Eine selbstständig ausgeübte Tätigkeit kann sowohl als freiberufliche als auch gewerbliche Tätigkeit anzusehen sein. Diese Einordnung ist wichtig, weil Sie als Freiberufler die folgenden Vorzüge genießen:
Befreiung von der Gewerbesteuer
Sie brauchen zunächst einmal unabhängig von Ihren Einkünften keine Gewerbesteuer zu entrichten. Als Gewerbetreibender werden Sie normalerweise zur Gewerbesteuer herangezogen. Anders ist das nur, soweit Sie als Einzelunternehmen oder Personengesellschaft mit Ihrem Gewerbeertrag nicht den Freibetrag von 24.500 Euro im jeweiligen Kalenderjahr überschreiten. Der Gewerbeertrag setzt sich dabei aus dem erzielten Gewinn und verschiedenen Positionen zusammen, die dem Gewinn hinzuzurechnen beziehungsweise abzuziehen sind (Hinzurechnungen nach § 8 des Gewerbesteuergesetzes sowie Kürzungen nach § 9 des Gewerbesteuergesetzes). Nähere Infos hierzu finden Sie unter anderen im Internetangebot der IHK Düsseldorf.
Vereinfachte Buchführung
Darüber hinaus sind Gewerbetreibende als Einzelkaufleute gewöhnlich zu der Erstellung einer Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtet, soweit entweder ein Gewinn von über 50.000 Euro erzielt worden ist oder der erzielte Netto Jahres-Umsatz höher ist als 500.000 Euro. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 241a des Handelsgesetzbuches (HGB). Ansonsten reicht die Erstellung einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung aus. Freiberufler brauchen hingegen unabhängig von Ihren Einkünften keine Bilanz erstellen und können sich mit dem Erstellen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung begnügen.
Ist-Versteuerung
Schließlich dürfen alle Freiberufler unabhängig von der Höhe ihrer Umsatzsteuer sowie ihres Gewinns die sogenannte „Ist-Versteuerung“ wählen. Das bedeutet, dass sie nur von den tatsächlich erzielten Einnahmen die Umsatzsteuer abzuführen brauchen.
Gewerbetreibende müssen gewöhnlich die Umsätze bereits in dem Zeitraum versteuern, in dem sie die Rechnung geschrieben haben (so genannte „Soll-Versteuerung“). Anders ist das nur, soweit sie keine Bilanz zu erstellen brauchen oder der Vorjahres-Gesamtumsatz nicht höher gewesen ist als 250.000 Euro (in Ostdeutschland durfte der Vorjahresumsatz bis zum Jahr 2009 nicht größer gewesen sein als 500.000 Euro). Die Ist-Versteuerung ist dann ein Vorteil, wenn Kunden – was häufig der Fall ist – ihre Rechnungen erst später bezahlen.
Katalogberufe – Freiberufe per Definition
Bei der Abgrenzung von freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeit ist zunächst einmal zu beachten, dass der Gesetzgeber in einer Aufzählung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des EStG exemplarisch einige Berufe ausgeführt hat, bei denen es sich um Freiberufler handelt. Diese werden auch als Katalogberufe bezeichnet.
Hierzu gehören vor allem die Ingenieure, die über eine Ausbildung im klassischen Bereich verfügen. Für die Anerkennung als Freiberufler reicht der Abschluss als Ingenieur nicht aus. Vielmehr muss der Betroffene auch als solcher tätig sein. Das bedeutet, dass der Kernbereich eigenverantwortlich ausgeführt werden muss.
Kernbereiche des Ingenieurberufs sind im Einzelnen:
- Forschung und Lehre
- Entwicklung, Konstruktion, Planung, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung
- Vertrieb, Beratung, Versuchs- und Prüfungswesen, technische Verwaltung und Betriebsführung
- Produktions- und Prozesssteuerung, Sicherheit, Patent- und Normenwesen.
Auf dem Gebiet der EDV und Informationstechnik gehört dabei zunächst einmal die Entwicklung und Konstruktion von Hardware und Software. Dies war durch die Rechtsprechung bereits seit Jahrzehnten anerkannt.
Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst darüber hinaus nach einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofes vom 22.09.2009 (Az. VIII R 31/07) auch die folgenden Bereiche:
- die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden
- die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe
- den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und –servern
- die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen
- die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung.
Informatik-Ingenieure arbeiten unter anderem auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die Energieeffizienz bestehender Systeme.
Freiberufler trotz anderweitiger Ausbildung
Viele Selbstständige im EDV-Bereich verfügen jedoch über eine anderweitige Ausbildung und sind darüber hinaus in Berufen tätig, die nicht zu den so genannten Katalogberufen gehören.
Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass die Betroffenen zwangsläufig gewerblich tätig sind. Es handelt sich hierbei um Freiberufler, soweit Sie eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausüben. Hierzu müssen normalerweise sowohl die Ausbildung als auch die konkrete Tätigkeit mit dem Ingenieurberuf vergleichbar sein.
Softwareentwickler und EDV-Berater sind auf jeden Fall dann Freiberufler, soweit sie sich mit Systemtechnik beziehungsweise Systemsoftware befassen und für ihre Tätigkeit üblicherweise eine wissenschaftliche Ausbildung erforderlich ist.
Streitfall Anwendungssoftware
Schwieriger ist es, wenn Sie „nur“ Anwendungssoftware programmieren. Hier kam nach der früheren Rechtsprechung nur eine gewerbliche Tätigkeit in Betracht. Ihre Situation hat sich jedoch gebessert. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 04.05.2004 Az. XI R 9/03 ist diese Sichtweise inzwischen überholt. Es kann vielmehr auch bei der Entwicklung im Bereich von komplexer Anwendungssoftware eine freiberufliche Tätigkeit vorliegen. Dies setzt allerdings Folgendes voraus:
- Das theoretische Wissen des Programmierers muss dem eines Diplom-Ingenieurs beziehungsweise eines Diplom-Informatikers entsprechen.
- Der Programmierer muss bei der Entwicklung klassisch ingenieurmäßig vorgehen, das heißt planend, entwickelnd oder überwachend tätig sein.
Demgegenüber ist gewerblich tätig, wer lediglich sogenannte Trivialsoftware entwickelt. Darunter ist nach einem Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 16.05.2002 (4 K 1375/01) eine Software zu verstehen, „deren Verkaufspreis nicht oberhalb eines Wertes von 800 DM“.
Autodidakt als Freiberufler
Auch ein Autodidakt ohne ein akademisches Studium an einer Hochschule oder Fachhochschule kann eine freiberufliche Tätigkeit im EDV-Bereich ausüben, wenn er die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt. Hierzu muss er oder sie allerdings darlegen und nachweisen, tatsächlich über die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Diplom-Informatikers beziehungsweise Diplom-Ingenieurs „in seiner ganzen Tiefe und Bandbreite“ zu verfügen.
Dies hat der Bundesfinanzhof am 22.09.2009 (Az. VIII R 63/06) in einem Fall entschieden, in dem ein Unternehmensberater nach dem Besuch einer Fachschule für elektronische Datenverarbeitung die staatliche Prüfung zum Betriebswirt-EDV abgelegt hatte und nun als Unternehmensberater auf dem Gebiet des EDV-Consultings/Software-Engineerings tätig war. In diesem Rahmen betreute er Kunden, die Systemsoftware einer bestimmten Firma erworben hatten. Seine Aufgabe bestand darin, dass er die Betriebssysteme und Datenübertragungssysteme aus diesem Unternehmen installierte, einrichtete oder auf neue Betriebssysteme umstellte. Darüber hinaus leistete er Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.
Im vorliegenden Sachverhalt stellten die Richter fest, dass der Betroffene freiberuflich tätig war. Hierzu reichte aus, dass er über die Software über die reine Installation den Gegebenheiten der örtlichen Umgebung angepasst und hinsichtlich der Umstellung auf Softwareentwicklungsarbeiten zurückgegriffen hatte, für die er selbst im Rahmen eines Sonderauftrages mit einer anderen Firma mitverantwortlich gezeichnet hatte. Diese Tätigkeit ist mit der eines Ingenieurs vergleichbar, der ein technisches Werk zunächst konstruiert und das entwickelte Produkt später bei seinen Kunden betriebsfertig installiert.
(mm)