Wenn ein Vorzeige-Flasher wie Carlo Blatz auf einmal Silverlight-Anwendungen entwickelt, muss an der Microsoft-Technik etwas dran sein. Oder es steckt ein potenter Auftraggeber hinter dem Projekt? Oder beides?
Dr. Web: Herr Blatz, wie kommt eine renommierte Flash-Agentur wie die Powerflasher auf die Idee, ein Silverlight-Projekt umzusetzen?
Carlo Blatz, Gründer und Geschäftsführer der Powerflasher: Wir evaluieren alle viel versprechenden, neuen Technologien. WPF (Windows Presentation Foundation) haben wir uns als XAML-basierende Umgebung für RichMediaApplikations angesehen.
Am lebenden Objekt durften wir es dann einsetzen, als unser Kunde T-Online eine komplexe CDRom-Anwendung speziell für Vista produzieren wollte. Die Anwendung hatten wir bereits erfolgreich in Flash für andere Plattformen entwickelt, doch das lief noch nicht so gut unter Vista.
Dr. Web: Keine Skrupel vor dem Plattformwechsel?
Blatz: Das stellt für uns keinen Wechsel der Lager dar. Wir wählen lediglich die richtige Technik für das richtige Projekt. Wir sehen die Technologien nicht als Konkurrenzprodukte. Unsere Vision ist es viel mehr Innovationen zu schaffen und da ist die Idee maßgeblich und nicht die Umsetzungstechnik. Flash ist weiterhin unser Kerngeschäft, aber da die Anforderungen des Marktes an uns weiter steigen, werden wir auch im WPF-Bereich aktiver.
Dr. Web: Und wofür ist Silverlight die richtige Technik?
Noch zeigt die Showcase von Microsoft eher exotische Beispiele für den Einsatz von Silverlight
Blatz: Eine Vista-Anwendung kann man natürlich mit WPF am besten integrieren. Wenn diese Anwendung dann auch ins Netz soll, ist der Schritt zu Silverlight (ein WPF light) absolut konsequent.
Für unseren Kunden Yello Strom haben wir bereits eine WPF-Anwendungen realisiert, nämlich ein PC-Interface für eine digitalen Stromzähler. Das war nahe liegend, da die verarbeiteten Daten dafür zumeist aus der Dot.Net-Welt stammten. Hier arbeiten wir bereits an weiteren Innovationen, die dann hoffentlich nicht nur im Stromnetz, sondern auch mittels Silverlight weltweit im Netz erscheinen.
Dr. Web: Und wo ist Silverlight besser?
Blatz: Das standardisierte Ausgabeformat von WPF und Silverlight ist XAML. Diese Sprache ist vektorbasiert. Die Integration von RichMedia ist auf besondere Weise möglich. Und den WPF-Programmierern stehen die riesigen Möglichkeiten von Dot.Net offen, mit denen auf der Ebene der Software-Produktion natürlich eine Menge zu machen ist.
Silverlight ermöglicht also durch das XAML-Format in der Theorie echtes Roundtripping, also das Hin- und Herwechseln zwischen unterschiedlichen Arbeitsprozessen und Werkzeugen mit immer dem gleichen Ausgabeformat.
In der Praxis braucht man dafür natürlich erst einmal viel Geduld und Erfahrung. Z.B. fehlt eine Exportmöglichkeit des Vektorformats vollständig. Aber auch in punkto Hardwareunterstützung und Performance hat Silverlight in einzelnen Bereichen Vorteile. Über solche Dinge braucht man fundiertes Wissen um Projektweise die richtige Technologieentscheidung machen zu können.
Noch wichtiger für die Projektentscheidung ist allerdings, wo die Entwickler im Team herkommen. Hat man WPF- und Dot.Net -Entwickler, ist der Gang zu Silverlight kürzer.
Dr. Web: Und wo ist Silverlight schlechter als Flash?
Blatz: Auf jeden Fall im Funktionsumfang von Grafik und Animation ist Silverlight schlechter als Flash – insbesondere, wenn man die aktuellen Versionen vergleicht. Da ist Silverlight auf einem Stand, den Flash vor Jahren schon hatte. Und natürlich im Bereich der Penetration. Das ist zweifellos für viele Projekte das wichtigste Kriterium überhaupt: Wer dringenden Wert auf hohe Marktdurchdringung legt, kann Silverlight heute noch nicht einsetzen.
Dr. Web: Was halten Sie von den Expression-Werkzeugen?
Blatz: Wir waren erstaunt über die moderne Benutzerschnittstelle. Da sind einige Elemente drin, die besser sind, als in den Adobe-Werkzeugen. In vielen Punkten sind sie auch aber einfach etwas ganz anderes. Der MS-Designer leistet in der Vektor-Grafik gute Dienste für das Design, was dann die WPF-Projekt mit Hilfe von MS Blend integriert. Im Blend bewegt man sich aber doch eher auf halber Programmiererebene.
Man merkt, dass zum Beispiel Flash durch den Zwang zur Abwärtskompatibilität viele Altlasten mit sich trägt. Der Timeline-Ansatz in Flash ist gerade für Einsteiger nicht leicht zu verstehen. Die Previews der neuen Flash-Version zeigen aber mit einigen Neuerungen, dass so ein Wettbewerb gut für die Nutzer ist.
Dr. Web: Was muss Microsoft machen, damit Silverlight eine Erfolgsgeschichte wird?
Blatz: Damit das MS Expression Studio ein Erfolg wird, müssen sie zunächst einmal verstehen, wie Designer ticken. Die lieben ihr Photoshop und werden nicht davon lassen. Microsoft kann z. B. mit seinen Tools noch keine Pixel bearbeiten. Außerdem werden Designer und Flasher auch keine riesigen SDKs durcharbeiten. Im Bereich der Einsteiger sieht das vielleicht schon anders aus. Andererseits sind für Einsteiger die Tools zu komplex. Man darf natürlich nicht vergessen, dass die Tools noch in der ersten Version sind.
Sonst muss Microsoft vor allem die Penetration vorantreiben, aber das wird mit Sicherheit gelingen. Außerdem verlangt die Szene nach Linux-Unterstützung.
Damit also Silverlight ein Erfolg wird, muss Microsoft erreichen, dass viele Firmen bereit sind, tolle spannende Silverlight-Projekte zu machen, damit die User einen Mehrwert im Silverlight-Plug-In sehen können. Warum sollten sie sich sonst noch etwas runterladen, wenn nur etwas kommt, was sie mit Flash eh schon haben?
Dr. Web: Wer gehört heute zu den Entwicklern, die bereits Silverlight einsetzen?
Blatz: Momentan kommen die Entwickler, die Silverlight und WPF einsetzen eher noch aus der Dot.Net-Welt. Hier experimentieren einige damit. Allerdings ist diese Welt sehr „grau“ durch WinForms, weil es ihr an Designern fehlt, die sich dafür interessieren.
Im Moment experimentieren sehr viele damit. Vor allem dort, wo es nicht auf die ganz große Reichweite ankommt. Ich kenne einen Flasher, der komplett gewechselt hat. Der war aber auch vorher schon DotNet-affin.
Dr. Web: Und wann arbeiten Sie am nächsten Silverlight-Projekt?
Blatz: Ende des Jahres werden wir eine neue WPF-Anwendung zeigen und möglicherweise auch auf Silverlight ausweiten.
Dr. Web: Herr Blatz, vielen Dank für dieses Gespräch.
Erstveröffentlichung 13.06.2008
Wie hilfreich war dieser Beitrag?
Klicke auf die Sterne um zu bewerten!
Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0