Da mühen sich Generationen von Webdesignern um ein vielfältiges benutzerfreundliches Gesicht des Webs und was machen wir? Wir verwenden Facebook, wo alles gleich aussieht. Ja, das Headerbild und ein Logo kann man anpassen. Aber sonst?
Nur ein einziges Mal darf man die Adresse oder den Namen ändern. Mein Webserver hingegen erlaubt mir das immer wieder. Da darf ich alles, sogar die Domain kann ich wechseln. Die Selbstbestimmung gibt man bei Facebook schon bei der Anmeldung an der Garderobe ab. Und bekommt sie nie wieder zurück.
Es wäre ungefähr so, als würden alle wieder in einheitsblauen Mao-Anzügen herumlaufen und hätten nur unterschiedliche Mützen auf.
Das kann niemand wollen. Trotzdem machen alle mit. Die Hölle hat eine Farbe. Es ist #3B5998, Facebookblau. Es erscheint seltsam, aber diese Gleichmacherei ist ein unerwartet kommunistischer Zug an Facebook, das ansonsten selbstverständlich ein von Gier getriebenes turbokapitalistisches Raubtierunternehmen ist. Hat jemand Zweifel?
Wozu bemüht man sich um Typografie, um Usability, um Suchmaschinenoptimierung, um Geschwindigkeit und nochwas für Optimierungen, wenn an diesem Ort eh alles egal ist. Facebook ist Einheitslook und Einheitslook ist hässlich. Und langweilig. Das ist so, als gäbe es für WordPress und den Rest des Webs nur ein einziges Theme und alle müssten es benützen – ohne Ausnahme. Wie uncool wäre das? Aber Facebook setzt uns genau das vor.
Davon abgesehen dürften wir unter verschiedenen Facebook Themes oder Vorlagen von den besten Designern wählen oder könnten unser eigenes CSS dort hineinschreiben, würde das Facebook auch nicht retten. Die Plattform ist aus zahlreichen weiteren Gründen schädlich für das Internet und die es benutzenden Menschen und Unternehmen.
Ja liebe Unternehmen, wie könnt ihr da mitmachen, eure Homepage und Websites aufgeben und gegen blauen Dreck eintauschen? Weil es funktioniert natürlich. Aber ihr begebt euch in eine Abhängigkeit. Der Zahltag wird kommen. Facebook ist dann die bestimmende Macht. Und sagt, wer was zu sehen bekommt und welcher Preis draufsteht. Das Monster zieht eine neue Ebene ins Internet. Ein Internet im Internet, wie es Denis Sandmann in einem Posting nennt nannte (Artikel nicht mehr verfügbar).
Ja, Facebook will das Internet ersetzen, selbst zum Internet werden. Dieses neue Internet ist dann aber nicht mehr frei wie die Luft zum Atmen frei und für alle da ist, sondern es wird Konzernen aus den USA gehören (Google, Apple und Microsoft und andere mischen auch noch mit). Rufe doch mal internet.org auf. Auch in Indien findet man das nicht immer nur gut. Inzwischen hat man auf die Kritik reagiert und die Initiative „eingestellt“ … Nein, natürlich nicht, man hat den Namen geändert – internet.org heißt jetzt „Free Basics“. Tricks statt Ehrlichkeit. Lies zu diesem Themenkomplex auch: Das ist nicht das Internet, Herr Zuckerberg. Kritik an Facebooks Initiative „internet.org“ wächst
Facebook hat es geschafft, eine neue Ebene in das Web einzuziehen. Eine Gated Community wie seinerzeit AOL. Auch das ist real existierender Sozialismus. Wie einst die Mauer die Bürger der DDR drinnen halten sollte, versuchen die Manager möglichst alles in ihr Netz zu ziehen. Eines Tages wird man es nie mehr verlassen müssen. Man wird geboren und stirbt in Facebook – gewissermaßen.
Die Schimäre aus Menlo Park
Vor allem sind es Marketingleute, die einen eine Facebook Page aufschwatzen wollen. Das sind die gleichen Leute, die Ihnen früher Myspace empfohlen und gestern Ello schmackhaft haben machen wollen. Das liegt quasi im System, diese Leute müssen das tun. Sie sprechen von Markenkommunikation. Auch Journalisten und Blogger brauchen etwas zum Schreiben. Geschenkt. Man muss das alles ja nicht glauben.
Wie selbstbestimmt ist man in dem Netzwerk? Viel darf man ohnehin nicht. Die Gestaltung ist vorgegeben, ebenso sind es die Wege. Kommentare von Nutzern kann ich als Administrator verbergen. Immerhin. Aber hier kann ich sie auch editieren. Na gut, auch zensieren. Was ich nicht tun will, aber manchmal nötig ist, auch um einen Nutzer vor sich selbst zu schützen. Worauf ich hinauswill: Facebook nimmt uns unsere Eigenständigkeit. Wir dürfen nur noch das, was Facebook uns erlaubt. Bisher durfte man noch selbst entscheiden. Grenzen gibt es da auch, dafür gibt es Gesetze, die Moral und Eigenverantwortung. Bei Facebook aber gibt es nur … du weisst schon. Wie wäre es denn, wenn Facebook auf die Idee käme, Kommentare grundsätzlich auf eine bestimmte Anzahl von Zeichen zu kürzen oder – noch besser – Sponsored Comments einführen würde, das wäre dann Werbung für Konsumprodukte direkt als Kommentar unter deinen schönsten Beiträgen. Klingt das weit hergeholt?
Mitnichten, Nutzer von Disqus haben schon davon gehört. Dieser ebenfalls kalifornische Dienst bietet, an die Kommentarfunktion in Medien, Blogs vollständig zu übernehmen. Dafür bekommt man im Gegenzug Funktionen, die ein Standardkommentarbereich nicht hat. Bloß die Daten liegen nicht mehr auf dem eigenen Server, die hat nun Disquus. Und die müssen Geld verdienen. Von allein läuft die Maschinen nicht. Also denkt man erst laut darüber nach, Testballon und so … Um dann Werbung einzuführen. Egal, ob sie es nun gemacht haben oder der ein Wunsch blieb.
Es zeigt, was diese Leute tun können und wozu sie bereit sind. Aufhalten kann sie nur die Entschlossenheit der Nutzer. Werbung in meinem Kommentarbereich ist für mich undenkbar. Kontrollieren könnte man das nicht, ebenso wenig den Weg, den die Daten nehmen, die Disqus erhebt und handelt. Selbst vor Black Hat SEO Techniken schreckt dieses Start-up nicht zurück. Siehe oben verlinken Wikipedia Artikel.
Warum gibt es eine Renaissance des E-Mail-Newsletters? Vor 10 Jahren schon tot geglaubt, bietet ihn heute gefühlt jede zweite Website an. Und das oft recht aggressiv mit PopUps und ähnlich aufdringlichen Methoden. Das ist Notwehr, hier wird versucht, das eigene Publikum zu binden und zu halten. Bevor es auf Facebook auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Die E-Mail bietet immerhin eine Chance, die Leute zurück auf die Seiten zu bringen.