Die formalen Anforderungen an die Buchhaltung von Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden sind nicht besonders hoch. Die als Arbeitserleichterung gedachten Softwarepakete für Buchführungseinsteiger machen die Sache oft unnötig kompliziert. Wir sorgen für Durchblick im Buchhaltungsdschungel und zeigen, wie Sie Ihr Rechnungswesen mit einfachen Mitteln organisieren.
Die rechtlichen Grundlagen der Kleine-Leute-Buchhaltung haben wir vor einiger Zeit unter der Überschrift EÜR: Buchhaltung für jedermann vorgestellt. Kleinunternehmer und Selbstständige wie die freiberufliche Webdesignerin, die hauptsächlich für drei, vier Kunden arbeitet, im Monat zehn Rechnungen verschickt und gerade mal zwanzig Ausgabebelege produziert, brauchen für die praktische Umsetzung der Steuervorschriften weder eine Finanzbuchführungssoftware (FIBU) noch andere spezielle Programme für das betriebliche Rechnungswesen. Einsteigerlösungen wie…
das Wiso Kassenbuch oder die WISO-Buchhaltung von Buhl Data, Büro Easy oder Lexware Buchhalter von Lexware oder auch das PC-Kaufmann Startpaket von Sage
… werden zwar als einfach zu handhabende „Rundum-Sorglospakete“ angepriesen. Trotzdem stellen sie Buchführungslaien vor oft unüberwindlich scheinende Probleme.
Profi-Software: Überforderung für Buchhaltungs-Neulinge
Dabei bemühen sich die Hersteller viel mehr als früher um die Zielgruppe der Klein(st)unternehmer. Doch selbst die eher schlichten EÜR-Programme setzen nach wie vor Erfahrungen mit kaufmännischen Begriffen und Prozessen voraus.
Buchführung? Was ist das eigentlich?
Hinzu kommt, dass der Funktionsumfang von kaufmännischen Software-Lösungen extrem unterschiedlich ist. Unter den Bezeichnungen „Buchführung“ und „Buchhaltung“ werden nämlich ganz verschiedene betriebliche Aufgabenstellungen zusammengefasst:
1. Gewinnermittlung
Im einfachsten Fall ist damit die schlichte Vorbereitung der steuerlichen Gewinnermittlung für die jährliche Einkommensteuererklärung von Selbstständigen gemeint. Das heißt die Erfassung von einzelnen Einnahme- und Ausgabevorgängen und deren spätere Zusammenfassung und Übertragung in Steuerformulare. Üblicherweise ist auch die Vorbereitung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Jahreserklärungen Teil der Finanzbuchführung im engeren Sinne – obwohl das keineswegs alle Unternehmer betrifft. Dazu gehört inzwischen auch eine so genannte Elster-Schnittstelle, über die die elektronische Übermittlung der Umsatzsteuermeldungen an das Finanzamt abgewickelt wird. Bereits die einfachen Programme helfen außerdem vielfach beim Führen eines separaten Kassenbuches (für Barzahlungen aller Art), bei der Ermittlung von Abschreibungen und der Verwaltung des betrieblichen Anlagevermögens (= Inventarlisten, Anlagen-Buchführung).
2. Auftragsbearbeitung
Manche Einsteigerlösungen unterstützen ihre Anwender darüber hinaus bei der Auftragsbearbeitung. Darunter versteht man die Erstellung von Geschäftsbriefen wie Angeboten, Rechnungen, Mahnungen und Gutschriften gemeint sowie die Überwachung von Zahlungsein- und -ausgängen. Damit einher geht dann sinnvollerweise eine Kunden-, Lieferanten- und Artikel-Stammverwaltung. Denn die Automatisierung zum Beispiel des Rechungsschreibens ergibt nur dann Sinn, wenn regelmäßig wiederkehrende Geschäftsdaten auf Knopfdruck eingefügt werden können (wie zum Beispiel Adressen, Preise, Steuersätze oder Zahlungskonditionen).
Ein eigenes Onlinebanking-Modul (oder die Schnittstelle zu einer bereits vorhandenen Onlinebanking-Software) kann den Erfassungsaufwand bei der Buchführung deutlich verringern. Sie gleichen die Angaben auf den Kontoauszügen der Bank mit Ihren eigenen „Offenen Posten“ ab (Mahnwesen, Ein- und Ausgangsrechnungen) oder machen die Bankdaten gleich zur Grundlage von Belegbuchungen.
Praktischerweise werden darüber hinaus üblicherweise Schnittstellen zum Steuerberaternetzwerk („DATEV“) bereitgestellt. Die eigenen Büro gebuchten laufenden Geschäftsvorgänge können so auf einen Schlag an den Steuerberater weitergereicht und dort in Form der betriebswirtschaftlichen Auswertung („BWA“) zusammengefasst und für die Steuererklärung optimiert und aufbereitet werden.
