläubiger müssen ihre Forderungen in der Forderungstabelle auflisten, damit der Insolvenzverwalter diese prüfen kann. Werden einzelne Forderungen bestritten, hat der Gläubiger das Recht dazu, vor Gericht zu ziehen und die Forderung klageweise feststellen zu lassen.
Alle Gläubiger mit berechtigter Forderung werden bei der folgenden Erlösverteilung ihre Ansprüche geltend machen können. Die Vermögensgegenstände des Gläubigers müssen zuvor verwertet worden sein, weil lediglich Bargeld an die Gläubiger ausgezahlt werden darf. Es ist also nicht möglich, einen Gläubiger mit einem Auto oder einem neuen Computer zufrieden zu stellen. Überhaupt ist die Erlösverteilung ein komplexes Verfahren, wobei feste Richtlinien eingehalten werden müssen. Genauere Informationen sind hier zu finden.
Der letzte Schritt dieses Insolvenzverfahren ist der Aufhebungsbeschluss. Danach kann der Schuldner über sein Vermögen verfügen. Sollten durch die Insolvenz noch nicht alle Schulden beglichen sein, können die Gläubiger die Restschulden theoretisch nun wieder geltend machen. Doch weil der ehemalige Unternehmer nun eine natürliche Person ist, das Unternehmen existiert schließlich nicht mehr, kann er die Restschuldbefreiung beantragen. (Quelle)
(sl), (mm),