3. Buchhalters eierlegende Wollmilchsau
Damit sind die Bereiche des betriebliches Rechnungswesens aber noch bei weitem nicht abgedeckt. Kaufmännische Komplettpakete liefern darüber hinaus Hilfestellungen bei…
- der Lagerverwaltung (Materialwirtschaft),
- der Kundenbetreuung (CRM),
- der Personalverwaltung (Lohnbuchführung),
- der Betriebskalkulation (Kosten-/Leistungsrechung),
- beim Controlling (Kennzahlsteuerung, zum Beispiel Liquiditätsrechnung, Soll-Ist-Vergleiche),
- beim Projektmanagement und inzwischen auch bei der Anbindung von Online-Shops.
Oft werden die Buchhaltungsmodule, die nicht zur Finanzbuchführung im engeren Sinne gehören, in so genannten „Warenwirtschaftssystemen“ zusammengefasst.
4. Branchenanpassungen
Zu allem Überfluss gibt es all diese Bestandteile schließlich noch in unterschiedlichsten Kombinationen als Branchenlösungen. Darin sind dann die Komponenten zu einem Bündel geschnürt, die im jeweiligen Geschäftszweig Sinn ergeben. Die Geschäftsabläufe und die sich daraus ergebende Buchführungspraxis eines selbstständigen IT-Freiberuflers unterscheiden sich nun einmal grundlegend von denen eines Ebay-Händlers oder Handwerkers.
5. Private Finanzoptimierung und Beratung
Wenn ein umfassendes Finanz-Softwarepaket die betriebliche Buchführung zu allem Überfluss auch noch mit der privaten Steueroptimierung im Rahmen der Einkommensteuererklärung sowie der persönlichen Vermögensverwaltung (Finanzanlagen) verknüpft, ist das Buchführungsdickicht aus Sicht von Einsteigern komplett.
Zumal die kommerziellen Buchführungsprogramme die eigentliche Erfassung, Verwaltung und Auswertung von Geschäftsvorgängen aller Art noch dazu mit der inhaltlichen Beratung in Steuer- und Rechtsfragen kombinieren. Nur so können Hersteller schließlich rechtfertigen, dass nicht nur ein – meist erschwinglicher – Anschaffungspreis zu bezahlen ist, sondern auch die jährliche Update-Gebühr. Allein mit programmtechnischen Anpassungen an veränderte Steuervorschriften ließen sich die oft happigen laufenden Kosten nicht erklären.
Wundern Sie sich bei der ungeheuren Vielfalt möglicher Funktionen noch über die Schwierigkeit, die besten auf den Einzelfall zugeschnittenen Buchführungs-Komplettpakete zu finden, deren Preis-Leistungsverhältnis zu beurteilen und sich an die Bedienung zu gewöhnen?
Weitgehende Formfreiheit
Zunächst einmal sollten Sie sich von der ellenlangen Funktionsliste bloß nicht abschrecken lassen. Falls nur die wenigsten der genannten Aufgabenbereiche auf Sie zutreffen, umso besser: Ignorieren Sie den Rest. Zur Erinnerung: Als Freiberufler oder Kleingewerbetreibender müssen Sie abgesehen von der „Anlage GSE“ und dem „EÜR-Formular“ überhaupt keine formalen Vorschriften erfüllen. Und bei Umsätzen bis zu 17.500 Euro pro Jahr ist sogar das EÜR-Formular entbehrlich.
Eine spezielle Software brauchen Sie genau genommen nur für die papierlose Umsatzsteuervoranmeldung. Und, sofern Sie sich entscheiden, mit einem Computerprogramm zu arbeiten, muss das – anders als bei bilanzierenden Unternehmen – keine bestimmten Anforderungen erfüllen.
Weniger ist mehr!
Wichtig: Die vielfach als manipulationssicher und „finanzamtstauglich“ angepriesenen Computerprogramme (Entspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung = GoB) sind aus Sicht von Kleinunternehmern keineswegs immer besonders wertvoll – im Gegenteil. Beim freiwilligen Einsatz einer vollwertigen kaufmännischen Software laufen Sie als EÜR-Pflichtiger sogar Gefahr, dass das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung die Erstellung von Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen verlangt. Achten Sie im Zweifel darauf, dass es ein eigenständiges EÜR-Modul gibt oder die fortgeschrittenen Optionen der doppelten Buchführung komplett deaktivierbar sind.
Es reicht, wenn Sie am Ende des Jahres aussagekräftige Aufstellungen und Auswertungen handschriftlich erstellen oder ausdrucken können, die den steuerlichen Vorschriften entsprechen. Auch die Art der Belegsammlung ist nicht vorgeschrieben. Vor allem müssen Sie nicht nachweisen, dass Ihre Aufzeichnungen nahtlos mit den Geldbewegungen auf Ihren Finanzkonten (zum Beispiel Giro- oder Festgeldkonten) übereinstimmen.
Ausblick
Im zweiten Teil unseres Beitrags zur Buchhaltungspraxis erfahren Sie, wie Sie Ihr Rechnungswesen mit Standardbüroprogrammen organisieren, welche Buchführungs-Freeware empfehlenswert ist und worauf Sie bei der Wahl von Softwarepaketen achten sollten. ™
Erstveröffentlichung 11.09.2006
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